Hand und — mir ist geholfen. Ich aber athmete lang und athmete tief, und begrüßte nun mit tausend Entschuldigungen die verehrten Gäste. Leer gebrannt war allerdings die ! Stätte, auf der die Maschine gestanden, aber eine Damasthülle deckt ja auch viele Mängel.
„Ich muß tausendmal um Entschuldigung bitten — der sonderbare Empfang — meine Frau ist verreist — ich bin ! augenblicklich Strohwittwer," — so oder ähnlich stammelte ich, während das Brautpaar immer noch lachte. Warum sollte es ! nicht lachen? Ich war ja Strohwittwer.
Und um alles wieder gut zu machen, lief ich hin und her, suchte Obertassen und Untertassen, auch einige Löffel zusammen, und schickte mich an, den braunen Trank zu kredenzen.
„Der Kaffee muß, ohne daß ich mich rühmen will, ganz vorzüglich sein," perorirte ich bei dem Geschäft des Einschenkens, und im Geiste hörte ich bereits mein Lob aus bräutlichem Munde.
Ich armer Mann! Wenn das Onkel Traugott wüßte! Kaum hatte Fräulein Marianne an der Tasse genippt, als sie sich verfärbte und den Trank hastig zurückschob. Der Doktor erbleichte, ich stand rathlos daneben und stotterte:
„Ja, es war doch aber ein ausgezeichnetes Rezept?"
„Gewiß, lieber Kollege," beschwichtigte mein Freund, „wahrscheinlich ein bischen zu stark — meine Braut leidet an den Kopfnerven."
Merkwürdig, meine Frau klagt doch auch über die Kopfnerven, aber den Kaffee trinkt sie in jeder Gestalt. Der Besuch erhob sich natürlich, ich bedauerte unendlich, die Braut aber sagte, als sie mit dem Auserwählten die Treppe Hinabstieg:
„Höre, Georg, Strohwittwer sollst du nie sein! Das ist ja entsetzlich!"
Was ich dachte, darf ich fürs erste noch nicht verrathen; fast war es mir so, als ob es von ferne klänge: ä—k—n— n — k— cl, und mein Strohwittwerthum erschien mir in sonderbarem Lichte. Morgen lacht mir die Sonne vielleicht Heller; aller Anfang ist schwer und — schön ist es doch!
Selbige Nacht schlief ich einen langen Schlaf, so lang, daß es mir an Zeit gebrach, nach Onkel Trangotts Rezepte eine zweite verbesserte Auflage Kaffee zu brauen. Um sieben Uhr beginnt der Unterricht; als ich erwachte, war es bereits zehn Minuten nach sieben. „Warum hast Du mich nicht geweckt?" wollte ich eben schelten, als ich mich allein und verlassen in der öden Wohnung fand. Auch wieder ein Segen der Stroh- wittwerei! Nüchtern, verschlafen, mißmuthig und ohne Kaffee ! zur Schule! Nur der Unglückselige, der in der Morgenfrühe > vor einer Schar von mehr als fünfzig übermüthigen Jungen auf dem Katheder stehen muß, weiß, welch bedeutender Faktor nicht genossener Kaffee für das schulmeisterliche Seelenleben ist. Das Leben ist schal, die Freude eine Seifenblase und die Jungen, der Stolz und die Hoffnung Deutschlands, entsetzlich! Und wenn man dazu noch die Zeit verschlafen hat und mit bösem Gewissen zur Schule schleicht! Die Kollegen, die Schüler, alle lehren bereits oder lernen, nur du jammervollster aller Strohwittwer verträumst und versäumst deine Pflicht! Der Vorübergehende scheint uns stumme Vorwürfe zu machen; der Ladenjüngling, der eben die erste saure Gurke verkauft hat, sieht uns malitiös an, ein Kollege von der Realschule, welche erst um acht beginnt, steht am Fenster und reibt sich schadenfroh die Hände, der Barbier, der ewig geschwätzige, kann an uns nicht eilenden Laufes vorüberfliehen, ohne uns mit den Worten: „Schon ausgeschlafen, Herr Doktor?" zu caramboliren — bis zum Schnlplatz laufen wir Spießruthen und da —
Ja, da wird's noch besser! Aus dem Eckzimmer — es ist die berühmte Quarta — tönt Schreien, Jauchzen, Lachen, Lärmen an mein Ohr. O diese Jugend! Wenn das der Direktor hörte! Armer Strohwittwer!
Nun stehe ich vor der Klassenthür. Ein energischer Griff auf die Thürklinke, und das Lärmen verstummt.
