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den sollte. Aber der liebe Gott wollte es nicht und hat anders geholfen, ohne Tod und Sterben, und hat Sie zu einem rechten Glücke ansgehoben." Bis hierher hatte Lewin gelesen, aber jetzt flimmerte es ihm vor den Augen, und er ließ die Hand sinken, in der er des Blatt hielt.
Renate nahm es und wiederholte leise: „Zu einem rechten Glücke aufgehoben." Dann fuhr sie fort: „Das weiß ich ganz bestimmt. Das habe ich Ihnen angesehen, denselben Tag als Sie bei mir mietheten und gleich sagten: „Das finde ich zu wenig, Frau Hulen," und mir aus freien Stücken zulegten. Ach, wer so ein Herz für die armen Leute hat, für den hat der liebe Gott ein Herz und läßt ihn nicht umkommen, und Sie haben es auch wohl erfahren, was wir letzten Sonntag wieder gesungen haben: „Oft hast du mich gelobet,
Mit Himmels Brot gespeist,
Mit Trost mich reich begabet —"
Ja, lieber junger Herr, das sind rechte Trostesworte, so recht für arme Leute geschrieben. Und am Ende sind wir alle arm, auch wenn wir reich sind. Sie wissen schon warum.
Und dieses alles hatte ich Ihnen schreiben wollen, lieber Herr Lewin, wie ich Sie als alte Frau doch wohl nennen darf. Und wenn Sie wieder bei Wege sind, da werden Sie doch wohl wieder bei der alten Hulen wohnen wollen. Das meinte das gnädige Fräulein auch. Und Sie kriegen solche Wohnung auch gar nicht wieder, denn es paßt alles. Der „grüne Baum", und die Singnhr, und die Klosterkirche. Aber von der will ich weiter nicht reden, weil sie so katholisch anssieht.
Bitte, grüßen Sie das gnädige Fräulein, die so gut ist und an eine alte Frau gedacht hat, als welche ich hochgeneigtest bin, und verbleibe Ihre Wilhelmine Hulen, geb. Petermann."
(Fortsetzung folgt.)
Elsäßer Mädchen im Schilfe.
(Zn dem Bilde aus S. 63S.)
Wo der Rhein zwischen Baden und dem Elsaß ruhig und breit dahinströmt, bildet er viele Arme, zwischen denen fchilf- und rohrbewachsene Inseln liegen. Da haust allerhand Wassergeflügel, und die schmucken Elsäßerinnen, die hier auf die Insel kamen, um Rohr zu schneiden mit der krummen Sichel, und sich in tiefster Einsamkeit wähnen, werden weidlich erschreckt durch die im raschen Laufe dahinspringenden Rehe, welche nicht selten auf diesen Inseln sind. Der Maler des idyllischen Bildes ist ein Elsäßer, G. Inn dt.
Der Kajak der Grönländer.
(Zu dem Bilde auf S. 641.)
Der dänische Maler Ras müssen, von dem unser heutiges Bild stammt, hat dazu die Studien an Ort und Stelle gemacht. Bei einem Fischervolke, wie es die grönländischen Eskimos sind, kommt es natürlich darauf an, daß die Geräthschaften, welche sie zur Erlangung ihres Lebensunterhaltes in der eisigen Polarregion bedürfen, auch gut und tüchtig gebaut sind. Und man kann dreist behaupten, daß ihre Fellboote oder Kajaks das vollkommenste in ihrer Art sind, wenn auch der Gebrauch schwer zu erlernen ist. Denn das Befahren des oft eiserfüllten Meeres mit den leicht zerbrechlichen Fahrzeugen, das Har- pnniren des weißen Delphins oder Narwals und Seehundes von demselben aus, erfordert einen hohen Grad von Uebung und Vertrautheit mit den mancherlei Gefahren, die diese Beschäftigung und das Element, auf dem sie betrieben wird, erzeugen. Der Kajak ist ein etwa achtzehn Fuß langes, sehr schmales und niedriges Boot, dessen dünne Holzrippen mit Seehundsleder überzogen sind. In der Mitte des sonst völlig durch den Fellüberzug geschlossenen Fahrzeuges befindet sich eine kreisförmige Oeffnung, gerade abgepaßt für den Leibesumfang eines Mannes. Dabei ist das Boot so leicht, daß der Grönländer es über das Eis oder Land auf seinem Kopfe wegtragen kann.
