Heft 
(1878) 52
Seite
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zwischen den Blättern ein Zettelchen entdeckte, auf dem die ! Worte standen: . !

Darf ich heute zwischen ein und zwei Uhr zu Ihnen kommen, um mich selbst von Ihrem Befinden zu überzeugen?"

Es war dies gerade die Zeit, wo ich gewöhnlich allein war, aber ich konnte keine anderen Bedingungen stellen, denn ich fürchtete, es könne sonst am Ende gar nichts ans seinem Besuche werden, und mein Herz bebte vor Freude, als ich j dachte, daß ich ihn nun endlich, endlich einmal Wiedersehen sollte. So ließ ich denn den Zeitpunkt unerörtert, und bat Frau Brigitte nur, ihm zu sagen, daß ich ganz wohl wäre und mich freuen würde, ihn empfangen zu können.

Aber als ich dann wirklich allein war, da machte ich mir Vorwürfe, auf seinen Vorschlag eingegangen zu sein, und die ! Erwartung ließ mich kaum zu Athem kommen. Ich hätte wirk- ! lich gedacht, daß ich vernünftiger wäre, aber diese Aufregung ^ war wohl noch ein.e Folge der Krankheit. !

So lag ich denn ganz still auf meiner Chaiselongue, wo­hin Evchen mich sorgsam gebettet, und wagte nicht, mich zu rühren, in Wahrheit aber lauschte ich auf seinen Schritt, und erschrak ein wenig, als es plötzlich leise an die Thür klopfte. !

Im nächsten Augenblicke stand er vor mir und beugte sich i tief herab, nin meine Hände zu küssen. !

O, Dorina," sagte er,endlich, endlich ist diese schreck- ^ liche Zeit vorüber, endlich sind Sie wieder Ihren Freunden ! zurückgegebenund er blickte mich an, prüfend und ver- ^ langend, gleichsam als wollte er sich vergewissern, daß ich wirk- ! lich am Leben sei, daß ich selbst es war, die ihn willkommen ! hieß. Ich aber erschrak vor der Veränderung, die mit dem ! blühend schönen Manne vorgegangen war. ^

So blaß und elend, so verfallen und hohläugig sah er ans, daß man hätte meinen sollen, er wäre es, der eben vom Tode erstanden, und eine namenlose Angst erfaßte mich, daß er nun auch könne krank werden. :

Ja, Gott sei Dank, ich bin wieder hergestellt," sagte ich ^ lächelnd,aber Sie, Nikolai, Sie gefallen mir nicht. Sie sehen ^ matt und müde ans, und haben wohl Ihre Kräfte überange- ^ strengt durch gar zu vieles Arbeiten. Sie müssen das nicht thnn, denn an einer Krankheit ist es genug im Hause." > Finden Sie, daß ich schlecht aussehe?" erwiderte er. ^ Nun, es ist wohl möglich, obgleich ich es bisher nicht be­merkte; aber es waren schwere Wochen, die ich hier durchlebt habe, und sie mögen wohl ihre Spuren zurückgelassen haben."

Hat man Sie schlecht versorgt während meiner Krank­heit, haben Sie viel Langeweile gehabt nun, da Ihnen auch Evchens Gesellschaft entzogen war?" fragte ich.

Nein, das war es nicht," meinte er seufzend, und dann, mir tief in die Augen schauend:

Glauben Sie denn, Dorina, daß man es leicht trägt, wenn das einzige Wesen, das man liebt, zum Tode krank ist, und jeder Augenblick ihren Verlust bringen kann; glauben Sie, daß man nicht leidet unter der wochenlangen Ungewißheit, welche einen hin und her schwanken läßt zwischen Furcht und Hoffnung? Jede Stunde habe ich verwünscht, die ich fern von Ihnen zubringen mußte, seit acht Tagen habe ich täglich ge­beten, Sie sehen zu dürfen, aber immer wurde es mir ver­weigert, und die Sehnsucht steigerte sich zum Unerträglichen. Da wandte ich mich zur List, und wagte eine direkte Anfrage.

O, mein Liebling, mein Liebling, ich mußte Dich ja sehen, ich ^ kann ja nicht mehr leben ohne Dich, und ich bitte Dich, sei ! barmherzig, einmal, nur ein einziges Mal, lege Deine weiße Hand aus meine brennende Stirn, damit ich weiß, daß Du wirklich es bist, und alles Leid vergesse, als wäre es ein böser Traum gewesen." ^

Aber ich that nichts dergleichen. Als er sich niederbengte ^ zu mir, da schlang ich meine Arme um seinen Hals und zog ihn zu mir herab, sanft aber unwiderstehlich, und er kniete nieder an meiner Seite und bedeckte mein Gesicht mit heißen ! Küssen.

Ach, Nikolai," flüsterte ich endlich,hast Du mich denn wirklich so lieb? Ist es nicht blos Mitleid, das Dich zu mir führt? Sieh, ich glaubte immer, Evchen habe Dein Herz ge­

wonnen, und für mich, das arnte unschöne Wesen, sei nichts übrig als ein klein wenig Freundschaft."