„Ihr bösen Buben! Was fällt Euch ein! Primus, was geht hier vor?"
Und der Primus, ein ganz geriebener Bursche, antwortet höchst devot:
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„Sie kamen ja nicht, Herr Doktor, und da —" „Schweig! Ich bin unwohl gewesen — fang an zu übersetzen!"
Wenn sich nun ein Junge, der für den biederen Cornelius Nepos nicht gerade schwärmt, die Zeit auf eine andere angenehmere Weise zu vertreiben sucht, so ist das Wohl begreiflich; aber ebenso begreiflich ist es, daß der Lehrer dadurch zur Verzweiflung getrieben wird, zumal wenn er noch keinen Kaffee getrunken hat.
„Müller, was lachst Du?"
Müller erbleicht.
„Mütter, was lachst Du?"
„Herr Doktor — Schulze sagte — daß Ihre Frau gewiß verreist sei, weil Sie — den Schlips anzuknöpfen vergessen hätten!"
Ich war sprachlos; zum Glück schlug die Glocke eben acht, und die Lektion war beendet. Soll ich noch erzählen, unter welchen Qualen die folgenden drei Stunden vergingen? Erlaß es mir, freundlicher Leser, und glaube mir, daß ich zerknickt und zerbrochen nach Hause kam.
! Ich hatte Hunger. Sollte ich in ein Gasthaus gehen oder ^ sollte ich mir nach alter Stndentensitte ein Beefsteak braten?
Ich entschied mich für das letztere. Es sollte fürchterlich enden.
! Die neueste Nummer des Daheim war so eben erschienen und wartete auf ihren Leser, und während nun mein Beefsteak auf der Spiritnsflamme lustig brodelte, vertiefte ich mich in die anziehende Lektüre. Ich weiß nicht mehr, welcher Artikel mich so fesselte, kurzum, mit einem Male wird die Thür aufgerissen, und mit entsetzter Miene fährt der Hanswirth auf mich zu: „Das muß ich mir entschieden verbitten, Herr Doktor!" „Was denn, Herr Wegeleben?"
„Thun Sie nur nicht so, als ob Sie's nicht wüßten! Herrrr — ich bin ein anständiger Mann und mein Haus hat guten Ruf!"
„Ich verstehe wahrhaftig nicht, was Sie meinen."
„Nun, mein Gott, riechen Sie denn das nicht! Der Herr Geheimrath in der Beletage und der Musikdirektor im andern Stock bringen mich bald um —" und mehr springend als gehend stürzte er auf den Vorsaal, wo mein ersehntes Beefsteak in den letzten Zügen qualmte.
„Hier, Herr," wüthete er weiter, „hier ist es, und Sie" — fast durchbohrte, er mich — „Sie ziehen aus! Verstehen Sie mich, morgen — übermorgen — sofort — gleich!!!"
„Aber, Herr Wegeleben, ich kann ja nichts dafür, meine Frau ist verreist — ich bin Strohwittwer —"
„Kann mir nichts nützen, und wenn Sie zehn Mal Strohwittwer sind, das verbitte ich mir!"
Sprach's und schnob ab. Dahin war's also gekommen! Ohne Kaffee, ohne Mittagsbrot, ohne Wohnung; ich schloß die Thür ab, eilte die Treppen hinunter und raste auf den Bahnhof.
Was ich da wollte? Fürs erste kaufte ich mir ein Bittet, und dann fuhr ich mit dem nächsten Zuge ab. Wie ein zu- fammengeklapptes Taschenmesser saß ich in der Ecke und überdachte die Zeit meines Wittwenstandes. Wie hatte ich gestern in den vollen Tag hineingejubelt, wie glänzend leuchteten mir j die Ideale von «reinem erträumten Himmel herab, und nun?
! Verklungen war das fröhliche Hr, und in meinen Schläfen ! pochte es unheimlich: k —n —cl-—6 — k—a. So kam ich ! in Halle an. Dort mußte ich umsteigen und ein neues Billet lösen. Mit Mühe machte ich mir durch die wogende Menge freie Bahn. Vor mir steht nur noch eine Frau mit einem Kinde auf dem Arm. Sie ist augenscheinlich in großer Verlegenheit; der Billeteur will oder kann den Schein nicht wechseln und sie bittet:
„Thun Sie mir doch den einzigen Gefallen, ich muß ja heute noch nach N."
„Hier ist das abgezählte Geld und da noch ebenso viel für ein anderes," rief ich dazwischen und drückte in dem-