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Zu gleicher Zeit muß sich die Wirkung seiner geographischen Lage geltend machen, und es wird offenbar werden, wie gescheidt Beaconsfield die rechte Stelle in der Osthälste des ! Mittelmeeres ausgesucht hat, so wenig ich auch sonst des Lords semitische Zukunststräume theile oder seine Bewunderung der „ewig jungen Araber", die im Grunde doch bei so furchtbarer Zerstörung von Kultur ihr so wenig Neues gebracht habem ! Auch Cypern hatte seine arabische Periode, und wie eine Art Wikinger des Mittelmeeres wußten die Araber von der günstigen Lage der Insel und ihrem Reichthum an gutem Schiffsholz und andern Naturschätzen Gebrauch zu machen, um von hier aus ihre Beute- und Eroberungszüge ins Werk zu setzen.
Cyperns unerschöpflicher Reichthum und seine Lage vor , den syrischen, ägyptischen und kleinasiatischen Küsten, beides vereint war die Ursache, daß die Insel sehr selten sich selbst angehörte und fast beständig von einem großen Weltreiche an das andere überging. Weil die Redaktion dieser Zeitschrift es ! wünscht, will ich ganz in der Kürze die geschichtlichen Perioden Cyperns hier skizziren.
Das meerumrauschte Wald- und sruchtschöne Land siel jedesmal der Macht anheim, welche im Mittelmeer die stärksten ! Flotten besaß. Sein Besitz oder Verlust war das Zeichen des Aufsteigens oder Sinkens der Herrschaft zur See. Für sich ^ allein zu stehen und sich zu behaupten, vermochte Cypern nur ! in einer einzigen Periode seiner Geschichte. Viermal gehörte
j die Insel europäischen, sechsmal asiatischen Völkern, zu den
letztem wird wohl jeder auch die Türken rechnen.
Eigentümlich aber ist das Schwanken Cyperns zwischen ! semitischer und arischer Natur und Art. Mag die Insel euro-
! päischer oder asiatischer Herrschaft folgen, niemals reißt sie ganz
! sich los vom Gegentheil. Wiederholt bekämpfen sich Arier
und Semiten blutig auf cyprischem Boden. Die nationale Zuneigung der einen oder andern Bevölkerung fällt schwerwiegend ein an seinen historischen Wendepunkten. Und wo immer man in cyprische Religion oder Kunst, mag das Gesicht noch so sehr i griechisch-römische Bildung verrathen, tiefer eindringt, fühlt
! man semitischen Herzschlag.
i Die Geschichte der Insel gestaltet sich deshalb zu vielfach
j wechselnden Perioden. Cypern war ein kleines Spiegelbild der
i Weltgeschichte. Jedes Volk, welches die Insel eroberte, suchte
i eilends ihr seine Kultur aufzuprägeu, und dabei wurde nicht
wenig von dem zerstört, was sie im Lande vorfanden. Cypern sieht daher wie abgescheuert aus. Blos die Türken waren zu träge oder zu hochmüthig und ließen die fränkischen Bauten stehen, soviel sie davon nicht im ersten Sturm der Eroberung niedergeworfen hatten.
I. Phönizier.
Das älteste Kulturvolk in den Ländern des Mittelmeeres ist semitischer Art, von ihm stammt ein großer Theil der Ideen wie der ältesten Industrie der Völker. Phönizier, selbstverständlich untermischt mit Juden und andern Völkern, siedelten sich an der Küste an, welche Syrien gegenüber liegt. Kiti wurde ihre mächtige See- und Handelsstadt. Nach der Bibel soll Kiti sogar von Japhets Enkel gegründet sein — jedenfalls ein Beweis, in welch uralter Zeit die semitische Colonisation vor sich ging. Ohne Zweifel erhoben sich damals schon in Paphos und Amathunt die Altäre der phönizischen Astarte, der geheimniß- vollen Allmutter des Lebens und des Todes, die ewig gebiert und ewig verzehrt. Die Syrier aber waren und blieben berühmt in der Gartenkultur, Cyperns üppiger Boden kam ihnen höchst gelegen. Auch des Holz- und Metallreichthums der Insel wußten sie sich zu bemächtigen. Diese muß schon damals in aller Welt berühmt gewesen sein: es ist überliefert, daß Semiramis sich Schiffsbauer von Cypern kommen ließ. Von Kiti aus zogen die phönizischen Flotten und Ansiedler nach Kreta, Mieten, Kleinasien und andern griechischen Inseln und Küsten, überall ihre Herrschaft wie ihre Kultur verbreitend.
