Heft 
(1878) 46
Seite
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Ist einer Rettungsstation ein Schiffbrnch signalisirt, so fährt die Mannschaft mit ihrer Ausrüstung eilig nach dem betreffenden Küsten­punkte. Ist es Nacht, so gibt sie ihre Anwesenheit durch Aufsteckung eines Weißfeuers (Signalrakete) kund und das Schiff hat seinen Ort nun ebenfalls durch irgend ein Feuermaal anzuzeigen. Manchmal wird dies nicht thunlich sein, z. B. wenn die Fluten schon so über das Wrack schlagen, daß die Mannschaft sich festbinden mußte; in solchen Fällen läßt man eine Leuchtrakete steigen, nm bei deren Schein die Lage des Schiffes zu finden und zugleich dem Mörser oder der Rakete die nöthige Richtung zu geben. An den Stellen nämlich, wo Schiffe leicht scheitern, sind Wellenschlag und Brandung gewöhnlich so stark, daß das Boot nicht ohne weiteres zu den Gestrandeten gelangen kann; es gilt daher ein Tauverbindung, eine Art Seilfähre, zwischen Land und Schiff her- znstellen.

Nunmehr aber hat die Geschützmannschaft ihr Geschick zu zeigen; sie muß das Geschoß so werfen, daß es über das Schiff wegfliegt. Ge­lingt dies nicht sogleich, so muß es an der daranhängenden Leine

wieder eingezogen und der Wurf wiederholt oder auch eine andere Rakete abgelassen werden. Ist nun das Schiff im Besitze der Leine, so kann im günstigsten Falle, nachdem dieselbe beiderseits festgelegt worden, das Rettungsboot sich an derselben zum Wrack hinarbeiten und die Schiffbrüchigen in Empfang nehmen.

Die Annäherung eines Bootes an ein gestrandetes Schiff ist meist gefährlich und schwierig; die hochlaufenden Wogen brechen beständig über das Rettungsfahrzeug herein; bald ist das Vordertheil, bald das Hintertheil außer Wasser. Gar oft wird es, schon nahe am Ziele, von den Wogen zurückgeworfen, so daß zuweilen Stunden vergehen, ehe es bei dem Schiffe ist Stunden der Noth und Angst für die Schiff­brüchigen, für die Hilfebringenden und die am Strande harrende Fa­milie der letzteren. Um die Mannschaften der Rettungsboote dreister zu machen, wird jetzt ihr Leben von Seiten der Gesellschaft versichert, so daß sie wissen, wenn sie bei ihrem edlen Wagstück nmkommen, daß die Ihrigen nicht ganz unversorgt Zurückbleiben.

Gott segne das Rettnngswerk!

Are Meerschaunrpfeifen von WuHka.

In Oesterreich, einem Lande des Tabakmonopols, sieht man die Beamten häufig in ihrem Bureau und die Stamm­gäste im Wirthshans eine Pfeife rauchen. Wo bei uns die Cigarre herrscht, ist dort die gesundere, wenn auch umständ­lichere Pfeife im Gebrauch, und mit besonderer Vorliebe, ja mit Zärtlichkeit betrachtet der Raucher seinen schönen Meerschaum­kopf und freut sich über die Fortschritte, die derselbe imAn- ranchen" macht. Sollte bei uns das Tabaksmonopol eingeführt werden, dann werden wir es erleben, daß auch das Pseifen- rauchen wieder mehr in Aufnahme kommt, und damit wird sich die Pfeifenindustrie heben, die jetzt in Deutschland nur auf verhältnißmäßig wenige Orte beschränkt ist. Unter diesen steht obenan der thüringische Marktflecken Ruhla, dessen Loblied von einem seiner Söhne, dem weitgereisten Alexander Ziegler, schon so oft gesungen worden ist, und der überall, wohin er auch kam, die Erzeugnisse des Gewerbfleißes seiner Landsleute an­traf.Wie viele Völker des Erdbodens zahlen für Tabaks­pfeifen ihren Tribut nach Ruhla!" ruft er aus.Aus den Ruhlaer Pfeifen, die in den verschiedensten Formen, je nach der da und dort herrschenden Mode, zu den verschiedensten Preisen hergestellt werden, raucht der Russe und Schwede, der Grönländer und der Kamtschadale, der Amerikaner und Afrikaner, der Ost- und Westindier, der Neger und Malahe, der Magyar und der Slowake, der Böhme und der Kroat. Und ich selber habe in Hammerfest, der nördlichsten Stadt der Welt, auf den Shetland-Inseln, an den Ufern des Missouri und Mississippi, in den zauberischen Tropen Indiens, in den Steppen Afrikas und in den alten Chalifenstädten Cordova, Granada und Da­maskus die Leute aus Ruhlaer Pfeifen rauchen sehen und mit­geraucht!" Mehr kann man allerdings nicht verlangen, und man begreift es, wenn Herr Ziegler nun eine Schrift veröffentlicht hat, welche den Titel führt:Zur Geschichte des Meer­schaums (Dresden 1878, Höckner), die als eine reiche Mate­rialiensammlung für den in Rede stehenden Gegenstand betrachtet werden muß. Mit ihrer Hilfe wollen wir auch das Nachstehende erzählen.

