Issue 
(1878) 40
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rückte in geschlossener Linie mit seinen Jungen vor, erspähte den König am Fenster und begann:

Allermächtigster König und Herr! Sintemalen wir der könig­lichen Majestät am gestrigen Tage unsere Herzen unterthänigst zu Füßen gelegt haben und königliche Majestät gesehen haben, daß unsere Liebe stets fest und treu ist, so wollen königliche Majestät in Gnaden herab- schanen auf das junge Volk, das neben seinem Herzen auch eine kräftige Faust hat, die da Niederschlagen kann jeden, der königliche Majestät an­greift. Und nun los, Ihr Jungen!"

Und da war es denn eine Lust zu sehen, wie das junge Volk mit einander rang! Der Schulmeister als der Höchstkommandirende mitten im heißen Gewühl, die Geschlagenen bedrohend, die Siegenden be­lobend, bis der König dem Kampfe durch einen freundlichen Wink ein Ende machte.Tüchtige Bursche," soll er gesagt haben,werden in schwerer Stunde sich brav für das Vaterland schlagen!"

Der Wagen fuhr vor, die Majestäten stiegen ein, und als nun das Gefährt über die holprige Straße rollte, stimmte der Schulmeister an und das ganze Volk sang mit:

Nun danket alle Gott!"

So geschehen im Jahre 1806 zu E.im Harze.

Was wir hier unfern Lesern mitgetheilt haben, ist eine Anekdote, die in einigen Gegenden des Oberharzes heute noch von Mund zu Mund erzählt wird. Wir wagen nicht zu entscheiden, ob sie in das Gebiet der sogenanntenSchnurren" gehört, oder ob sie auf historischen Thatsachen beruht. Vielleicht ist beides der Fall. Den Namen des Dorfes verschweigen wir: die, welche die wunderliche Geschichte kennen, wissen, wo der Schauplatz zu suchen ist, für die Uneingeweihten aber thut der Name nichts zur Sache. St.

Die Donau ein Webenfüch des Hiheins.

Die Ueberschrift wird Kopfschütteln erregen, und doch ist dem so, natürlich mit Einschränkung. Die Leser erinnern sich wohl, daß vor kurzem eine Notiz durch die Zeitungen lief: die Donau entsende einen Theil ihrer Wasser auf unterirdischem Laufe zum Bodensee, folglich zum Rhein, und der Beweis hierfür sei schlagend hergestellt. Jetzt bringt eine wissenschaftliche Zeitschrift, dasNeue Jahrbuch für Mi­neralogie", einen Aufsatz vom Karlsruher Professor Knop, in welchem näheres über die hochinteressante unterirdische Verbindung zu lesen ist und dem wir das folgende auszugsweise entnehmen.

Wie Jedermann aus der Schule weiß, entsteht die Donau beim badischen Städtchen Donaueschingen durch Vereinigung der beiden Bäche Brege und Brigach. Munter rauscht das Schwarzwaldkind ein paar Meilen abwärts dahin, bis zu den Orten Jmmendingen und Möh­ringen, wo der weiße, zur Juraformation gehörige Kalkstein von einer großen Menge tief ins Innere sich ziehender Spalten, Klüfte und Höhlungen durchsetzt ist.

So finden sich denn auch im Flußbette der Donau selbst an der genannten Stelle auf einer Strecke von 2 bis 3 Kilometer zahlreiche Spalten verschiedener Größe, über welche der Strom natürlich nicht hinfließen kann, ohne einen mehr oder weniger erheblichen Bruchtheil seiner Ge­wässer in unbekannte Tiefen zu entsenden.

Etwa anderthalb Meilen südöstlich von diesem Versin­kungsgebiet entfernt kommt beim Orte Aach das gleichnamige Flüßchen unter eigenthümlichen Verhältnissen am südlichen Fuße eines Berges zum Vorschein.

Die Aach steigt nämlich hier plötzlich senkrecht aus mehreren breiten Spalten des Kalksteins aus der Tiefe an die Oberfläche.

Dabei ist der Druck so stark, daß das Wasser gewöhnlich hügelartig anschwillt und bei hohem Wasserstande sich selbst springbrunnartig er­hebt. So kommt es, daß die Aach gleich bei ihrem Ursprung einen kleinen See bildet, von dem sie weiter ihren Lauf zum Bodensee (Untersee) nimmt, welchen sie unfern Radolfszell erreicht.