II. Griechen.
Nach dem trojanischen Kriege wandte sich das Blatt. Nachdem die Semiten so lange Zeit hindurch an den griechischen
XIV. Jahrgang. 44. d.*
Küsten als Handelsleute und Knlturbringer, als Ansiedler und Eroberer erschienen waren, erhoben sich jetzt in jugendlicher Kraft die Griechen, die zahllosen Geschwader ihrer kleinen Kriegsschiffe fegten die phönizischen Segel vom Meere fort, und als auf Trojas Gefilden das Uebergewicht griechischen Geistes und griechischer Waffen entschieden war, begann ein rastloses Ausströmen hellenischen Volkes nach allen Küsten in der Osthälfte des Mittelmeeres. Auch auf Cypern erzwingen sich die griechischen Häuptlinge mit ihren Scharen die Landung und siedeln sich an. Neun Plätze werden ihre Sammelstellen und erwachsen zu Hauptstädten der neun Königreiche: Kition (Kiti), Salanim, Amathunt, Kurion, Neupaphos, Keryneia, Soli Lapithos, Chytros. Schon wird auch das Waldgebirge besiedelt, welches fast die Hälfte der Insel einnimmt. Der Wald wuchs und sproßte so mächtig, daß man seiner nicht Herr werden konnte, bis ein Gesetz gegeben wurde: Jeder könne Wald ausrotten so viel er nur wolle, und das Feld- und Gartenland, das er dadurch gewinne, solle eine geraume Zeit frei bleiben von jeglicher Steuer. Anfangs wohnten die Griechen auf Cypern noch unvermischt neben den Phöniziern, allmählich aber gewann ihr rasches, frohsinniges, geistbelebtes Wesen die Oberhand über die ernste schwerfällige Art und Kultur der semitischen Nachbarn. Ganz Cypern nimmt griechisches Aussehen an, und in dem üppigen Lande entwickelt sich in reichem Maße jede edle Thatigkeit, welche dieses begabte Volk auszeichnet. Die düstere Astarte verwandelt sich zur wonnelächelnden blütenweißeu Göttin, durch den geheimnißvollen Schleier aber, welche den Aphroditekultus auf Cypern umhüllt, blicken die greuelvollen Mysterien der phönizischen Allgöttin.
Wenn aber Cyperns Schiffswerften, Metallindustrie und Gartenbau durch die Griechen den höchsten Aufschwung nehmen, wenn sein Seehandel nicht weniger als dreißig Hafen bevölkert blos auf dieser einen Insel, zu dem Erbschatze geistiger Kultur- Hat Cypern wenig Eigenes hinzugebracht. Die allzugroße Fruchtbarkeit des Landes, die furchtbare Sonnenglut in der einen Hälfte des Jahres, die lauen Lüfte in der andern, sodann aber auch der alte unverwüstliche Bodensatz semitischer Volksart ließen die Geistesblüten nicht zu freier und kräftiger Entwicklung kommen.
Arische schlechte Sitte und Gewohnheit war dagegen die Eifersucht und Selbstsucht, mit welcher die Gemeinden beständig unter einander haderten und zu Zeiten sich blutig bekämpften. Welch ein starkes und herrliches Staatswesen hätten die neun Königreiche gebildet, wenn sie in irgend einer Form sich dauernd vereinigt hätten! Allein die Anstrengungen der edelsten Männer, die solches wollten, scheiterten schmählich; jedes der neuen Königreiche hielt seine volle Selbständigkeit aufrecht, aber sie alle bildeten nur lockende Beute für stärkere Nachbarn.
III. Persisch-ägyptische Zeit.
So konnte es nicht ausbleiben, daß die reiche Insel ihre Selbständigkeit verlor, sobald sich mächtige Reiche in den gegenüberliegenden Festlanden bildeten. Wer Aegypten besaß und wer Syrien besaß, trachtete nach dem Besitze der Insel, und hätte ihre Schönheit und Ueppigkeit nicht angereizt, so mußte man sich doch ihrer versichern, damit man nicht von dorther, da sie so günstige Lage vor den Küsten hatte, von einem glücklicheren Nachbar störende Einwirkung erfahre. So schwankte Cypern zwischen dem assyrischen und ägyptischen Weltreiche.
Wo augenblicklich die stärkste Macht war, dorthin fühlte es ) sich hingezogen. Erst übergab sich die Mehrzahl seiner Fürsten der Oberherrschaft des Aegypters, und als dieser nach und nach sie die Schmach der Knechtschaft kosten ließ, wandten sie sich dem aufsteigenden Gestirne des persischen Cyrus zu. Am Rande des Perserreichs gelegen und von dort aus, wie es scheint, mehr begünstigt als bedrückt, blieb Cypern in gutem Gedeihen, der Handel blühte und seine Marine wußte der Großkönig zu schätzen. Anderthalbhundert lange Schiffe aus Cypern dienten Xerxes bei seinem Heereszug nach Griechenland.
Als aber der große Nationalzug der Griechen sich nach Asien wandte, da standen die cyprischen Könige mit Herz und