Der Meerschaum ist ein Erzeugniß des Mineralreichs, er ist eine Art Erde und wird von den Chemikern als Magnesia­silikathydrat bezeichnet, d. h. er besteht aus Talkerde, aus Kieselsäure und Wasser. Seine Leichtigkeit, Weichheit, Poro­sität und das Annehmen einer schönen Politur, sowie die Eigen­schaft Feuchtigkeit aufzusaugen, machen ihn geeignet zur Fabri­kation von Pfeifenköpfen, und darin beruht sein Werth. Kommt er nun auch an vielen Orten in Europa, namentlich in Bos­nien, Mähren, Frankreich, Spanien, Griechenland vor, so ist doch für den Handel und die Pfeifenfabrikation nur ein Fund­ort von Wichtigkeit, das ist Eski Sch ehr in Kleinasien. Die Stadt liegt in der nordwestlichen Ecke jenes Landes und ist von Konstantinopel über Brussa in einigen Tagereisen zu er­reichen. Die Meerschaumgrnben daselbst sind Eigenthum der Regierung, welche sie an Gesellschaften oder Einzelne verpachtet, die dort in der primitivsten Weise einen wahren Raubbau treiben, da kein Gesetz die Gewinnung des Rohproduktes regelt und jeder an irgend einer beliebigen Stelle den Bau beginnen kann. Man gräbt immerfort, ohne irgendwie einzuwölben, und

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so kommt es, daß häufig die Gruben einstürzen und die Ar­beiter verschütten; auch das plötzliche Eintreten der Grnben- wasser gefährdet dieselben. Auf diese Weise gingen in der letzten Zeit jährlich zehn bis zwölf Menschen zu Grunde. Die Gruben selbst, in denen etwa 4000 Leute arbeiten, bestehen ans einer Anzahl senkrechter Schachte, die kaum geräumig genug sind, um den Leib eines Mannes hindurch zu lassen. Aus diesen Schachten und den von ihnen ausgehenden wagerechten Stollen wird nun der Meerschaum in dichten, zähen, an der Luft härter werden­den, doch immer noch schneidbaren Massen gebrochen. Die Farbe desselben ist in rohem Zustande gewöhnlich weiß, ins Gelbliche oder Röthliche schimmernd, sein Gewicht ist kaum schwerer als Wasser. Der so gewonnene Meerschaum wird an der Sonne gebleicht, mit Wollstoff abgerieben, geglättet und alsdann sortirt, wobei manLagerwaare",groß Baumwolle",klein Baum­wolle",Kasten" undLeipziger Wasser" unterscheidet, denn Leipzig und Wien sind diejenigen Städte, nach denen der meiste Meerschaum abgesetzt wird.

Die Entwickelung des eigentlichen, jetzt so bedeutenden Handels und Exportes von Meerschaum datirt vom Anfänge des achtzehnten Jahrhunderts. Die Türken fingen an, den Meerschaum zu Pfeifenköpfen zu verarbeiten, welche indessen stets nach einem und demselben Muster angefertigt wurden. Da hierbei sich die Industrie nicht entwickelte, so wurde mit gutem Erfolge der Versuch gemacht, den Meerschaum in rohem Zustande ausznsühren und in Deutschland und Oesterreich von ge­schickten Drechslern formen zu lassen. Von dieser Zeit an begann die Ausfuhr des Rohproduktes sich zu heben. Seit etwa fünfund­zwanzig Jahren sind in Eski Schehr aucl/europäische Häuser etablirt darunter natürlich deutsche Juden: Frank, Adler, Cohn welche die Gewinnung dieses Produkts und den Verkehr mit demselben vermitteln. Während die Ausfuhr im Jahre 1855 nur 3000 Kisten betrug, ist sie jetzt auf 10,000 gestiegen, die einen Werth von einer Million Mark repräsentiren und nach Wien, Deutschland und Paris ausgeführt werden. Zunächst mit Maulthier- oder Kamelkarawanen auf kläglichen Straßen bis ans Meer (Golf von Nikomedien) und von da zu Schiffe weiter nach Triest oder Marseille.

In Deutschland finden wir bereits zu Anfang des 18. Jahr­hunderts die ersten Meerschaumpseifen in der alten lippischen Stadt Lemgo, dort also, wo heute noch eine ganz vortreffliche Pfeifenindustrie blüht. Dann folgte Nürnberg, das jetzt keine Pfeifen mehr sabrizirt, und endlich, zur Zeit des siebenjährigen Krieges Ruhla. Gleichzeitig wurde der neue Gewerbszweig in Ungarn eingeführt, wo die zwei ersten, 1753 geschnittenen Meerschaumpfeifen noch im Pester Museum gezeigt werden. Man erzählt nämlich, daß ein Vorfahr des Grafen Andrassy von einer Reise aus der Türkei einen sehr leichten porösen Stein als Kuriosität mitgebracht hatte. Dieser Stein war Meerschaum, und der Gras verfiel dabei auf den Gedanken, sich daraus einen Pfeifenkopf machen zu lassen. Er übertrug die Arbeit einem Schuster, mit Namen Karl Kowatsch, der aus Baumwurzeln sehr geschickt Pfeifenköpfe zu schnitzen ver­stand. Durch Zufall kam einer der von ihm geschnitzten Meer­schaumköpfe mit einer Wachstafel in Berührung, mit welcher