schaft von dem großen Ereigniß. Tie Wirkung war um vieles geringer als erwartet werden durfte. Die Herren versicherten, „daß sie nicht überrascht seien, daß sich vielmehr nur ein Unausbleibliches vollzogen habe".
Die Damen dachten der Mehrzahl nach wie Kathinka, und waren nur klug genug, mit einem gleichmütigen „Rb dien" zurückzuhalten. Aber wie gering die Wirkung sein mochte, sie war doch groß genug, eine gewisse Zerstreutheit hervorzurufen und dadurch die Gesellschaft zu stören. Schon um zwölf fuhren die ersten Wagen vor, und ehe eine halbe Stunde um war, hatten sich die Säle geleert.
Bummcke, Jürgaß, Lewin, zu denen sich auch Baron Geertz
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und der alle andern beinahe um Haupteslänge überragende Major von Haacke gesellt hatten, gingen zusammen die Treppe hinunter. Unten trennte sich Lewin von ihnen; die vier andern Herren aber hatten denselben Weg und schritten auf die Lange Brücke zu. Als sie die Mitte derselben erreicht hatten, sahen sie zu dem Reiterstandbild des großen Kurfürsten auf, das in seiner oberen Hälfte vom Marstall und alten Postgebäude her, in deren Fenstern noch Licht war, beleuchtet wurde. Der prächtige Kopf schien zu lächeln.
„Seht," sagte Jürgaß, „er sieht nicht aus, als ob es mit uns zu Ende ginge."
(Fortsetzung folgt.)
Adam Wese, der Wchenmeister.
Von Mar Allihn.
Nachdruck verboten. Ges. v. 11. VI. 70.
„Sieben mal acht ist viernndfünfzig."
„Nein, sechsundfünfzig, nach Adam Riese."
„Ja so, sechsundfünszig."
Freilich, wenn Adam Riese gesprochen hat, so hört selbstverständlich jeder Widerspruch auf. Wer ist denn aber diese Rechenantorität, gegen deren Unfehlbarkeit nicht auszukommen ist? Jedenfalls der Herausgeber einer Rechnenschnle. Aber wer war er, wann lebte er? Die Umschrift des nebenstehenden Porträts sagt es: „^.uno 1550 ^.ckam Riss ssius Tlltsis im RV1."
„Fünfzehnhundertundfünszig? So alt schon?"
Ja so alt; und darin liegt ein Grund seiner Popularität. Doch das muß des näheren begründet werden.
Mit der Volksschule sah es in der Zeit vor der Reformation bitterböse aus. Es gab Stadtschulen für wenige begünstigte Patriziersöhne, es gab Klosterschulen, in denen ein wenig Latein, Mathematik, Physik und viel Theologie gelernt wurde, aber es gab fast keine Schulen, in denen der niedere Mann etwas für das praktische Leben hätte lernen können.
Und wie ward die arme Jugend gequält. Luther spricht sich darüber in seiner treffenden Weise so ans: „Ja was hat man gelernt in hohen Schulen und Klöstern bisher, denn nur Esel, Klötze und Bloche werden? Jst's doch auch nicht meine Meinung, daß man solche Schulen errichte, wie sie bisher gewesen sind, da ein Knabe 20 oder 30 Jahre über dem Donat und Alexander (zwei das ganze Mittelalter beherrschende wunderliche Lehrbücher der lateinischen Sprache) gelernet, und dennoch nichts gelernt hat — Und ist jetzt nicht mehr die Hölle und das Fegefeuer unsere Schulen, da wir innen gemartert sind über den Casualibus und Temporalibus, und da wir doch nichts, denn eitel nichts gelernt haben durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer. Solch Lehrer und Meister haben wir müssen allenthalben haben, die selbst nichts gekonnt und nichts
guts und rechts haben mögen lehren_Wes ist die Schuld?
Es sind keine anderen Bücher vorhanden gewesen, denn solch tolle Mönch- und Sophistenbücher."
Die Reformatoren waren davon überzeugt, daß sie ihre Kirche ans das Fundament der Schule bauen mußten, und ihre Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg; es entstanden unter Rektoren, Kandidaten und Schulmeistern zahlreiche Stadtschulen. Und auch sür's Land wurde gesorgt. Alle die zahlreichen Visitationsordnungen, welche in den folgenden Jahrzehnten von den verschiedenen Landesbehörden erlassen wurden, legten besonderen Nachdruck auf die Schulfrage. Man fand aber auch absolute Unwissenheit und mußte zufrieden sein, wenn Lehrer und Schüler es zum Lesen und Schreiben brachten. Als letztes Ziel wurde bezeichnet, auch Mädchenschulen einzurichten, in denen wenigstens das Lesen traktirt werden möchte.
