Heft 
(1878) 52
Seite
827
Einzelbild herunterladen

827

Nun, so natürlich finde ich das doch nicht wer interessirt sich denn für fremde Gesichter?"

Eine Frau hat für alles Interesse," war die kurze Antwort.

Und die beiden Hüte?"

Werden auch mitgenommen; man kann nicht wissen, ob nicht ein Platzregen die Garnitur verdirbt."

Aber, Kind, bei dem Wetter! Ueberall Sonnenschein und das Barometer steht aufbeständig schön?"

Wieder ein von Indignation gesättigter Blick.

Du ließest Deine arme Frau" die süße Stimme ging bereits in ein thränenreiches Tremulando überam liebsten im bloßen Kopfe reisen! Und Du weißt doch, wie schwach und angegriffen meine Kopfnerven sind."

Na, dann nimm die beiden Hüte mit. Aber sage mir nur, wo soll ich diese Schleifen, Bänder, Morgenhauben, Schuhe und so weiter unterbringen? Der Koffer ist voll."

Welche Frage! Packe doch nur erst den Kinderwagen voll; da geht unendlich viel hinein."

Den Kinderwagen?" Ich starrte entsetzt in die leere Luftbedenke doch, was das für Ueberfracht kostet!"

Das konntest Du Dir vorher berechnen; ohne Kinder­wagen reise ich nicht, und fürchtest Du die Ueberfracht, nun dann bleibe ich eben hier."

Trumpf! Das saß. Hier bleiben? Auf keinen Fall! -- Und so packte ich denn weiter und weiter, bis die Kisten und Kasten, die Koffer und Schachteln bis an den Rand voll gestopft waren. Auch der Kinderwagen erhielt seine Ladung und nun kann's losgehen. Glück auf die Reise hinter den Bergen geht meine Sonne ans!

Wunderlich war mir doch zu Mnthe, als ich so allein meiner stillen Wohnung zuschritt; ein Abschied, und ist es der fröhlichste, bleibt doch immer ein unbehaglich Ding. Aus der Ferne hörte ich noch den Zug vorübersausen, dann wurde es still, und auch meine Seele faßte sich. Bald lieh ihr auch der Humor seine Schwingen und stillvergnügt summte ich vor mich hin:O selig, o selig, Strohwittwer'zu fein!" Meine Stroh- wittwe fuhr mit ihren Koffern und Schachteln vergnügt in die Heimat, sollte ich nicht eben so vergnügt mein Heim aufsuchen? Alle die holden Bilder ans der Studentenzeit tauchten lachend vor meiner Seele auf, und mit den Schmetterlingen, die sich ans den Blumen am Wege wiegten, gaukelten um mich alle jene Stunden, die in ihrerfröhlichen Wildheit" das Herz so hoch entzückt hatten. Wieder sah ich mich in dem kleinen Stübchen, das hoch oben vom Dachfirste übermüthig auf die enge Gasse hcrniederschaute und in feinen schmucklosen, schmaleil Wänden so viel sprudelnde Lebenslust barg; wieder traten vor mein Auge die Gestalten der fröhlichen Genossen, die das cloles lüi- illsnte der ersten Semester, die süße Ungebundenheit des akademischen Lebens so epiknräisch auszukosten verstanden ich hätte laut aufjauchzen mögen vor innerem Vergnügen. Der Schritt wurde elastischer, die Augen leuchteten Heller, der Geist phosphoreszirte in glänzenden Funken, und wenn mir jetzt ein Bruder Studio begegnet wäre, auf den Kieselsteinen hätte er mit mir einen Salamander reiben müssen. Selige Erinnerungen! Studentenzeit und Studentenliebe, das war Poesie! Ich weiß es noch wie heute, als ich meiner ersten und einzigen Liebe ein jubelndes Lied sang:

Und trüge mich der Luftballon Vom Böhmerwald bis Frankreich,

Ich würde singen im hohen Ton Melodisch und gesangreich:

Ich liebe dich als mein Ideal,

Als meinen Hellen Planeten;

Und freien würd' ich dich ohne Wahl,

Hält' ich nur die Moneten!

Das war die Poesie der Studententage! Augenblicklich war nun derHelle Planet" zur Strohwittwe und der schwungvolle Sänger zum Strohwittwer geworden. Aber Strohwittwerthum und Studenthum sind in vielen Beziehungen wahlverwandte Begriffe, und was der Student konnte, das kann der Strohwittwer erst recht. Meine Leser merken, daß ich immer noch in ^.-äur sprudele.

