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Im Lande der Pharaonen.
„Ein häufig in der Natur vorkommender mathematischer Körper trägt den Namen der Pyramide, und er empfing ihn von den gleich ihm gestalteten ägyptischen Bauten, nicht umgekehrt; „labyrinthisch" nennen wir jedes verworrene und unklar angeordnete, vielfältig gegliederte Ding und zwar nach dem Reichspalaste, welchen ägyptische Könige erbauten und aus dessen Zimmergewirr es schwer war, den Ansgang zu finden. „Hieroglyphisch" heißt auch bei uns, und zwar nach der alten Bilderschrift der Aegypter, jeder durch seine mystische Form verschleierte Gedanke. Täglich und stündlich haben wir es, gemeinhin freilich unbewußt, mit im Pharaonenlande heimischen Vorstellungen und Gegenständen zu thnn."
Mit diesen Worten leitet Ebers eine neue und höchst interessante Publikation ein. Unter dem Titel: „Aegypten in Bild und Wort" erscheint jetzt bei Hallberger in Stuttgart und Leipzig in Lieferungen ein Prachtwerk, das zu dem Edelsten gehört, was wir in dieser Art besitzen. Ueber den Text ist weiter nichts zu sagen, als daß er von Ebers, mithin gründlich, allgemein verständlich und schön ist. Die Bilder charakterisiren wir wohl am besten als des Textes würdig. Eine Reihe trefflicher Künstler wie L. Burger, L. K. Müller, B. Fiedler, Ferd. Keller, W. Gcntz, H. Makart, G. Richter und viele andere haben
Beide haben Dich recht unterrichtet, denn tausende von Wallfahrern zieht der Geburtstag des zu Tanta begrabenen großen Heiligen an, und andere tausende strömen dort zusammen, nur Maaren und Vieh zu kaufen oder an den Mann zu bringen, um Geschäfte abzuschließen, Vergnügen zu finden oder auch zu gewähren.
Alle Stätten der großen religiösen Zusammenkünfte und Feste der Muslimen Pflegen zu gleicher Zeit Meßplätze zu sein, und selbst den Wallfahrern nach Mekka ist es gestattet, ans ihrer frommen und an Entbehrungen reichen Pilgerreise Handel zu treiben, auch in Kairo sind Jahrmärkte mit den Festen verbunden; aber selbst in der Hauptstadt Aegyptens wird keine Messe abgehalten, die an Großartigkeit nicht weit von der zu Tanta übertroffen würde. Freilich ist auch der Heilige der letztgenannten Stadt, Segid Ahmed el Bedawi, der am höchsten und allgemeinsten verehrte von den vielen Heiligen oder Weli, deren Gräber das Wallfahrtsziel der Frommen bildet. Diese Welis sind heilige Männer, die in ihrem Leben Wunder wirkten, und von denen man glaubt, daß sie nach ihrem Tode dem Throne Gottes am nächsten stehen (Weli bedeutet der Nahestehende), und sich darum in der Lage befinden werden, Fürbitte bei dem Herrn der Welt für die von ihnen Begünstigten einznlegen. Der Besuch solcher Weligrüber,
Mondnacht am rothen Meere.
'Nus dem Prachtwerk „Aegypten" von Georg Ebc
sich mit den hervorragendsten Holzschneidern dazu vereinigt, wahrhaft Vorzügliches zu leisten.
Von dem ersten der beiden Bilder, die wir unseren Lesern vorführen, ist wenig zu sagen, da es sich selbst erklärt. Es stellt eine Mondscheinnacht auf dem rothen Meere in all ihrer zauberhaften, phantastischen Herrlichkeit dar. Das zweite dagegen, der Markt zu Tanta, erfordert eine ausführlichere Erklärung.