Vom Rechnen verlautet in den Lehrplänen nicht ein Wort. Ja, Zwingli, der der Zahlenkunde Erwähnung thut, weiß sie theologisch zu rechtfertigen, -da ja Gott auch die Welt nach Maßen und Zahlen erschaffen habe, erkennt ihre Nothwendigkeit an, warnt aber, sich ja nicht zu lange mit ihr zu beschäftigen. Aber das lebendige Bedürfniß war stärker als die gelehrte Doktrin; es fanden sich Rechenmeister, öfter zugleich als Schreibmeister sungirend, welche das elementare und kaufmännische Rechnen traktirten. Bald erschienen auch die von Luther mit Recht
schmerzlich vermißten Bücher. Wie groß das Bedürfniß war, kann man aus der massenhaften Produktion sehen. Es erschienen im 16. Jahrhundert mehr als zweihundert Werke über die Rechenkunst. In die Reihe der Autoren von Rechenbüchern gehört auch Adam Riese. Die erste Ausgabe seines Buches ist vom Jahre 1525, eine zweite von 1529, eine dritte, die welche mir eben vorliegt und die das Holzschnittporträt des Meisters auf dem Titelblatte führt, von 1550.
Von Rieses Lebensverhältnissen ist wenig bekannt. Er ist 1492 zu Staffelstein in Franken geboren, war 1522 „Rechen- mayster" in Erfurt und nach 1525 Bergbeamter „aufs sankt Andreasberg". Nebenbei hatte er um 1532 eine Privatschnle, in welcher er seine Rechenkunst lehrte. Er starb 1559. Ein kleines Landgut, welches Riese in der Nähe von Annaberg besaß, führt noch heute den Namen Riesenburg.
Was sein Rechenwerk anbetrisft, so müssen wir sagen, daß es weder das einzige seiner Art, noch das erste oder letzte, daß es nicht neu in der Methode, auch nicht abweichend in der Form ist. Was war also der Grund, daß gerade Adam Riese diese Berühmtheit erlangte, und daß sein Buch außer den oben genannten drei noch so viele Auslagen erlebte, wie daneben kaum ein anderes altes Schulbuch? Adam Riese war, um es mit kurzen Worten zu sagen, ein geborener Schulmeister und ein alter Praktikus, der genau wußte, wen er vor sich hatte, und der dem Bedürfniß seiner Zeit gerecht zu werden verstand. Hier der Beweis.
Er äußert sich in der Vorrede: „Ich habe gefunden in vnder Weisung der Jugent das alle weg > die so aufs linien anheben des Rechnens fertiger vnd läufftiger werden ! denn so sie mit den ziffern die Feder genant anfahen ! In den Linien werden sie fertig des zelen I vnd für alle Exempla der kanffhendel vnd hausrechnung schöpffen sie einen besseren grnnd > Mögen als denn mit geringer mühe aufs den ziffern jre Rechnung Volbringen."
In diesen wenigen Worten liegt ein ganzes Buch pädagogischer Weisheit. Riese spricht den Grundsatz ans, der leider nach ihm vernachlässigt und erst durch die neueste Methodik wieder zur Geltung gekommen ist: der Anfänger soll nicht mit abstrakten Ziffern, sondern mit benannten Gegenständen, also nicht mit der 3, 4, 5, sondern mit 3, 4, 5 Aepseln oder Birnen oder Pfennigen rechnen. Wir müssen diesen methodischen Grundsatz unserem Adam Riese noch höher anrechnen, wenn wir uns aus den Klagen Luthers erinnern, wie schlimm es mit der Methode in den Schulen bis in die Reformation hinein stand, und wie hier die harte Tyrannei, dort das abstrakte Gelehrten- thum die Zügel führten.
Aber was heißt denn das: auf Linien rechnen? Nehmen wir an, daß wir diese Anfängerkunst durch Adam Riese zu erlernen hätten. Wir brauchen zuerst einen Tisch oder ein Brett oder eine andere Fläche. Auf diese werden 6 oder 7 wagerechte parallele Linien gezeichnet und in mäßigen Abständen senkrechte Querstriche angebracht, so daß das Ganze aussieht wie Notenlinien mit Taktstrichen. Die Aehnlichkeit mit Noten geht auch noch weiter. Die unterste Linie ist der Ort für die Einer, die nächsten bezeichnen die Zehner, Hunderter und Tausender. Diese, die vierte Linie und die siebente, auf welche die Million zu stehen kommt, werden durch Kreuze über den