Alle Geräthe, die zum Seehnndsfange nothwendig sind, befinden sich an dem Schifflein angebracht oder befestigt. Das wichtigste ist die große Harpune, die mit einem Wnrfholze geschleudert wird und durch
Am Jamilienlische.
einen langen Riemen von Seehundshant mit einer Blase in Verbindung steht, die dazu bestimmt ist, den harpunirten Seehund zu verhindern, daß er unter Wasser taucht. Mit seinem Kajak gleichsam verwachsen wie der Reiter mit seinem Rosse, beherrscht der Eskimo selbst den furchtbarsten Wogenschwall. Sein leichtes Doppelrnder in der Hand, seine Harpune vor sich, das Gleichgewicht wie ein Kunstreiter haltend, fliegt er pfeilschnell über die bewegte Fläche dahin, und sollte eine Welle ihn umwerfen, so weiß er mit seinem Ruder sich leicht wieder in die Höhe zu arbeiten. Für die Weiber gibt es größere und plumpere Fahrzeuge, die sogenannten Umiaks. Der Kajak ist das ausschließliche Boot der Männer; schon die zwölfjährigen Knaben haben ihre eigenen Kajaks und üben sich unter der Aufsicht der Alten fleißig darin. Er ist jedenfalls ihr Hauptbesitzstück, das für sie von ebenso hoher Bedeutung ist wie bei uns für den Jäger die Flinte. In den Missionsgemeinden der Herrnhuter Brüder, wo auch das Armenwesen der Eingeborenen geordnet ist, erhalten arme Männer und Kinder einen ausgerüsteten Kajak, um sich nun selbst ihren Lebensunterhalt erwerben zu können.
Für einen Ungeübten ist die Fahrt in einem Kajak ein schweres Ding, und nicht schnell lernt ein Europäer damit zu hantieren. Als nach dem Untergang des deutschen Polarforschnngsschiffes „Hansa" die Mannschaft desselben auf einer Eisscholle an die grönländische Küste getrieben und bei den Missionaren dort freundliche Aufnahme gefunden, da war es der zweite Steuermann, Bade, welcher sich während seines Aufenthaltes bei den dortigen Eskimos im Kajakfahren so vervoll- kommnete, daß er zu Hanse ans dem Schweriner See in einem mitgebrachten Kajak die neuerlernte Kunst mit dem besten Erfolge zeigen konnte.
Inhalt: Un oaxi-ioaio. (Schluß). Novelle aus der ital. Gesellschaft. Von M. Lion. — Der König auf der Flucht. — Die Donau ein Nebenfluß des Rheins. Mit Kärtchen. — Das sozialdemokratische Fähnlein im Reichstage. Von Franz Mehring. — Vor dem Sturm. (Fortsetzung.) Roman von Fontane. — Am Familientische: Elsäßer Mädchen im Schilfe. Zn dem Bilde von G. Jundt. — Der Kajak der Grönländer. Zu dem Bilde von Rasmussen.
Aum WrLönis des Kaisers.
Von unserem Anerbieten, dasselbe zu weiterer Verbreitung über die Auflage des Daheim hinaus zum Preise von 60 Pf. auf gewöhnlichem Papier und zu 1 Mark 50 Pf. aus extrastarkem Papier apart abzugeben, ist so ausgiebiger Gebrauch gemacht worden, daß die große für diesen Einzelverkauf bestimmte Auflage nahezu vergriffen ist. Wir müssen daher weitere Reflektanten bitten, sich bald zu melden, falls sie ihre Wünsche noch berücksichtigt sehen wollen.
Wir haben die Genugthuung, das schone Bild in viele tausende deutscher Häuser gebracht zu haben, wo es, wie mehrere Zuschriften sich ausdrücken, besser wirken wird als bogenlange Artikel. Es war uns eine Freude zu sehen, wie dankbar dieser Gedanke aufgegriffen worden ist. Lehrer haben die Schülzimmer, Post-, Gerichts- und andere Beamte die Diensträume damit geschmückt, Fabrikherren, Arbeitgeber und Grundbesitzer haben sich Anzahlen kommen lassen, um sie an ihre Arbeiter zu vertheilen; in zehn Mannschaftsstuben der Kompagnie eines Infanterieregiments zu Metz hängen zehn Exemplare, aus den Mitteln der Leute angeschafft und eingerahmt; der Ortsvorsteher des Dorfes Kleinbeeren hat sein Exemplar in der Amtsstube auf- gehängt und mit folgender gutgemeinter Unterschrift versehen:
„Es weht ein Hauch durchs ganze Reich,
Voll Schmerz und Freude, beide gleich;
Die Frage allerorts tritt ein:
Wer mag des Kaisers Hüter sein?
Lieb' Kaiser mein, kannst ruhig sein,
Lieb' Kaiser mein, kannst ruhig sein,
Dich schützt Dein Herrgott ganz allein."
So könnten wir zahlreiche Züge aus den Schicksalen dieses Bildnisses erzählen, die alle zeugen würden von der angemessenen Liebe, mit der das Volk an seinem Kaiser hängt. Uns aber ist es eine hohe Freude gewesen, zur rechten Zeit das rechte Mittel geboten zu haben, durch welches diese Empfindung einen gemeinsamen Ausdruck fand.
Daheim-Redaktion.
Herausgeber: Ilr. Ksöerl Koenig und Theodor Kermann Jantenius in Leipzig. Für die Redaktion verantwortlich Htto Ktastng in Leipzig.
Verlag der Daheim - Krpeditio« (Velhagen L Kkastng) in Leipzig. Druck von A. H. UeuSner in Leipzig.