Aber er geberdete sich gar nicht mehr wie ein Freund, sondern wie ein recht unvernünftiger Liebhaber, und schwatzte so tolle Dinge, daß ich mich schäme, sie hier zu wiederholen.

Erst als ihm einfiel, daß ich ja Rekonvalescentin sei und ge­schont werden müsse, wurde er ruhiger, holte einen Stuhl her­bei und setzte sich neben mich. Meine Hand aber behielt er in der seinen, und seine Mittheilungen wurden immer wieder durch allzu ausgedehnte Liebesbeweise unterbrochen. Nach und nach erfuhr ich aber doch, wie die Sache zusammenhing.

Er behauptet, mich geliebt zu haben vom ersten Augen­blicke. Aber wie ich eifersüchtig war auf Evchen, so hegte er einen Groll gegen meine Bücher und Studien und gestand mir, daß er bisher immer einen großen Abscheu vor gelehrten Frauen empfunden. Meine Ruhe und Kälte hat er für Gleichgiltigkeit und Abneigung gehalten und geglaubt, ich wäre hocherhaben über jede Schwäche des Herzens. Das kleine Mädchen, wie er Evchen immer nennt, hatte sich durch ihre Liebe zu mir sofort HL seine Sympathien erworben, sei sein guter Kamerad und später' ^ die Vertrante seines Kummers geworden. Aber als ich ihm , ^ sagte, daß ich fest an ihre gegenseitige Liebe geglaubt und nur ' s H deshalb mich zurückgezogen habe, da meinte er, diesen Jrrthum : W nicht begreifen zu können. W

Welch eine Idee," sagte er,ich alter Mensch und dieses -M Kind von siebzehn Jahren! Ebenso gut hätte ich auf den Ge- IM danken kommen können, um Dame Brigitte zu freien. Aber - Scherz bei Seite; auch Evchen hat nie an dergleichen gedacht, w sie wäre sonst nicht so offen und unbefangen, so kindlich heiter und übermüthig gewesen. Auch ist sie es gewesen, die mir jetzt TW Muth gemacht hat, mich gegen Dich anszusprechen. Das Ge- heimniß, das Du so sorgfältig verborgen gehalten, scheint sie schMch errathen zu haben, indem sie Deinen Fieberphantasien lauschte, s und mich in letzter Zeit durch ihren Trost aufrecht erhalten. i

Aber streng und unerbittlich war sie in dein einen Punkt, sie < - wollte mich nicht zu Dir eilen lassen, ehe Du Dich nicht ganz "ch

erholt habest. Es war ein Gewaltstreich, daß ich schon heute -h

hier eindrang, aber ich hoffe, es wird Dir nicht schaden, ch

Dorina!"

Ich versicherte ihm, daß das Glück das beste Heilmittel sei, und wir blieben noch lange im traulichen Beisammensein. s

Als aber Nikolai es endlich an der Zeit,fand, für heute Ab- -

schied zu nehmen, da öffnete sich die Thür und herein trat Evchen, mit dem Kater ans ihrem Arm. Sie., hatte ihm eine -

große rothe Schleife umgebunden, und waxs jhn Aun^nm Hellen s

Uebermuth mir gerade auf die Füße. DerchKater 'schnurrte ganz vergnügt, und Evchen schaute lächelnd von einem zum !i

andern. ^

Wir kommen gratüliren, Bobby und ich," sagte sie heiter, i und werden tüchtig schelten, daß Ihr beiden bösen Menschen . hinter meinem Rücken gegen mein strenges Verbot gehandelt Z

habt. Im übrigen aber bin ich herzlich froh, daß es nun endlich s

so weit ist. Du lieber Gott, was hat das für Mühe gemacht, -

Euch zusammen zu bringen!" Und indem sie Nikolai einen schel- , > ! mischen Blick zuwarf, flog sie in meine Arme und drückte mich an ihr Herz. Trotz der spöttischen Reden standen ThräneN :

in ihren Augen, aber es waren Thränen der Rührung und '

nicht des Schmerzes; und als ich in ihr liebes kindliches Ge- sichtchen blickte, da gewann auch ich die Ueberzeugung, daß ich ' mich geirrt, als ich glaubte, ihr Herz habe für Nikolai ge- ! s sprachen. ' s-

So gibt es denn nichts, das einen Schatten aus unser Glück, ! . ans dieses Glück werfen könnte, das ich so wenig verdient habe, sch und das noch mein Theil geworden. Schöner als alle Träume ' ist die Wirklichkeit, und ich weiß nicht, was ich thnn soll, um mich seiner würdig zu machen. w

Der vierundzwanzigste Januar war der glücklichste Tag sch

meines Lebens. :ch

Den 28 . Januar. , 's

In dein kleinen Kreise unserer nächsten Bekannten hat ich unsere Verlobung einige Ueberraschnng, aber noch mehr Frende . D hervorgebracht. Aber eine Schwierigkeit erwächst uns daraus,