Wer auf der das Delta von Norden nach Süden durchschneidenden Eisenbahn von Alexandrien nach Kairo gefahren ist, der hat inmitten des Weges Tanta gesehen. Aber der Reisende vergißt die mittelgroße Provinzialstadt, die sich durch nichts von den anderen Orten unterscheidet, bei denen der Eilzng hält, sobald er Theil nimmt an dem bewegten, eigenartigen, berauschenden Leben des wunderbaren Kairo. Nur wenn er im Januar, oder kurz nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, oder gar am Ende des Augustmonats Tanta berührte, wird sich das Bild dieser Stadt seinem Gedächtnisse einprägen, denn dann wimmelt der Bahnhof von Männern und Frauen aus allen Theilen des Morgenlandes, und wenn er die Station verläßt und zum Fenster des Wagens hinausschaut, so wird er glauben, an einem belagerten Orte vorbeizufahren. Oder was bedeuten die Zelte, die in langen Reihen die Stadt umgeben, was die Rinder, Schafe und Ziegen, Pferde und Kameele, die außerhalb der Thore in großen Mengen zn- sammenstehen, was hat das bunte Gewirr von Geräuschen und Klängen zu sagen, das von der Stadt ausgehend das Ohr des Reisenden trifft nnd selbst den Lärm des auf eiserner Bahn dahinbrausenden Zuges übertönt ?
Frage den Levantiner, der so eben zu Dir in den Wagen gestiegen, und er wird Dir erwidern: „Es ist Messe in Tanta." Frage den arabischen Schaffner, der Deine Fahrkarte verlangt, nnd Du wirst die Antwort erhalten: „Der große Mölid des heiligen Sejid wird dort gefeiert."
Originalzcichnung von F. C. Welsch.
r s. Verlag von Eduard Hallbergcr in Ltuttgart
unter denen das des Heiligen von Tanta, welches sich in der neuen, unschönen aber stattlichen Hanptmoschee des Ortes befindet, den ersten Platz einnimmt, wird als eine Handlung der religiösen Pietät aufgefaßt und abgestattet, und wer solche Wallfahrt unternimmt, der hofft, daß sie die heilsamste Wirkung ans sein künftiges Dasein üben werde. Von vielen Welis glaubt man zu wissen, für welche Verhältnisse des Lebens sie sich besonders gern hilfreich erweisen; der von Tanta pflegt denen sich am günstigsten zu zeigen, die um Kindersegen bitten, auch wird er stets bei plötzlich hereinbrechenden Gefahren angerufen.
Was Aegypten an sinnlichen Freuden, an Schaustellungen nnd Ver- gnüglichkeiten kennt, wird während dieser Messe den Wallfahrern geboten. Die Straßen sind so überfüllt mit Menschen, daß es schwer ist, sich durch die hin und her wogende Menge Bahn zu brechen. Ueberall stehen Maaren seil in dem unteren Geschoß der Häuser, in Buden nnd vor den am Boden kauernden Händlern. Auf den Viehmärkten wird gefeilscht und geboten, und zwischen den Wallfahrern, Kaufleuten, Neugierigen und den nur zu zahlreich vertretenen Bettlern und Dieben bewegen sich die Verkäufer von süßen Eßwaaren, Fruchtsäften und Spielsachen für die Kinder. Auf großen Plätzen zeigen sich, von den Zuschauern in weitem Kreise umringt, Gaukler, Taschenspieler und Jongleure. — Tänzer und Musikanten lassen sich im Freien und in den bunt geschmückten Kaffeehäusern, die die Zahl der Besucher kaum zu fassen vermögen, sehen und hören, und aus ganz Aegypten strömen hier zur Meßzeit die geputzten und geschminkten Ghazijes (Pluralis von GhawLzi) zusammen, die einer großen, durch das ganze Land verzweigten Familie anzngehören und in Gesang nnd Tanz geübt zu sein pflegen.
Erdrückend wird das Gedränge, sinnverwirrend der Lärm in den Straßen der Stadt, wenn die Sonne untergegangen ist und der geschäftliche Verkehr seinen Abschluß gefunden hat. Dann blinken Lampen