Heft 
(1897) 10
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Ueöer <Larid und Meer.

einer echten und gerechten Ehe gehörenden Eigenschaften der Frau. Das Hauptpostulat für eine ideal-glückliche Ehe im Sinne dieser Reformerinnen ist die völlige geistige Ebenbürtigkeit mit dem Manne,eine reine Sympathie ohne Sinnlichkeit". Dieses mit großen Worten und ebenso großen: Eifer vorgetragene Postulat ist geeignet, die bisher geltenden Auffassungen von den Bedingungen einer glück­lichen Ehe durchweg zu verwirren, die Gemüter ideal denkender und empfindender Frauen mit Sorge zu erfüllen, und dadurch der ganzen Bewegung bei ihrer gesunden Ent­wicklung in den Weg zu treten.

Es ist ja gewiß ein hohes Gnadengeschenk für einen gebildeten Mann, wenn er eine Frau besitzt mit lebhaften geistigen Interessen und vielseitiger, vertiefter Bildung, eine Frau, die mit Leonore im Tasso sprechen kann:

Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen.

Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen,"

aber jene eben erwähnte Forderung geht über dieses Maß weit hinaus, ist undurchführbar und unlogisch. Sie ist unlogisch, weil sie einen ungeheuerlichen Rigorismus statuiert, der jedes persönliche Bedürfnis, jede eigne Meinung über die Bedingungen wahren Eheglücks ausschließt, und alle Männer mit ihrem individuellen Empfinden und Bedürfnis unter eine und dieselbe Schablone zwingen würde; undurch­führbar ist sie, weil der Mann sich zu keiner Zeit und am allerwenigsten heute mit einer allgemeinen, wenn auch noch so umfassenden Geistesbildung begnügen darf, sondern sich in erster Linie mit dein zu beschäftigen hat, was ihm sein Beruf, sein Amt, seine bürgerliche Thätigkeit vorzeichnet. Wie die Ehefrau mit ihren weitreichenden, schweren Pflichten im Haushalt und in der Kindererziehung die geistige Ent­wicklung erreichen soll, nach der zum Beispiel die Vertreter der gelehrten Berufe zur würdigen Ausübung derselben durch unermüdetes Studium jeden Tags aufs neue streben müssen, wenn sie nicht rosten oder versumpfen wollen, das ist mir bei der Lektüre solcher propagandistischen Schriften trotz aller ihrer spitzfindigen Dialektik unverständ­lich geblieben. Mir scheint hier eine vielleicht unbewußte Unterschätzung des geistigen Rüstzeuges zu Grunde zu liegen, das gegenwärtig ein jeder auf geistigem, technischem oder gewerblichem Gebiete thätige Arbeiter besitzen muß; dann ist es aber im höchsten Grade verwunderlich, daß Gelehrte van Bedeutung und Ruf diesen völlig unfruchtbaren Ge­dankenspielen ihre Sympathie bezeugen und sie durch eigen­artige Beweisführungen zu stützen suchen. So weit darf die jedem gebildeten Alaune wohl anstehende Ritterlichkeit gegen das andre Geschlecht nicht gehen, daß er die Un­haltbarkeit gewisser theoretischer, nie zu verwirklichender Thesen acceptiert oder sie gar mit allen Mitteln zu ver­teidigen sucht.

Daß eine geistestüchtige Frau sich einigermaßen auf dem Arbeitsgebiete ihres Mannes orientiert, um seiner Thätigkeit mit möglichstem Verständnis zu folgen, ist natür­lich und wünschenswert; daß es ein unbedingtes Erfordernis einer glücklichen Ehe ist, scheint mir eine recht unsichere These zu sein; daß zu einer solchen Normalehe aber die völlige geistige Ebenbürtigkeit der Frau unbedingtes Er­fordernis fein soll, heißtein großes Wort gelassen aus­sprechen" und weiter nichts, denn einer solchen Forderung fehlt die Möglichkeit der Verwirklichung.

