702
Hand zu ihren Landsleuten, an ihrer Spitze Evagoras, eine der edelsten Erscheinungen im Alterthum. Zehn furchtbare Jahre hielt er den Krieg aus, dann mußte die Insel wieder den Persischen Großkönig anerkennen.
Jedoch nicht auf zu lange. Alexander der Große erschien. Die Griechen auf Cypern brachen in Hellen Jubel aus, jetzt konnten sie ihrem Haß gegen ihre semitischen Gegner in Handel und Politik genugthun. Unaufgefordert sandten sie Alexander Flotten, Werkleute und Belagerungsmaschinen. Die cyprischen Könige wetteiferten, seine Siege zu feiern. Ihre Schiffsbaumeister begleiteten ihn bis zum Indus, um dort eine Flotte zu schaffen.
Allein des Mazedoniers Weltreich, das so rasch aus verschiedenen Ländern und buntem Völkergewirr zusammengeschlagen war, zertheilte sich ebenso rasch. Cypern fiel seinem alten semitischen Herrscherlande anheim, Aegypten verblieb den Ptolemäern. Diese behandelten die Insel als ihr Familienland. Philadelphus stellte seiner wunderschönen Gemahlin Arsinoe Bildsäule, gleichsam als wäre in ihr die Aphrodite selbst erschienen, in einem Tempel auf, welchen er ihr auf dem zephy- rischen Vorgebirge erbaute. Diese hieß jetzt die zephyrische Aphrodite. Die Göttin konnte ja, was sich im Muttergottesdienst fortpflanzte, an mehreren Orten zugleich erscheinen. Der Arsinoe Tochter Berenike war es, welche zum Dank für des Gemahls glückliche Wiederkehr aus fernem Feldzuge ihr herrliches Haar in der Mutter Tempel aushing. Als es dort eines Morgens verschwunden war, fand ein gefälliger alexandrinischer Philosoph es unter den Sternen wieder. Bei alledem wußten die Ptolemäer Cyperns Schätze recht wohl auszubeuten. Sie ließen die Insel, auf deren Ebenen und Gewässern ihre Heere, gleichwie zur Zeit der Perserkriege, so häufig mit den anderen Generalen Alexanders des Großen gekämpft hatten, die Kosten des schweren Krieges bezahlen. Jetzt war es vollends aus mit der Herrlichkeit der neuen Könige, sie mußten tief ihr Haupt neigen vor dem ägyptischen Statthalter, der in Salamis, der vielumkämpften Stadt, residirte, und ihr Gold ihm zu Füßen legen.
Um die Zeit, als die Diadochen um Alexanders Nachlaß stritten, lebte auf Cypern ein Knabe, der später die Philosophie lehren sollte, welche mitten in den Lüsten und Lastern der alten Welt eine Leuchte edler Sittlichkeit wurde. Es war Zeno, der Stifter der stoischen Schule. Die Insel der Aphrodite sandte nach Athen, der Hochschule des Geistes und der Künste, den sittenstrengen Philosophen. Auf Cypern aber erhob sich unter der ägyptischen Herrschaft viel semitisches Wesen wieder, in die liebliche Anmuth der Aphrodite mischten sich wieder mehr und mehr die unheimlichen Züge der grauenvoll in Lust und Verderben schwelgenden Astarte.
IV. Römische Zeit.
Den Alterthumsforschern an der Tiber, Tacitus an ihrer Spitze, gab das Wesen der Venus Cypria viel zu schaffen; sie konnten, wie man aus des ebengenannten Geschichtsschreibers Annalen deutlich erkennt, darüber nicht ins Klare kommen. Cypern gehörte den Römern noch ehe sie in Alexandrien einzogen; wie hätte sich die Insel ihres siegreichen Feldherrn Cato erwehren sollen! Die schöne Königin Kleopatra erbat sich von ihrem Geliebten Antonius die reiche Insel zu ihrem Nadelgeld, der Sieg Oktavians aber wendete Cyperns Angesicht für die nächsten Viertehalbhundert Jahre nach Rom hin. Im weiten römischen Weltreiche hatte die Insel nun Frieden und allseitiges Gedeihen. Soviel auch der römische Prokonsul, der seinen Sitz zu Paphos nahm, an Steuern einforderte, das fruchtbare Land brachte sie mit Leichtigkeit auf. Die römischen Dichter und Schriftsteller können nicht genug „die an allen Köstlichkeiten fruchtbare Insel" rühmen, von welcher Ammianus Marcellinus sagte: man könne dort ein Schiff bauen und mit allem was es nur gebe, ausrüsten und befrachten, und brauche doch kein Stück anders woher zu nehmen, als von der Insel
selbst. Schiffsbauholz, Kupfererz, Weizen, Oel, Wein, Essig aus Feigen, das kostbare allerwärts gesuchte Cypressenholz, das wohlriechende Ledanum, von dessen hebräischem Namen Gopher der Name der Insel Kyprus herrührte, und andere wohlriechende Harze, wie Ambra und Mastix, waren Ausfuhrartikel, die Cypern in unerschöpflicher Hülle und Fülle hervorbrachte.
