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gemüthlich aus der meerschaumenen Pfeife ihren Tabak schmauchend, dort dann wieder die lustige Gruppe, im weichen Strand- fande Croquet spielend, in seinem bunten Wechsel ein Bild wie durch ein Kaleidoscop. Aber über der weiten Meeresfläche ruht regungslos die warme Augustsonne, darüber der azurblaue Himmel und das Rauschen der Wellen und Wogen, einförmig durchdringend durch den Kinderlärm, das Geräusch der Vor- überwandelnden. So haben die Festtage in Barmen gewirkt: durch all den bunten Wechsel der äußeren Erscheinung, durch
all die Aufregung auch der politischen Kämpfe, die in den Tagen gerade so heftig tobten, und aus denen im Wupper- thale der im Gefängniß sitzende Socialdemokrat Hasselmann als Sieger hervorging, drang an unser lauschendes Ohr der so mächtig ergreifende, nicht wechselnde Ton der ewigen Lebensströme, die von Christo ausgehen, und über der bunten Fläche lag und spiegelte sich ab das Sonnenlicht, das so hold und licht und warm diese Erde erleuchtet und liebeglühend seine Strahlen in alle Seelen auf der weiten, weiten Welt will dringen lassen.
Pie Zustände
Bekanntlich begannen die orientalischen Wirren in der zu Bosnien ; gehörenden Herzegowina. Hier, wo der christlichen Bevölkerung nicht stumpfsinnige, indifferente Osmanen, sondern thatkräftige fanatisch muhamedanische Südslaven gegenüber standen, war der Druck wahrhaft . unerträglich. Als nämlich Bosnien zuerst 1401 und dann wieder seit ! 1526 türkisch wurde, nahm der größte Theil des Adels, um sich seine Privilegien zu erhalten, den Islam an, und die Uebergetretenen wurden nach Art der Renegaten nun besonders fanatisch. Diese Edelleute behielten als Agas ihre Besitzungen als Allode. Das Land derjenigen Edelleute aber, die im Kampf gegen die Türken gefallen, die ausgewandert oder die Christen geblieben waren, wurde dagegen zum Theil als Lehen an die sogenannten Spahis, eine Art irregulärer Reiterei, vergeben oder an Türken, die Agas, verkauft. Alle übrigen Bosnier- Würden als Kmets (Knechte) zu Pächtern herabgedrückt. Ihre Lage war eine so traurige, daß es sich für sie kaum lohnte, das Land zu , bestellen, so daß schon vor dem Ausbruch des Krieges etwa dreiviertel desselben wüst lagen. Die Abgaben und Steuern waren unerträglich , hoch. Da war der Zehnte, da war eine Kopfsteuer, da waren eine Wein-, eine Schweine-, eine Hammelstener. Und alle diese Steuern wurden in der brutalsten Weise erhoben. Auch die rohesten Gewaltthaten wurden ungestraft verübt, denn der Christ fand vor den ausschließlich , aus Muselmännern bestehenden Gerichten schlechterdings kein Recht. .
Als am 6. Juli 1875 im Dorfe Draschego die Steuererheber wieder einmal in ihrer Weise hausten, griffen die Bauern zu den Waffen und verjagten sie. Bald erhob sich ein großer Theil der Bevölkerung wider die Dränger und es begann jener verzweifelte Kampf zwischen der Rajah und ihren Quälern, der noch jetzt sortwährt.
