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Ueber <Land und Weer.
sagte sich denn auch, daß der Alte, wenn er sie nur erst kennen gelernt haben würde, mit fliegenden Fahnen ins Barbysche Lager übergehen würde. Der alte Graf, Armgard und vor allem Melusine. Die war genau das, was der Alte brauchte, wobei ihm das Herz ausging.
Den Weihnachtsabend verbrachte Woldemar am Kronprinzenuser. Auch Wrschowitz und Cujacins — von denen jener natürlich unverheiratet, dieser wegen beständiger Streiterei von seiner Frau geschieden war — waren zugegen. Cujacins hatte gebeten, ein Krippentransparent malen Zu dürfen, was denn auch, als es erschien, auf einen Nebentisch gestellt und allseitig bewundert wurde. Die drei Könige waren Porträts: der alte Graf, Cujacins selbst und Wrschowitz (als Mohrenkönig); letzterer, trotz Wollhaar und aufgeworfener Lippe, von frappanter Aehnlichkeit. Auch in der Maria suchte man nach Anlehnungen und fand sie zuletzt; es war Lizzi, die, wie so viele Berliner Kammerjungfern, einen sittig verschämten Ausdruck hatte. Nach dem Thee wurde musiziert, und Wrschowitz spielte, weil er dem alten Grafen eine Aufmerksamkeit zu erweisen wünschte, die Polonaise von Oginski, bei deren erster, nunmehr um siebzig Jahre zurückliegenden Aufführung, einem alten on dir Zufolge, der polnisch gräfliche Komponist sich im Schlußmoment erschossen haben sollte. Natürlich aus Liebe. „Brav, brav," sagte der alte Graf und war, während er sich beinah' überschwenglich bedankte, so sehr aus dem Häuschen, daß Wrschowitz schließlich schelmisch bemerkte: „Den
Schluß aber versag' ich mir, trotzdem meine Vererrung (Blick auf Armgard) serr groß ist, fast so groß wie die Vererrung des Herrn Grasten vor Grast Oginski."
So verlief der Heiligabend.
Schon vorher war man übereingekommen, am zweiten Feiertage zu dritt einen Ausflug nach Stechlin zu machen, um dort die künftige Schwiegertochter dem Schwiegervater vorzustelleu. Noch am Christabend selbst, trotzdem Mitternacht schon vorüber, schrieb denn auch Woldemar einige Zeilen nach Stechlin hin, in denen er sich samt Braut und Schwägerin für den zweiten Feiertag Abend anmeldete.
Rechtzeitig trafen Woldemars Zeilen in Stechlin ein. „Lieber Papa. Wir haben vor, am zweiten Feiertage mit dem Spätnachmittagszuge von hier aufzubrechen. Wir sind dann um sieben auf dem Granseer Bahnhof und um neun oder nicht viel später bei Dir. Armgard ist glücklich, Dich endlich kennen zu lernen, den kennen zu lernen, den sie seit lange verehrt. Dafür, mein lieber Papa, Hab' ich Sorge getragen. Graf Barby, der nicht gut bei Wege ist, was ihn hindert mitzukommen, will Dir angelegentlich empfohlen sein. Desgleichen Gräfin Ghiberti, die uns als Dame d'honnenr begleiten wird. Armgard ist in Furcht und Aufregung wie vor einem Examen. Sehr ohne Not. Kenn' ich doch meinen Papa, der die Güte und Liebe selbst ist. Wie immer Dein Woldemar."
Engelke stand neben seines Herrn Stuhl, als dieser die Zeilen halblaut, aber doch in aller Deutlichkeit vorlas. „Nun, Engelke, was sagst du dazu?"
„Ja, gnäd'ger Herr, was soll ich dazu sagen. Es is ja doch, was man so 'ne .gute Nachricht' nennt."
„Natürlich is es 'ne gute Nachricht. Aber Haft du noch nicht erlebt, daß einen gute Nachrichten auch genieren können?"
„Jott, gnäd'ger Herr, ich kriege keine."
„Na, denn sei froh; dann weißt du nicht, was gemischte Gefühle' sind. Sieh, ich habe jetzt gemischte Gefühle. Da kommt nun mein Woldemar. Das is gut. Und da bringt er seine Braut mit, das is wieder gut. Und da bringt er seine Schwägerin mit, und das is wahrscheinlich auch gut. Aber die Schwägerin ist eine Gräfin mit einem italienischen Namen, und die Braut heißt Armgard, was doch auch schon sonderbar ist. Und beide sind in England geboren, und ihre Mutter war aus der Schweiz, von einer Stelle her, von der man nicht recht weiß, wozu sie gehört, weil da alles durcheinander geht. Und überall haben sie Besitzungen, und Stechlin ist doch bloß 'ne Kate. Sieh, Engelke, das is genierlich und giebt das, was ich .gemischte Gefühle' nenne."
„Nn ja, nu ja."
„Und dann müssen wir doch auch repräsentieren. Ich muß ihnen doch irgend einen Menschen vorsetzen. Ja, wen soll ich ihnen vorsetzen? Viel is hier nich. Da Hab' ich Adelheiden. Natürlich, die muß ich einladen, und sie wird auch kommen, trotzdem Schnee gefallen ist; aber sie kann ja 'neu Schlitten nehmen. Vielleicht ist ihr Schlitten besser als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch nicht besser. Und dabei denkt sie, ,sie is was', was am Ende auch wieder gut is, denn wenn der Mensch erst denkt ,es is gar nichts mit ihm', dann is es auch nichts."
„Und dann, gnäd'ger Herr, sie is ja doch 'ne Domina und hat 'nen Rang. Und ich Hab' auch mal gelesen, sie sei eigentlich mehr als ein Major."
„Na, jedenfalls ist sie mehr als ihr Bruder; so 'n vergess'ner Major is ein Jammer. Aber Adelheid, so auf 'n ersten Anhieb, is auch man so so. Wir müssen jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor. Baron Beetz und der alte Zühlen, die die besten find, die wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, seit wir die Eisenbahnen haben, laufen die Pferde schlechter. Oder es kommt einem auch bloß so vor. Also die guten Nummern fallen aus. Und da sind wir denn wieder bei Gundermann."
„Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er soll ja auch so Zweideutig sein. Uncke hat es mir gesagt; Uncke hat freilich immer das Wort .zweideutig'. Aber es wird wohl stimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne richtige Berlinsche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich."
„Ja, Engelke, du sollst mir helfen und machst es bloß noch schlimmer. Wir könnten es mit Katzler versuchen, aber da ist das Kind krank, und vielleicht stirbt es. Und dann haben wir natürlich noch unfern Pastor, und der ginge, bloß daß er immer so still dasitzt, wie wenn er aus den heiligen Geist wartet. Und mitunter kommt er; aber noch öfter kommt er nicht. Und solche Herrschaften, die dran