V. Erste christliche Zeit.
In der Geschichte der christlichen Kirche nimmt dasselbe Eiland, aus welchem länger als ein Jahrtausend die Göttin irdischer Lust und Wonne brünstig verehrt worden war, eine schöne Stelle ein. Man erinnere sich, wie viel schon in der Apostelgeschichte von Cypern vorkommt. Der stärksten und genialsten Kraft unter den Aposteln gelang hier ihr erster glänzender Sieg. Die erste Kirchenversammlung hatte Saulus in Begleitung des Barnabas, eines geborenen Cypriers, nach der Insel geschickt, weil man in Jerusalem vernahm, man trage dort nach dem Evangelium Begehren. Die beiden Apostel zogen von einer cyprischen Stadt zur andern, und ihrer Feuerrede fehlte nicht der Erfolg. Selbst der Höchste auf der Insel, der römische Prokonsul Sergius, wurde durchdrungen von christlicher Ueberzeugung, und von nun an schied sich der Apostel der Heiden vollends von dem engherzigen Judenthum, roma- nisirte sich und nannte sich Paulus. Bald daraus brach in Palästina grimmige Verfolgung der neuen Lehre aus, scharenweise flüchteten die Christen übers Meer nach Cypern, an ihrer Spitze Lazarus, der vom Tode Erweckte. Nicht weniger als dreißig Bisthümer entstanden auf der Insel, kein anderes Land hat so reichlich den Heiligenkalender bevölkert. Die heilige Katharina, im Mittelalter der ganzen Ritterschaft hochberühmte Patronin, stammte von Cypern, ihm gehörten an: Heraplides, Hilarion, Spiridion, Epiphanes, Johannes Lampadista, Johannes der Almosenier, Akona, Maura und noch eine lange Reihe anderer Heiliger. Die Kaiserin Helena verflocht sich mit der Sage und Geschichte Cyperns, als sie nach Auffindung des Kreuzes Christi herüber schiffte, durch eine Reihe von Wundern, und als man das Grab des Märtyrers Barnabas öffnete, fand man, wie es heißt, auf seiner Brust das Matthäus-Evangelium im aramäischen Urtext.
In dieser ersten christlichen Zeit verwandelte sich die Göttin der Insel, die aus der Astarte zur Aphrodite geworden, zum zweiten Mal. Sie wurde die Muttergottes der orientalischen Kirche, behielt aber ihren alten Namen. Ich selbst hörte sie noch vom Volke Aphroditissa, die Aphroditische, nennen. Cypern bewahrt ihr ältestes Bild, nach der Sage vom heiligen Lukas gemalt, und von hier gingen, wie es scheint, die schwärzlichen Madonnenbilder aus, die wir byzantinische nennen, die so hehr und düster blicken, die in ihrer dunkeln Schwärze umringt sind von blitzendem Gold und Edelgestein, deren Antlitz aber aus Cypern noch verhüllt wird, alles gleichwie einst das Symbol der cyprischen Allgöttin, der schwarze Meteorstein.
Die Bekehrung der Insel sollte aber nicht vor sich gehen, ohne daß die Juden den semitischen Protest erhoben. Diese wohnten massenhaft auf Cypern, wo der Welthandel blühte, und hatten in Jerusalem ihr eigenes Gasthaus mit Synagoge in der Nähe des Tempels. Ihr kochender Haß gegen den zunehmenden römischen Steuerdruck verband sich mit dem Widerwillen gegen die neue Lehre. Christenthum und Römerthum, beides sollte auf der Insel vertilgt, Cypern ein Hort des gereinigten Judenthums werden. Sie rotteten sich zusammen zu einem furchtbaren Heere und erschlugen alles, was nicht ihrer Farbe war. Eine Viertelmillion Menschen, mehr als jetzt auf der Insel wohnen, fand ihren Tod. Blos im Gebirge hielten sich die Griechen aufrecht. Als römische Feldherren endlich die Wüthenden bezwungen hatten, wurden die Juden sämmtlich von Cypern fortgetrieben, und bald folgte ihnen die Vergeltung übers Meer und begrub die letzten Tupfern dieses Volkes unter den Mauern von Jerusalem.
(Schluß folgt.)