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dem geschickten Mechaniker gelang die Herstellung vollkommen, und der Automat funktionirt nunmehr in derselben Weise wie einstmals.
Zunächst muß jedoch bemerkt werden, daß die Ente keineswegs die Bewegung des Gehens nachahmt, sondern mit ihren Füßen fest auf einen: Postamente steht. In diesem Postamente befindet sich der Hauptmechanismus, eine große Messingtrommel, welche durch ein Uhrwerk in langsame Rotation versetzt wird und mit einer großen Anzahl metallener Zapfen versehen ist, wie die Walze einer Drehorgel. Diese Zapfen üben während der Rotation der Trommel abwechselnden Druck auf bindfaden- dünne Stahlkettchen aus, welche durch die hohlen Beine in den Körper der Ente geleitet worden find und dort mit den verschiedenen Hebeln in Verbindung stehen, deren Hebung und Senkung das Schlagen der Flügel, das Wenden des Kopfes, Oeffnen des Schnabels in mannichfacher Abwechselung bewerkstelligen.
In dem Postament ist ferner ein kleiner Blasebalg angebracht, der von Zeit zu Zeit Wind in ein trompetenartiges Mundstück bläst, wodurch die Stimme der Ente täuschend nachgeahmt wird, während ein zweiter pneumatischer Apparat durch ein Röhrensystem, das in dem Schnabel endet, die der Ente Vorgesetzte Mischung von Grütze und Wasser nach und nach aufsaugt.
Die sinnreiche Kombination des Ganzen verdient noch heute Anerkennung, wenn sie auch keinen Vergleich anshalten kann mit der Konstruktion einer Nähmaschine, die fast in keinen: Hanse fehlt, oder mit dem Huygenschen Telegraphen, der die Depeschen in deutlicher Druckschrift abgibt. Die kunstvollen Erzeugnisse der Mechanik sind etwas zu alltägliches geworden, als daß sie uns in der Gestalt zweckloser Automaten imponiren könnten, und selbst die vielgepriesene Ente Vaucansons mußte nach der Wiedererweckung ihren traditionellen Ruhm verlieren und in der Konkurrenz mit den Automaten der Jetztzeit unterliegen.
Solche moderne Automaten, die im Gegensatz zu den Künsteleien früherer Epochen die Aufgabe haben, ernsten wissenschaftlichen Zwecken zu dienen, finden sich heutzutage in den meisten metereologischcn Observatorien von Bedeutung, sie sind bestimmt, die täglichen Schwankungen der Temperatur, des Luftdrucks, der Ablenkung der Magnetnadel selbstthätig zu verzeichnen und erwiesen sich bereits seit einer Reihe von Jahren als Buchhalter von der größten Gewissenhaftigkeit, bei denen ein Jrrthum zur Unmöglichkeit gehört.
Ein derartiger automatischer Schreiber, dem die Aufzeichnung der täglichen Barometerschwankung obliegt, besteht zunächst aus einem photographischen Apparate, dessen Hinterwand mit einem schmalen Einschnitt versehen ist. Ein Uhrwerk bewegt langsam einen Streifen Papier an diesem Ansschnitt vorbei, indem es das Papier von einer Rolle abwickelt und auf einer zweiten aufwickelt. Das Papier selbst ist durch chemische Prozesse lichtempfindlich gemacht. Vor den optischen Gläsern des Apparates steht der obere Theil des Barometerrohres, so daß ein Bild von dem quecksilberfreien Theile desselben genau auf das lichtempfindliche Papier geworfen wird. Das Barometer empfängt seinerseits, so weit als nöthig, eine intensive Beleuchtung von einer hellbrennenden Lampe, die hinreichend chemisch wirksame Strahlen anssendet, um das Papier an den Stellen, welche vom Lichte getroffen werden, zu schwärzen. Steigt nun das Quecksilber, so wird der Lichtstreifen in dem Apparate verkürzt, fällt es dagegen, muß derselbe an Länge zunehmen, und da das Papier sich langsam weiter bewegt, muß der Stand des Quecksilbers sich in Gestalt einer fortlaufenden Kurve abzeichnen, die auch die kleinsten Schwankungen auf das genaueste wiedergibt. In ähnlicher Weise geschieht die Verzeichnung des Thermometerstandes, und da die Apparate Tag und Nacht in Thätigkeit sind, ist die Protokollirung der metereologischcn Beobachtungen eine ununterbrochene.
