Heft 
(1878) 31
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Daß Weiß und Scharlach als ein zusammengehöriges Paar zu fassen sind, geht daraus hervor, daß Purpurblau und Pur- purroth, sei es neben Weiß und Scharlach oder dazwischen, immer unzertrennlich beisammensteheu. Weil der Farbstoff des alten Purpur überaus kostbar war und der Eindruck prächtig ist, erscheinen Purpurkleider im Buche der Richter als Tracht der midianitischen Könige, und ohne Zweifel war Purpur schon in der mvsaischen Zeit (wenn auch nicht in Aegypten, wo der Pharao nach priesterlicher Weise in einem Ueberwurf von durch­sichtigem feinsten Weiß abgebildet wird), Zeichen höchster herr­schaftlicher Würde. Darum wird der Purpur der Kleider des Hohenpriesters sagen wollen, daß er Diener des Gottes ist, von welchem das jenseit des Schilfmeers gesungene Lied bekennt:Der HErr wird König sein immer und ewig."

Purpurroth und Purpnrblan sind aber nur zwei Arten der einen Purpurfarbe. Diese ist keine einfache Farbe, sondern ein Ge­menge von Roth und Violet; auch sämmtliche Spektralfarben zu­sammen, wenn man das Grün entfernt, ergeben Purpur. Die zwei Purpursorten werden also ans zweierlei Bethätigung des himm­lischen Königs deuten: das Purpurroth auf die Majestät Gottes in seiner Erhabenheit und das Purpnrblan auf die Majestät Gottes in seiner Herablassung. Schon an sich macht Purpur­roth einen imponirend strengen, ernst stimmenden, und Purpur­blau dagegen einen sanften beruhigenden Eindruck. Und während das Purpurroth an den Gott des Gerichts erinnert, der, wenn er zürnt, den Himmel in Schwarz und den Mond in Blut wandelt, erinnert das Purpnrblan an den Gott des Friedens, welcher das Blau des Himmels über der Erde wie ein Zelt des Friedens wölbt. Und noch mehr: das Purpurblan tritt in Beziehung zu einem unvergeßlichen Ereigniß der Gesetzgebungs­zeit. Denn als Mose und Aaron, Nadab und Abihu und die siebzig Nettesten auf den Berg Sinai hinanfbeschieden waren, da sahen sie den Gott Israels, und unter seinen Füßen war wie ein Gebilde durchsichtigen Saphirs und wie der trübungs­loseste Himmel an Reinheit". Es war nicht die Himmelsbläue

selber, die sie über sich erblickten, sondern ein dem durchsichtig­sten Saphir und der schönsten Himmelsklarheit gleiches wunder­sames Blau, durch welches der Majestätische, der sich auf die Erde niedergelassen, ihnen seine Gegenwart anzeigte; Israel hatte so eben das Gelübde der Bundestreue abgelegt, und nun gab sich Gott den Vertretern Israels dergestalt als Bundes­gott zu schauen. Seitdem verbindet sich mit dem Purpurblan im Bewußtsein Israels die Erinnerung an den Gott, der sich zum Bunde mit ihm herabgelassen. In diesem Sinne soll der Israelit das Purpurblan der Schaufäden ansehen. Und während der Brandopferaltar auf dem Wanderzug in ein pnrpurrothes Tuch und die anderen heiligen Geräthe in purpurblaue und scharlachene Tücher gehüllt und Robbenfelle darüber gedeckt sein sollen, wird allein die Lade des Bundes mit dem Vor­hang des Allerheiligsten dadurch ausgezeichnet, daß das Robben­fell zu unterst liegen und das purpurblaue Tuch unverhüllt obenauf kommen soll. Ans die Frage: warum? antwortet die altjüdische Deutung: weil Purpurblan dem Meere und das Meer dem Firmament und das Firmament dem Saphirstein und der Saphirstein dem Throne der Herrlichkeit gleicht, den die Vertreter Israels bei der Gesetzgebung ans Sinai schauten. Die Antwort ist treffend: Purpnrblan kennzeichnet die Heilig- thümer, welche vor andern der Niederlassung Gottes unter seinem Volke und der sakramentlichen Vermittelung des Bundes­verhältnisses dienen. Wir werden also nicht irre gehen, wenn wir sagen: das Purpurroth und Purpurblan im Ornate des Hohenpriesters kennzeichnet ihn als den Diener des Majestäti­schen, welcher der Allerhabene und zugleich der Bundestreue ist, womit nahezu znsammentrifft, daß die jüdische Geheimlehre, in­dem sie drei Farben des Regenbogens: Weiß, Roth und Blau unterscheidet, Weiß auf das Prinzip der Gnade als die rechte Seite göttlicher Eigenschaftung bezieht, Roth auf das Prinzip der Strenge als die linke Seite, und Blau auf das Erbarmen als die Säule der Mitte.

