Heft 
(1878) 33
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dem roth- und schwarzkarrirtem schottischen Tuch heraus, das sie nach Art einer Kaputze übergeworfen hatte, leuchteten ihre großen dunklen Augen selber wie Feuer.

Die Eimerkette ging, der Strahl fiel in die Flamme, aber bald mußten wir uns überzeugen, daß es unmöglich sei, den Saalanbau auch nur theilweise zu retten, und so gab Papa Ordre, den Wasserstrahl nur noch auf Dach und Giebel des Wohnhauses zu richten, um wenigstens das Uebergreisen des Feuers zu hindern. Aber auch das schien nicht gelingen zu ! sollen; das Weinspalier fing bereits an, an mehreren Stellen zu brennen, und das am Hause niederführende Gossenrohr, als oben das Zink geschmolzen, löste sich aus der Dachrinne und stürzte aus den Hof.

In diesem Augenblicke erschien Hoppenmarieken unter der Einfahrt, blieb stehen und sah auf das Feuer. Sie kam nicht von Hause, sondern war erst wieder auf dem Wege dahin. Wer weiß, wo sie bis dahin gesteckt hatte. Als Hanne Bogun der Alten ansichtig wurde, schüttelte er seinen linken Jacken­ärmel wie im Triumph und rief:Da is Hoppenmarieken," und gleich darauf:De möt et bespreken." Papa wußte wohl, daß die Leute, die so vieles von ihr wissen, ihr auch nach­sagen, daß sie Feuer besprechen könne; es widerstand ihm aber, sich an ihre Teufelskünste, an die er nicht glaubt oder die ihm zuwider sind, wie hilfebittend zu wenden. Seidentopf, der wohl sehen mochte, was in ihm vorging, trat an ihn heran und sagte:Wer Gott im Herzen hat, dem muß alles dienen, Gutes und Böses." Da winkte Papa die Alte heran und sagte: Nun zeige, Marieken, was Du kannst."

Diese hatte nur darauf gewartet; sie marschirte zwischen den beiden Spritzen hindurch rasch auf die Stelle zu, wo der alte Saalanbau mit unserem Wohnhaus einen rechten Winkel bildete, und stellte, nachdem sie zwei, drei Zeichen gemacht und ein paar unverständliche Worte gesprochen hatte, ihren Haken­stock scharf in die Ecke hinein. Dann, während sie quer über den Hof hin wieder auf die Einfahrt zurückmarschirte, sagte sie zu den Spritzenleuten:De Hohen-Ziesarschen künnen nu wedder to Huus foohren," und schritt, ohne sich umzusehen, die Dorfstraße hinunter in der Richtung auf den Forstacker zu. Ihren großen Hakenstock aber hatte sie statt ihrer selbst an der Brandstätte zurückgelassen.

Das Feuer ließ augenblicklich nach; Sparren und Balken stürzten zusammen, aber es war, als verzehre sich alles in sich selbst und habe keine Kraft mehr nach außen hinauszugreifen. Zugleich ließ der leise Wind nach, der bis dahin gegangen war, und es begann zu schneien. Ein entzückender Anblick, der dunkelrothe Schein, in dem die Flocken tanzten.

Die Hohen-Ziesarsche Spritze fuhr wirklich ab und der Hof wurde wieder leer; nur Papa und der alte Kniehase blieben noch und trafen ihre Anordnungen für die Nacht. Ich war mit unter den ersten, die sich zurückzogen, und trotzdem mein Zimmer unmittelbar an die Brandstätte stieß, so war meine Zuversicht, daß die Gefahr beseitigt sei, doch so groß, daß ich gleich einschlief. In meinem Traume mischte sich das eben Erlebte mit jener wundersamen Feuererscheinung im alten Schloß zu Stockholm, wovon Du Marie und mir am ersten Weihnachtstage erzähltest, als wir am Kamin saßen und den Christbaum plünderten. Ich sah im Traum die Scheiben meines Fensters glühen; als ich aber aufstand, um nach dem Schein zu sehen, war ich nicht mehr allein und gewahrte nur eine lange Reihe Verurtheilter, die mit entblößtem Hals an einen Block geführt wurden. Ein entsetzliches Bild, und alles roth, wohin ich sah. Aber in diesem Augenblick trat Hoppenmarieken in die Thür des Reichssaales und alles rief:De möt et stillen." Da hob sie den Stock und es war kein Blut mehr; und das Bild versank und sie selber mit.