Zur selbstthätigen Registrirung der Abweichungen der Magnetnadel, sowohl der regelmäßigen als der unregelmäßigen, tragen die leichtbeweglichen Magnetstäbe dicht an ihrem Drehpunkte kleine Metallspiegel, auf welche das durch Sammellinsen konzentrirte Licht der Lampe fällt. Von dem Spiegel wird nun seinerseits das Licht auf einen mit lichtempfindlichem Papier überzogenen Cylindcr geworfen, der sich in vierundzwanzig Stunden einmal um seine Axe dreht. In diesem Falle entsteht
ans dem Papiere eine schwarze Linie, deren Abweichungen von der geraden die Ablenkungen der Magnetnadel anzcigen. Bei Gewittern, beim Nordlicht, bei Erdbeben und anderen gewaltigen Erscheinungen, welche wir bildlich den Kampf der Elemente nennen, schwankt die Magnetnadel, als wollte sie in die Revolutionen der Natur einstimmen, und der Lichtstrahl, welcher den automatischen Schreibern als Griffel dient, bucht sie mit unvergleichlicher Treue zu jeder Stunde des Jahres.
Wie bekannt, zeigen sich auf der Sonne zeitweilig fort- rückendc dunkle Flecken und helllenchtende Lichtfackeln, die ihre Ursache nicht in einer Täuschung des Auges haben, sondern auch auf den Photographien deutlich sichtbar sind, welche in dem sechzigsten Theile einer Sekunde in größter Schärfe ausgenommen worden sind. Als der englische Astronom Carrington am ersten September des Jahres 1859 beschäftigt war, seine täglichen Beobachtungen über die Gestalt und Lage der Sonnenflecken zu machen, sah er zu seinem Erstaunen aus der Mitte des großen Fleckens, der schon einige Tage lang Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit gewesen, ein intensiv Helles und Weißes Licht hervorbrechen, welches viel Heller war als die übrige Sonnenfläche. Diese Erscheinung dauerte etwas länger als fünf Minuten, und nach ihrem Verschwinden schien der große Fleck unverändert wie zuvor zu sein. Dasselbe Phänomen wurde auch von Hodgson zu Highgatc, einige englische Meilen von der Sternwarte Carringtons, wahrgenommen, und beide Beobachter kamen darin überein, die Zeit des Erscheinens und des Verschwindens, annähernd richtig bis auf einige Sekunden, auf 11 Uhr 18 Minuten und 11 Uhr 23 Minuten mittlerer Greenwicher Zeit festzustellen. Einige Tage darauf hatte Carrington Gelegenheit, das metereologische Observatorium zu Kew bei London zu besuchen, und von dem Phänomen sprechend, die photographischen Auszeichnungen zu untersuchen, welche dort von drei Magnetstäben gleichzeitig gemacht werden. In jeder dieser Aufzeichnungen sah er eine sehr große Störung, die, soweit er beurtheilen konnte, gleichzeitig mit der Erscheinung des Hellen weißen Lichtes in dem dunklen Flecken auf der Sonne stattfand.
Dieser unwiderlegbare Beweis eines Zusammenhanges zwischen den physischen Veränderungen der Oberfläche der Sonne und den magnetischen Störungen auf der Erde wäre ohne Mithilfe der modernen Automaten wahrscheinlich der Beobachtung entgangen, denn nur die zufällige Beaufsichtigung der Magnetnadel während der fünf Minuten hätte in Verein mit der gleichzeitigen Notirung der Zeit andernfalls Veranlassung geben können, die jetzt unzweifelhafte Einwirkung leider noch räthsel- hafter Prozesse in der Photosphäre der zwanzig Millionen Meilen entfernten Sonne auf den Erdmagnetismus festzustellen. Ein solcher Zufall wäre jedoch dem Haupttreffer in der Lotterie glcichznachten. Seitdem aber die Vorgänge an der Svnnen- oberfläche mit Hilfe des Spektroskopes regelmäßig beobachtet werden können, sind ähnliche Fälle, wie der, welchen die modernen Automaten in dein Observatorium zu Kew ermitteln halfen, häufiger konstatirt worden, und die Physiker suchen mit Fleiß die Gesetzmäßigkeit sowie die Ursachen dieser Phänomene zu ergründen. Ohne näher auf die bereits der Diskussion übergebenen Hypothesen einzugehen, soll hier nur erwähnt werden, daß, als das Auge des Astronomen die Erscheinung auf der Sonne wahrnahm, gleichzeitig die Störung des Erdmagnetismus von den Magnetnadeln verzeichnet wurde, daß also der magnetische Einfluß des Vorganges auf der Sonne sich mit der Geschwindigkeit des Lichtes auf die Erde übertrug, ein Umstand, der Veranlassung gibt, die Ansichten von dem Wesen des Lichtes und des Magnetismus zu erweitern, wie dies auch schon von Professor Zöllner in geistreicher Weise geschehen ist.
Gar gewaltig ist der Unterschied zwischen den Automaten, welche darauf beschränkt waren, das Publikum durch nothdürstige Nachahmung einzelner Lebenserscheinungen zu ergötzen und den Automaten der Neuzeit, die dem Forscher hilfreiche Hand leisten. Sie unterscheiden sich wie das Kind vom Manne, wie das Spiel vom ernsten Streben, wie frühere Zeit vom Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität, in dem wir leben, und können als ein Spiegel dienen, aus dein uns ein Stücklein Kulturgeschichte ermunternd in die Augen sieht.