Berichtigung. In dem Aufsätze über das Blau des Himmels S. 480, dritter Absatz, istBlau" statt Blut zu lesen.

Wor dem Sturm.

Historischer Roman von Theodor Fontone.

(Fortsetzung.)

Nachdruck verboten. Ges. v. 11 ./IV. 70.

XXXIIl. Soiree und Ball.

Um die vierte Stunde des andern Tages, die Sonne war eben unter, hielten die seit einer Woche kaum noch aus dem Geschirr gekommenen Hohen-Vietzer Ponies vor dem uns aus dem Beginn unserer Erzählung bekannten Hanse in der Kloster­straße. Lewin öffnete die schwere, mittelst eines innen an­gebrachten Steingewichts sich von selbst schließende Hausthür und stieg die Treppen hinan.

Auf der dritten und letzten schimmerte schon das Licht, mit dem Frau Hulen auf den Flur getreten war, theils um ihrem jungen Herrn Lewin ihren Respekt zu bezeigen, aber noch mehr, um die dicke Epheuguirlande über der Thür sichtbar zu machen, die sie zu seinem Empfange geflochten.

Guten Abend, Frau Hulen." Damit trat er erst in den Alkoven und von diesem aus in das große Vorderzimmer, das die Liebe und Sorgfalt der Alten in ähnlicher Weise festlich hergerichtet hatte. Auf dem runden Sophatische standen zwei kleine brennende Lichter, Kaffeegeschirr und ein Napfkuchen, während eine zweite Guirlande, auch von Epheu, aber schmal und zierlich und aus einzelnen Blättern zusammengenäht, die damastne Kaffeeserviette einfaßte.

Aber das ist ja, als ob ein Bräutigam einzöge, Frau Hulen; wo kommt nur all der Epheu her?"

Kirchenepheu, junger Herr."

Also von drüben?"

Ja, drüben von der Klosterkirche; ich Hab' ihn an dem linken Chorpfeiler gepflückt. Und nun, langen Sie zu, junger Herr, und schenken sich ein, ehe der Kaffee kalt wird."

Auf dem Tische, zu einem kleinen Fächer geordnet, lagen die vier, fünf Briese, die während Lewins Abwesenheit ein-

XIV. Jahrgang. 31. I*

gegangen waren. Einer von ihnen, erst vor wenig Stunden geschrieben, war von Tubal. Nur wenige Zeilen. Lewin las:

4 . Januar. Seit vorgestern Abend sind wir wieder hier. Papa, der uns schon früher von Guse zurück erwartet hatte, hat auf heute (Montag) eine Soiröe angesetzt. So Du recht­zeitig eintriffst, laß uns nicht im Stich. Wir haben Ueberfluß an Herren, aber nicht an Tänzern. Die Mazurka, die vor dem Feste bei Wylichs aufgeführt wurde und in der Kathinka, wie Du gehört haben wirst, einen ihrer Triumphe feierte, soll wiederholt werden. Du fehltest damals; sei heute da.

Dein T."

Lewin legte das Blatt aus der Hand, das ihn verstimmt hatte. Während der Fahrt war er geschäftig gewesen, sich diesen ersten Abend als ein häusliches Idyll auszumalen, alles hell und licht, in dem Frau Hulens weiße Haube, die weiße Thee- kanne und viele quadratisch gefaltete weiße Blätter, von denen er jedes zu beschreiben hoffte, die seinem Auge sich einschmei­chelnden Punkte waren, und nun zerrann dieser Traum in demselben Augenblicke, in dem er ihn zu verwirklichen dachte. Er hatte weder Lust zu tanzen noch tanzen zu sehen, am wenigsten Kathinka, deren Mazurkapartner, wie er sich aus be­geisterten Schilderungen der Freunde sehr wohl entsann, Graf Bninski gewesen war. Und doch war die Einladung nicht zu umgehen. Er hatte noch zwei Stunden, und müde von der Fahrt, überwand er mit Hilfe feiner Ermattung seine Miß­stimmung, drückte sich in das seegrasharte Sophakissen und schlief ein.

Als er erwachte, war alles dunkel im Zimmer, die kurzen Lichter niedergcbrannt. Er wickelte sich ans einer Decke her­aus, mit der ihn Frau Hulen, während er schlief, zugedeckt hatte; aber es kostete ihm Mühe, sich zurecht zu finden. Wo