Die Muhamedaner führten den Kampf in ihrer Weise, d. h. sie hielten sich zunächst an die ungefährlichen Frauen und Kinder und metzelten diese massenhaft nieder. Die entsetzte Bevölkerung floh in Folge dessen zu vielen Tausenden über die österreichische Grenze, und bald lagerten 150,000 Menschen, ausschließlich Greise, Frauen und Kinder in den Grcnzorten von Kroatien und der Militärgrenze,
Die Lage dieser völlig besitzlosen, vielfach noch dazu in Folge der Strapazen der Flucht erkrankten Menschen war eine wahrhaft entsetzliche. Die österreichische Regierung war natürlich nicht in der Lage, sie alle zu erhalten, und mußte sich daher darauf beschränken, die Kranken und die Kinder zu unterstützen. Diese erhielten 10, bezüglich 5 Kreuzer; Beträge, kaum hoch genug, um vor dem Hungertode zu schützen. Und doch priesen sich diese armseligen Menschen, die unter freiem Himmel lagerten und vom Hungertyphus dezimirt wurden, noch glücklich, denn in ihrer Heimat ging es entsetzlich her. Als die Russen in Bulgarien einbrachen, wurde das reguläre türkische Militär aus Bosnien heransgezogen und die Rajah nun erst ganz der Willkür der muhamedanischen Bluthunde preisgegeben. Sachverständige schätzen die Zahl der in den letzten Jahren dort niedergemetzelten Christen auf 200,000 Menschen jeden Alters und Geschlechts.
Man weiß, wie eine seltsame Wendung der politischen Verhält- ^ nisse es so fügte, daß die bosnischen Christen, die doch den Stein ins Rollen gebracht hatten, von der hohen Diplomatie gewissermaßen vergessen wurden, bis die Oesterreicher die gleichsam weggeworfene Provinz aufhoben. Gegenwärtig, wo sie sich in Besitz derselben zu setzen suchen, stoßen sie bekanntlich auf einen hartnäckigen Widerstand. Das Gefühl nun, in diesem ungleichen Kampf doch unterliegen zu müssen, ^ scheint die Muhamedaner zur tollsten Wuth entflammt zu haben, und sie scheinen im Begriffe zu stehen, jetzt auch noch mit dem Reste der Christen aufzuräumen.
Ueber die gegenwärtige Lage der Dinge berichtet der nachstehende Brief, der von einem allgemein geachteten Manne herrührt ; und uns von einem in der Schweiz lebenden Freunde des Daheim zur Verfügung gestellt ist. Derselbe zeigt namentlich, was von der Behauptung, daß auch die bosnischen Christen gegen die Oesterreicher kämpfen, zu halten ist. Der Brief lautet:
„Pankraz in Slavonien, am 25. August 1878.
Am 16. d. M. bekam ich eine Zuschrift ans Kosteniza des Inhalts, daß neuerdings 157 Flüchtlinge über die Grenze gekommen seien. Ich hielt dies für unwahrscheinlich, gleich darauf meldete mir
aber der Bürgermeister von B.. daß auch dort 16 griechische
und 11 römische Familien aus Nori in Bosnien geflüchtet angekommen seien, die dringend der Hilfe bedürfen.
in Bosnien.
Ich nahm Geld, Kleider und etwas Leinwand mit und begab mich nach Bujeräc, wo ich die Flüchtlinge in der That vorfand. Ich theilte von meinen Vorräthen nach Möglichkeit aus, und tröstete die Unglücklichen so gut ich konnte mit religiösem Zuspruch und dem Hinweis, daß es mit der türkischen Barbarei nun bald ein Ende haben werde. Von Bujerae ging ich nach Kosteniza. Ich fand die ganze Stadt in der größten Aufregung, weil man einen Ueberfall der Türken vom jenseitigen Ufer her befürchtete. Ich ließ mir die geflüchteten christlichen Häuptlinge vorführen, vertheilte, was ich übrig hatte, und erfuhr folgendes über die Ursache ihrer Flucht:
Nachdem die österreichischen Armeen bosnischen Boden betreten hatten, hielten sich die Christen für befreit und wollten nicht mehr den türkischen, sondern den österreichischen Beamten die Steuern bezahlen. Der österreichische Kommandirende war aber nicht klug genug, in jeder Stadt eine Besatzung zurückzulassen. Die Türken hielten dieses Vorgehen für Schwäche, griffen zu den Waffen, massakrirten die österreichischen Husaren in Maglai total und metzelten in Banjaluka Jung und Alt nieder. Die Stadt ist ganz abgebrannt. Sie zählte 25,000 Einwohner, und die Türken wütheten entsetzlich; selbst die spitalkranken verwundeten Krieger vom Okkupationscorps wurden zerstückelt. Durch diese Erfolge crmuthigt, griffen die Türken in ganz Bosnien zu den Waffen, erhoben Kriegskontribution von den Christen und zwangen sie, in den Krieg gegen Oesterreich zu ziehen, indem sie für den Weigerungsfall mit Niedermetzelnng drohten und auch thatsachlich sehr viele ums Leben brachten.
