Heft 
(1897) 10
Seite
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Meöer Land und Meer.

Als Bartolo sich spät am Abend verabschiedete, den Karton mit dem wohlverpackten Kleide mit sich nehmend, blickte Zoä ihm triumphierend nach:Wenn er mir mein Eigentum zurückbringt, hat er gesagt, wird er eine große Bitte an mich richten! Eine Bitte, bei der er an meine Herzens­gute und meinen Edelmut appellieren will! Was kann das andres sein als das längst von niir erwartete Wort? Worauf sollte sich seine Bitte beziehen, wenn nicht aus unfern eignen Hochzeitstag?"

Es war um die Mittagsstunde des nächsten Tages. Zoä, die wie fast alle Orientalinnen ihren Putz und Schmuck nur anlegte, wenn sie sicher war, gesehen und bewundert zu werden, stand in tiefem Neglige in ihrem Zimmer, hie und da eine leichte Arbeit ausnehmend, meistenteils aber in träumerischer Rühe vor sich hinblickend; höchstens einmal erhob sie die Hand, um die unordentlich in die Stirn fallenden Haarsträhnen zurückzustreichen.

Eine lose Bluse von blauer Leinwand fiel über das unsaubere weiße Unterkleid; an den Füßen, die auf der Straße nur hohe Pariser Hackenschuhe zeigten, steckten heute ein Paar niedergetretene Pantoffeln, mit denen sie nachlässig zur Thür schlurfte, als sich dort ein leises Klopfe!: vernehmen ließ.

Ein verschmitztes, listiges Gesicht, umrahmt von krausen, abstehenden Haaren, blickte ihr halb verlegen, halb trotzig beim Oesfnen entgegen.

Du, Marmiton!" rief Zoä erstaunt,was willst du hier zu dieser Stunde? Giebt's nicht in der Küche Arbeit für dich, mou Zurtzou? Ich muß wirklich den Olleb äa eul8in6 oder Signor Bartolo bitten, dich mehr zu be­schäftigen, damit du nicht Zeit hast, im Hause umherzuschleichen und die Damen zu belästigen!"

Der Küchenjunge oder Marmiton, wie er in größeren Haushaltungen genannt wird, warf einen lebhaften Blick in Zoes hochmütiges Gesicht und zuckte geringschätzig die Achseln. Die Griechin hatte ihn oft gekränkt und beleidigt, indem sie seine kindischen Huldigungen vor dem übrigen Hauspersonal lächerlich gemacht. Jetzt war die Stunde der Rache ge­kommen.

Signor Bartolo?" fragte er mit erkünsteltem Staunen, der wird heute schwerlich Zeit haben, auf Mad'mzells Klagen zu hören. Ich wollte eben Mad'mzelle Zoe an­bieten, in mein bescheidenes Zimmerchen zu kommen, dessen Fenster auf den Munizipalitätsgarten gehen, damit sie von dort wenigstens das glückliche Brautpaar aus dein Rückwege zu sehen bekommt. Schade," fuhr er grinsend fort, während die kleinen Augen boshaft leuchteten,schade, daß Mad'mzelle den Zug nicht eben gesehen, wie er zur Trauung ging: Signor Bartolo so fein und schön, und seine Braut, das schönste Mädchen Konstantinopels, mit einem kostbaren Kleid von weißer Brussa-Seide, wie für eine Prinzeß gearbeitet!"

Auf Zoös Stirn lagerte eine Zorneswolke, und plötzlich unterbrach sie die Beredsamkeit des Marmitons mit höhnischem Lachen.

Die Braut von Signor Bartolos Bruder meinst du, inoii gartzou; ein andermal sperre die Augen auf, wenn du Bericht erstatten willst, wer der Bräutigam gewesen!"

Damit machte sie den Versuch, die Thür zu schließen, ungeduldig rufend:Jetzt würde ich dir im Ernst raten, zu deinen Kochtöpsen zurückzukehren, damit dich der Chef nicht an den Ohren zaust!"