Es ist ganz gut, daß sich die Bühne bereits dieser Frage bemächtigt hat, und daß es ein feiner Kenner des menschlichen Herzens ist, der sie behandelt. Das betreffende Stück, das in England viel gegeben wird, heißtRiia ii6>v rvomurU (Die neue Frau), ist von Sydney Grundy und darf nicht verwechselt werden mit dem jüngst im Berliner Schauspielhause ausgeführten übermütigen Schwank von Rudolf Stratz, der sich ebenfallsDie neue Frau" nennt. Das Grundysche Stück behandelt das alte

Thema: ob die innige, hingebende Liebe einer einfachen Frau den gebildeten Mann glücklich machen und ihn das Leben hindurch fesseln kann, oder ob eine geistige Eben­bürtigkeit mitsinnlichkeitsloser Sympathie" die Vor­bedingung für eine glückliche Ehe ist. Ich kann hier auf den Inhalt des Stückes nicht näher eingehen und bemerke nur, daß die Vertreter der Frauenemanzipation in dem­selben natürlich den Standpunkt vertreten, daß die höhere Moral eine Liebesheirat verurteilen muß; sie werden aber durch die Macht der Thatsachen eines andern und besseren belehrt, indem ein junger Gelehrter, der sich in den Händen der Frauenrechtlerinnen befindet, durch die selbst­lose, innige Liebe eines einfachen Mädchens besiegt wird und sich mit ihr vermählt. Allerlei Ränke und Jntriguen werden angesponnen, um das junge Glück ernstlich zu stören; und als der junge Ehemann sich zu einer kleinen Untreue Hinreißen läßt, und die arme Getäuschte das Haus verläßt, scheint die Ehe ernstlich bedroht. Aber der Gatte bereut sein Vergehen ernstlich und ehrlich und gewinnt die Liebe seiner Frau wieder, die nun beweist, daß dieusw womun" die alte frühere Frau ist, die sich in der Wahl ihres Gatten nur durch die Liebe leiten ließ, und auch jetzt nichts andres sein will als das liebende, gehorsame Weib, die treue Genossin des Lebens in guten und bösen Tagen. Der Triumph der Emanzipierten war verfrüht.

Die Damen, die von Unterordnung, geistiger Ungleich­heit undMonarchie" in der Ehe nichts hören wollen, werdem diese»! Stücke, das hoffentlich auch bald zu uns kommt, ihren Beifall zweifellos versagen und nach wie vor treu zu ihren gewohnten SchlagwortenKnechtung, Un­mündigkeit und Abhängigkeit der Frauen in der Ehe" halten; sie werden aber nicht hindern können, daß das reine menschliche Empfinden in alle Ewigkeit siegen wird über sophistische Theorien, über gewisse entstellte christliche Lehren und über eine falsche Auffassung naturwissenschaft­licher Errungenschaften, die sich wie trübe Nebel um die Frauenfrage gelagert haben und den klaren Durchblick hindern. VonKnechtung und Unterwerfung" ist in einer gesunden Ehe nichts zu spüren, weil sie auf voller sittlicher Gleichberechtigung beruht und durch das gegenseitige Sichfügen und Sicheinleben das Band immer fester und zuverlässiger wird. Wo der eine Teil eifersüchtig über­feine angeblichen Rechte wacht und irgendwelche Unter­ordnung des andern beansprucht, da fehlt eben das sichere Fundament der Ehe, und da mag denn auch vonun­würdigem Verhältnis" oder von Lüge und Heuchelei ge­sprochen werden. Geistige Ungleichheit und Umebenbürtig­keit macht an sich keineswegs die Ehe zu einer unglücklichen oder unwürdigen, und denen, die das behaupten, kann man nur Mephistos bekanntes Wort entgegenhalten:

Wie magst du deine Rednerei

Nur gleich so hitzig übertreiben."

Die körperlichen Eigenschaften: Wuchs, Auge, Ton, Gebärde, Haltung und Lebensformen werden bei den Be­dingungen zu einer glücklichen Ehe gewiß stets eine her­vorragende Rolle spielen, aber von entscheidender Bedeutung sind sie erfahrungsmäßig nicht. Viel mehr fallen ins Gewicht herzliches und treues Anschließen, unbedingtes Vertrauen, liebevolles Eingehen auf das Wesen des andern, Seelengleichmaß, Herzenswärme und Nachsicht. Nicht die Ungleichheit der geistigen Bildung trägt das Unglück in die Ehe, sondern die Differenzen des seelischen Empfindens, der Gewohnheiten, der Weltanschauung. Daß dabei noch andre imponderable Faktoren Mitwirken können, unterliegt keinem Zweifel. Ueberdies ist durch nichts bewiesen, daß die feingebildete oder gargelehrte" Frau zugleich die beste und liebenswerteste Gattin oder die sorgsamste Mutter ist. Und wenn die beredten Wortführerinnen es auch in der Theorie behaupten, so steht doch immer noch die