Heute früh war ich zu guter Stunde beim Frühstück; Papa und die Schorlemmer erwarteten mich schon. Ich hatte mich vor dieser Begegnung gefürchtet; die Scheune, die vor zwei Jahren niederbrannte, liegt noch als ein Schutthaufen da, j und nun ein zweites Brandunglück, das wieder auszugleichen > es vollends an den Mitteln fehlen wird. Ich fand aber eine

ganz andere Stimmung vor, als ich gefürchtet hatte. Papa war gesprächig und von einer Weichheit, die mehr von Hoff­nung als von Trauer hatte. Er nahm meine Hand, und als er sah, daß ich nach einem Trostworte suchte, lächelte er und sagte:

Und eine Prinzessin kommt ins Haus,

Ein Feuer löscht den Flecken ans

Ich fange an, mich mit dem alten Hohen-Vietzer Volks­reim auszusöhuen. Die Prinzessin läßt noch aus sich warten, aber der Flecken ist fort, das Feuer hat ihn ausgelöscht. Ja, meine liebe Renate, Räthsel umgeben uns und vielleicht ist es Thorheit, uns in dem Doppelhochmuth unseres Wissens und Glaubens, alles dessen was Aberglauben heißt und vielleicht nicht ist, entschlagen zu wollen. Auch in ihm, von weither herangeweht, liegen Keime der Offenbarung.Ein Feuer löscht den Flecken aus", inmitten all dieser Prüfungen ist es mir, als müßten andere, bessere Zeiten kommen. Für uns, für alle." Ich wollte antworten; aber Jeetze trat ein und meldete, daß Graf Drosselstein vorgefahren sei.

Da hast Du den längsten Brief, den ich je geschrieben. Einen Gruß an Kathinka, auch an Frau Hüten. Herzlichst Deine Renate von V."

Lewin legte den Bries aus der Hand. Er war bewegt, aber dasselbe Gefühl, das in Vater und Schwester vorgeherrscht hatte, gewann auch in ihm die Oberhand. Die Freude dar­über, daß etwas Unheimliches aus ihrem Leben genommen sei. Er setzte sich schnell an sein Pult und schrieb eine vor­läufige kurze Antwort, in der er diesem Gefühle Ausdruck gab. Am Schlüsse hieß es:Der Altar ist nicht mehr, und der alte Matthias, wenn er weiterspöken" will, muß sich eine andere Betestelle suchen." Aber er erschrak vor seinen eigenen Worten, als er sie wieder überlas. Das klingt ja, als lüd' ich ihn aus dem Saalanbau in unser Wohnhaus hinüber. Das sei ferne von mir. Ich mag denComthur" nicht zu Gast bitten. Und mit dicker Feder strich er die Stelle wieder durch.

Dann kleidete er sich rasch an, um Jürgaß, der nach dieser einen Seite hin empfindlich war, nicht warten zu lassen.

XXXVI. Dejeuner bei Jürgaß.

Nicht blos die alte Excellenz Wylich, wie Geheimrath von Ladalinski sich ausgedrückt hatte, war ein Pünktlichkeitspedant, sondern auch Jürgaß. Dies wußte der ganze Kreis. So kam es, daß sich eine Minute vor zwölf alle Geladenen auf Flur und Treppe trafen.

Die Jürgaßsche Wohnung befand sich in einem mit einigen Reliefschnörkeln ausgestatteten Eckhause des Gensdarmenmarktes, und nahm die halbe nach dem Platze zu gelegene Beletage ein. Sie bestand, so weit sie zu repräsentiren hatte, aus einem schmalen Entröe, einem dreifenstrigen Wohn- und Gesellschafts­zimmer und einem Speisesalon. Schon die Größe der Wohnung, noch mehr ihre Ausschmückung, konnte bei einem märkischen, auf Halbsold gestellten Husarenosfizier, dessen väterliches Gut mit drei seiner besten Ernten nicht ausgereicht haben würde, auch nur ein Drittheil dieser Zimmereinrichtungen zu bestreiten, einigermaßen überraschen; unser Rittmeister war aber nicht blos der Sohn seines Vaters, sondern auch der Neffe seiner Tante, eines alten Fräuleins von Zielen, die als Konventualin von Kloster Heiligengrabe, ihrem Liebling, eben unserem Jür­gaß, ihr ganzes ziemlich bedeutendes Vermögen testamentarisch hinterlassen hatte. In diesem Testament hieß es wörtlich:In Anbetracht, daß mein Neffe Dagobert von Jürgaß, einziger Sohn meiner geliebten Schwester Adelgunde von Zieten, ver­ehelichten von Jürgaß, durch seiner Mutter Blut, insonderheit auch durch Bildung des Geistes und Körpers ein echter Zieten ist, vermache ich besagtem Neffen, Rittmeister im Göckingkschen (ehemals Zietenschen) Husarenregiment, in der Voraussetzung, daß er das Zietensche so Gott will immer ausbilden und in Ehren halten will, mein gesammtes Baarvermögen, sammt einem Bildniß meines Bruders, des Generallieutenants Hans Joachim von Zieten, und bitte Gott, meinen lieben Neffen in seinem