Aber noch hatte der Marmiton seinen Vorrat von Bos­heiten nicht erschöpft. Dunkles Rot flog über seine Züge, als er, den Fuß zwischen die Thür klemmend und so das Schließen derselben verhindernd, schnell ein Blatt Papier aus der Tasche zog und, es Zoä dicht vor die Augen haltend, mit fast überstürzender Rede herauspolterte:

Der Chef kommt vor der Dienststuude heut abend nicht zurück ; hier ist seine Einladung zur Hochzeit des Signor

Bartolo mit seiner Cousine, der schönen Bionda. Ich fand sie soeben in seinem Zimmer, wohin ich die Reste vom heutigen Dejeuner der Herrschaft tragen mußte; er scheint aus keine große Bewirtung zu rechnen im Hause des Schwieger­vaters unsers Herrn Portiers. Sollte denn Mad'mzell Zoä wirklich nichts davon wissen?" fuhr er mit verstellter Un­schuld fort, als er die Augen der Griechin wie versteinert auf dem Blatte ruhen sah.Signor Bartolo hat doch heut dem ganzen Hause davon erzählt, wie großmütig Mad'mzell ihr schönes Kleid seiner Braut geborgt hätte; er hat mich morgen früh zu sich bestellt, um es zurückzuholen, denn er hat heut seine Stelle hier gekündigt,*) um künftig dem Schwiegervater in dem kleinen Geschäft zu helfen, und ich hoffe, von den Süßigkeiten des Hochzeitsschmauses wird ..."

Weiter kam der geschwätzige Knabe nicht. Die Lähmung, die Zoä erfaßt zu haben schien, war plötzlich gewichen; mit kräftigein Stoß drängte sie den Unglücksboten zurück, und die Thür fiel hinter ihm ins Schloß.

Sie war allein mit ihrer Enttäuschung, ihrer Be­schämung, ihrem Zorn. Lassen wir einen Schleier darüber fallen.

Sprüche.

Non

A. stier.

Nicht der Besitz pflegt das Glück zu umschließen, Das wahre Glück liegt im rechten Genießen.

Im Alter zeigt sich die Güte beim Wein Im Feuer und in der Klärung,

In des Edelgehalts Bewährung;

Und beim Menschen soll es ebenso sein!

M SimMe in dar ' s-Miiiilliiiis.

LWährend die Europa zugewandten Küsten der Vereinigten Staaten schon längst das europäische Zivilisations­gewand angezogen haben, fand in den pacifischen Landes­teilen der große kulturelle Aufschwung erst mit dem be­ginnenden kalifornischen Goldfieber statt. Seitdem haben die amerikanischen Ufer des Stillen Ozeans sich dem Welt­verkehr geöffnet, und begünstigt durch eine fast tropische Vegetation und ein mildes Klima, strebt die intelligente Bevölkerung dem erfolgreichen Wettkampf mit den atlanti­schen Küsten zu. Aber auch dem Touristen hat sich hier eine wunderbar reiche Welt erschlossen, eine Natur, so keusch und duftig, wie sie nur diese»! jungfräulichen Lande eigen. Als das Wunder der nördlichen Gebiete gilt der Spiegelsee. In den Cascades-Mountains, deren Waldeszauber nur selten der Stahlklang der Axt entweiht, strebt noch der ungebündigte amerikanische Wald empor; auf den Lichtungen zeigt noch der Wapitihirsch im Morgengrauen sein Riesengeweih. Dort im verborgenen Thale des Washington-Territoriums, nörd­lich vom Oregon, liegt der klare Spiegel desMiror-Lake". Die tiefste Urwaldruhe umgiebt den köstlichen See, dessen wundervoll klare Fluten zur Sommerzeit nimmer der Wind­hauch kräuselt. Wie ein Spiegel von unergründlicher Tiefe und Klarheit giebt das krystallene Wasser alle Gegenstände seiner Umgebung zurück: die leiseste Windwolke des Himmels, das niederraschelnde Blatt, den kreisenden Raubvogel. Auch diegrünen Meeraugen" der Karpathen können sich an Schönheit und Leuchtkraft mit diesem Zauberspiegel des Urwaldes nicht vergleichen, der an den pacifischen Küsten für die köstlichste Perle gilt. z. M.

*) In Peru können Dienstboten von hente auf morgen ihren Dienst kündigen und verlassen.