So kam ich in meine Wohnung. Es war recht leer; die vier Wände waren eben nichts weiter als vier Wände, und ich glaube, des Gedankens Blässe würde mich jetzt angekränkelt haben, wenn ich nicht mit hohem Pathos und kunstgerechter Attitüde die Worte deklamirt hätte:

Den Wänden kann geholfen werden!

Sprach's und holte aus dem verstäubtesten aller Winkel das lang entbehrte, viel geehrte und heiß begehrte Weichselrohr hervor. Wie es mich so zärtlich anblickt mit seinen Aesten, wie mir sein Duft den Sinn berauscht!

O ich liebe euch, ihr schlanken Brünetten, euer Hauch ist bezaubernd, und eure Sprache ist weich! Die Havanna, die Manilla, was sind sie in ihrem salonfähigen Kleide gegen dich, die Genossin trauter Stunden! Eine Trösterin, wenn die Sorge sich wappnet, eine Friedensstifterin, wenn das Herz bangt: das bist du mir gewesen von dem Tage an, da du zuerst meine Lippen geküßt. Ich weiß, du hast grimmige Feinde, aber sei ruhig: ich halte dich sicherlich halte dich warm. Wie der bläuliche Dampf steigt, wie die zierlichen Ringe sich necken und jagen, wie der Sonnenschein die abenteuerlichen Gebilde verklärt, das ist Poesie! Heute fürchte ich euch nicht, ihr schwankenden Gestalten, die ihr vom Feilster her droht, ihr ! schleierhaften, durchlöcherten Gewebe, die ihr dem dampfenden Gatten das onvs Lauem zuruft; ich fürchte euch nicht:

Unö ob die Wolke euch umhülle,

Ich rauche fort uud ihr seid stille

ich bin ja Strohwittwer!

Mit der langen Pfeife hatte die kleine Studentenmaschine die Verbannung getheilt. Auch sie sollte wieder zu Ehren kommen. Kürzlich erst hatte ich im Daheim-Kalender Onkel Traugotts Erklärungen über das Geheimniß der Kaffeekvch- kunft gelesen; wenn ich nun zu diesen Enthüllungen meine langjährigen Erfahrungen aus früherer Zeit nahm, so konnte ich nicht zweifeln, daß der Kaffee, den ich nun mit aller Sorg­falt brauen wollte, ein exquisiter werden mußte. Auf eine Hand voll Bohnen mehr oder weniger kam es ja dabei nicht an ich war ja Strohwittwer. Und was mich sonst zur Verzweif­lung brachte, das unmelodische Knarren der Kaffeemühle, das entzückte mich heute und regte mich poetisch an. Ich glaube, ich recitirte, während die Knie das melodische Instrument drückten, Richard Leanders reizende Verse:

Holde Zeit des süßen Nichtsthuns Und des seligen Genusses,

Wo im ew'gen Sonnenscheine Des Gemüthes duft'ge Knospen Sich entfalten, und am Stamme Des Charakters sich der grüne Trieb zu reifem Holz verdichtet!

Aus den feinsten Ingredienzen Brauten euch die guten Götter!

Aus den feinsten Ingredienzen! Eine Düte Bohnen und ein Drittel Päckchen Feigenkaffee: das muß ein köstlicher Ge­nuß werden! Onkel Traugott hat's gesagt, und der weiß alles. Das Wasser singt, jetzt fäugt's an zu wallen und zu sieden, jetzt steigt's bis an den Rand nun schnell umgestülpt und der Kaffee ist

Da klopft es die Maschine ist glühend heiß ein Tuch nicht zur Hand entsetzliche Lageherein!" und in der Umrahmung der Thür zeigt sich mein lächelnder Kollege Doktor Weber mit seiner bildschönen Braut. Die Situation war furchtbar lächerlich. In der Thür das junge Paar, der Begrüßung und Beglückwünschung harrend, auf den: Tische die kochende Maschine, flammenumloht und dampfumbranst, in der Mitte zwischen beiden meine Wenigkeit, dorthin angstvolle'Blicke, hierhin freundliche Verbeugungen sendend: lieber Leser, ich hätte etwas darum gegeben, wenn ich in dem Augenblicke nicht Stroh­wittwer gewesen wäre; sogar das qualvolle I) moU hätte ich mit Freuden in den Kauf genommen.

Und als ich so noch angstvoll zwischen den Pflichten der Klugheit und der Höflichkeit schwebe, da eilt die entzückende Braut schnell auf die Unglücksmaschine zu, greift sie mit fester