Um den Christen noch mehr Schrecken einznjagen, hat der bekannte Bluthund Pazderag Beg aus Zazin kleine Christenkiuder abfangen lassen und sie alle in ein langes tiefes Kohlfaß mit dem Kopfe nach unten gepackt. Als das Faß voll war, setzte sich der Unmensch auf das Faß und ließ Kaffee und Tschibuk kommen — alles im Beisein der armen Eltern. Stellen Sie sich den Schmerz derselben vor, denn in kaum zehn Minuten waren alle Kinder todt! So zwangen die Muselmänner mit dem Handschar in der Hand alle Christen, die nicht fliehen konnten, gegen die österreichischen Soldaten zu ziehen. Wenn es aber zum Gefechte kam, machten die Türken eine lebende Mauer aus den Christen und schossen über die Köpfe der Armen hinweg. Die armen Popen, von denen man glauben machen will, sie kämpften gegen die Oesterreicher, waren Bestandtheile dieser lebendigen Mauern. Andere wurden massakrirt - 37 hat man in den Wäldern aufgchängt gefunden.
Von Kosteniza ging ich nach Alt-Gradiska vis-a-vis türkisch Berbir, von wo der Weg nach Banjaluka führt. Dort nahm ich einen Wagen, verkleidete mich als Bauer, und erreichte nach 3^ Stunden die unglückliche Stadt (am 21. August). Ich fand leider nur einen Schutthaufen mit noch rauchenden Trümmern, und über 3000 Tobte, meist Christen, lagen nnbeerdigt umher. Erst tags darauf wurden sie eingescharrt. Den Jammer, die Noth und das Elend zu beschreiben, ist meine Feder zu schwach.
Bei der gegenwärtigen Situation in Bosnien ist wenig Aussicht, daß die Flüchtlinge vor dem Frühjahr repatriirt werden. Serajewo ist wohl genommen, allein Bosnien ist ganz insurgirt, die Türken lösen sich in Banden aus und führen einen Guerillakrieg. Von dem Fanatismus derselben nur ein Beispiel: Der fanatische aber sehr reiche Türke Filorie Effendi aus Banjaluka wurde von unseren Soldaten verwundet und gefangen genommen. Die Wunde wurde ihm zwangsweise verbunden; allein er riß alles vom Leibe, selbst die Kleider, so daß er nackt in Alt-Gradiska ankam und in Folge der Verblutung starb. Er versicherte, er komme als Märtyrer in den sechsten Himmel Muhameds.
Der kommende Winter hängt wie ein Damoklesschwert über dem kleinen Rest der armen Flüchtlinge, die jetzt selbst von ihren Gastgebern als die vermeintliche Ursache des Krieges scheel angesehen werden. 100,000 sind schon ihrem Elend erlegen, aber die Gaben aus der Schweiz und Deutschland haben mindestens 20,000 das Leben erhalten. Der Herr segne die Geber dafür."
So der Brief. Wir unsererseits haben nur noch hinzuzufügen, daß diejenigen unserer Leser, die ihr Schcrflein zur Linderung des Elends der unglücklichen Märtyrer unseres theuren Christenglaubens beitragen wollen, ihre Gaben an den Vorsitzenden des „Kommittees zur Unterstützung der bosnischen Flüchtlinge" in Agram, Herrn Kaufmann Jlija Gutessa in Agram am Markusplatz, einsenden können.