Schon längere Zeit hatte man einen unterirdischen Zusammenhang zwischen dieser Aach und der Donau vermuthet, und nur der Umstand, daß selbst an ihrer Quelle die Aach schon weit mehr Wasser führt als die Donau bei Jmmendingen, ließ die Sache noch zweifelhaft er­scheinen. Doch war cs ja keineswegs unmöglich, daß die Donau durch bie Spalten des zwischenliegenden Kalksteingebirges nach dem tiefer gelegenen Aach gelangte und hier, mit anderen Wassern vermischt, die Aach bildete. Ein Versuch, das Donauwasser mit Anilin bei Jmmen­dingen roth zu färben, und die folgende Beobachtung der Aach, ob auch diese etwa rothe Färbung darnach zeige, mißlang. Trotzdem glaubten die Anwohner der Aach an den Zusammenhang ihres Flüßchens mit der Donau, und die Fabrikanten, deren Turbinen von der Aach ge­trieben werden, fragten sich, was aus ihnen dann werden solle, wenn die Jmmendinger und Möhringer einmal Lust bekämen, die Spalten im Donauflußbette zu verstopfen? Somit hatte die Sache auch eine eminent praktische Seite, und infolge dessen beauftragte das badische Handelsministerium den Professor Knop mit einer gründlichen Unter­suchung der Angelegenheit.

Professor Knop entschied sich nun dahin, bei möglichst niedrigem Wasserstande in die größte und breiteste Bersinkungsspalte der Donau bei Jmmendingen eine große Menge Kochsalz zu bringen und dann mehrere Tage lang das emporsteigende Aach-Quellwasser auf seinen

Salzgehalt zu prüfen. Vorher hatte ein an der Aach wohnender Fabrikant, Herr ten Brink, einen Vorversuch gemacht. Am 22. Sep­tember v. I., nachmittags vier Uhr, schüttete derselbe zwölf Centner stark riechenden Schieferöls, wie es durch Destillation von Braunkohlen gewonnen wird, in die größte Versinkungsspalte der Donau, und am 25. September morgens 6 Uhr schmeckte mau in der Aachquelle das deren Wasser beigemischte Kreosot, welches im Schieferöl enthalten ist. Indessen war dies ein sehr unsicheres Resultat.

Zwei Tage darauf, am 24. September gegen Mittag begann Pro­fessor Knop seinen Hauptversuch. Er schüttete 200 Centner Kochsalz nach und nach in die Hauptspalte und ließ am Nachmittage desselben Tages bis zum 28. September fast stündlich vom Quellwasser der Aach in Flaschen schöpfen, deren achtzig dann im Karlsruher Laboratorium chemisch auf ihren Salzgehalt geprüft wurden. Alle Flaschen waren

genau mit den Zeitangaben ver­sehen, in welcher das in ihnen enthaltene Wasser geschöpft wor­den war. Die Untersuchung er­gab nun, daß vom Einbringen des Salzes in die Versinkungs­spalte an gerechnet, etwa nach zwanzig Stunden der Salzgehalt des Aachwassers langsam zu stei­gen begann, daß er nach 48 Stunden schneller zunahm und nach 60 Stunden sein Maxi­mum erreichte, worauf er, schneller und regelmäßiger fal­lend als er vorher gestiegen war, etwa SO Stunden nach Beginn des ganzen Versuches verschwand. Somit hat ein nach­weislicher Salzgehalt des Aach­quellwassers etwa 70 Stunden lang augehalten. Hiermit war der absolute Beweis für den unterirdischen Zusammenhang zwischen Donau und Aach ge­liefert, zugleich aber ließ sich durch quantitative Bestimmung des Salzgehaltes der Aachquelle Nach­weisen, daß fast alles in den Spalten versinkende Wasser der Donau in der Aach wiederkehrt. Bon den 200 Centner eingeschütteten Salzes ergab sich durch Berechnung, daß 185 in der Aach aufgelöst er­schienen.

Noch ein dritter Versuch wurde gemacht, der dasselbe Resultat lieferte.

Es gibt einen Stoff, welchen die Chemiker Fluoresein nennen, und der schon in sehr geringen Mengen den Flüssigkeiten beigemischt, diesen ein prachtvoll grünschillerndes Aussehen verleiht. So groß ist dieses Schillcrvermögen des Fluorescins, daß es noch sich verrüth, wenn es mit Wasser bis aus ein Vierzigmillionstel verdünnt ist. Als man nun am 9. Oktober 1877 zehn Kilogramm in verdünnter Natron­lauge aufgelösten Fluorescins in die Spalten der Donau schüttete, schillerte schon am 12. Oktober früh die Aach im herrlichsten Grün, und diese Erscheinung hielt 36 Stunden an. Kein Zweifel also, die Aach, dieser dein Bodensee, also dem Rhein zneilende Fluß, wird unterirdisch durch die Wasser der Donau gespeist.

Daß aber der paradox klingende Ausspruch:Die Donau ist ein Nebenfluß des Rheins", für den oberen Laus jenes Stromes wenigstens zu Zeiten eine vollständige Wahrheit ist, läßt sich dadurch erhärten, daß bei niedrigem Wasserstande in trockener Jahreszeit die obere Donau überhaupt gar kein Wasser zum Schwarzen Meer entsendet. Dann verschwindet die ganze Wassermenge derselben in den Spalten bei Jmmendingen, geht zur Aach und folglich zum Boden­see und Rhein. Dann ist die Donau in der That Nebenfluß des Rheins!