Die Klje und die Arauenbewegung.
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zahlreich auftauchenden Jrrtümern nachgehen und sie ins rechte Licht stellen, um so allen Schädlichkeiten in dem naturgemäßen Fortschritt der Frauenfrage nach Kräften vorzubeugen. Jede scharfe oder gar persönliche Kritik ist dabei ausznschließen und auch entbehrlich, weil der Eingeweihte leicht die betreffenden Bezüge erkennen wird, für die weniger Kundigen aber nur die Sache selbst von Interesse sein kann.
Daß eine Frau von Leben und Welt durchschnittlich mehr Kenntnis hat als das Mädchen, kann unbedenklich zugegeben werden; daß das aber in allen Fällen für eine erfolgreiche Arbeit im Dienste der Franensrage von ausschlaggebender Bedeutung ist, vermag ich nicht einzusehen. Es giebt Arbeitsgebiete, aus denen jene Kenntnis von Welt und Leben durchaus entbehrlich ist; Gebiete, wo es sich lediglich um sachgemäßes Urteil, Energie und guten Willen handelt, und diese Eigenschaften finden wir bei den Mädchen in demselben Maße wie bei den Frauen. Und da bei dieser geforderten „Kenntnis" meistens auf die Beziehungen zwischen Mann und Frau hingewiesen wird, ja in einer mir vorliegenden Schrift sogar verlangt wird, daß die Mutter der Tochter vor der Entwicklungsperiode in diesen „Beziehungen" Unterweisungen „in naturgeschichtlicher Form" geben müsse, so will mir scheinen, daß jene Kenntnis in sehr vielen Fragen nicht nur entbehrlich, sondern sogar vom Uebel ist. Hier scheint die neuenglische Schule mit dem Durst der Frauen nach „lruonleäM" durchzuschimmern, und es ist dringlicher Grund zu der Befürchtung vorhanden, daß uusern heranblühenden deutschen Mädchen jene heikle Information selbst in „naturgeschichtlicher Form" nicht Zusagen wird; sie werden es empfinden, daß sie ihre jungfräuliche Reinheit und Unberührtheit schädigt.
Daß die Arbeit der Unverheirateten im Dienste der Allgemeinheit, ihr Streben nach Erweiternng ihrer Tätigkeit und Vertiefung ihrer geistigen, technischen und wirtschaftlichen Ausbildung eine opfervolle und schwere ist, sie nicht für ein glückliches Leben als Frau und Mutter entschädigen kann und ihr daher auch ernste Stunden und sogar zeitweise seelische Depressionen bringen wird, leuchtet jedem ein. Daß solche temporären Verstimmungen aber dauernde Verbitterungen zur Folge haben könnten, die allmählich in dem Mädchen das Weibliche verkümmern lassen und sie jener Eigenschaften berauben, die sie in erster Linie dem Manne liebens- und begehrenswert machen, möchte ich nur in sehr beschränktem Sinne unterschreiben. Allerdings hat der unverkennbare Segen, den auch die Arbeit der Unverheirateten ansströmt, eine gewisse natürliche Schranke an jenen: mehr oder minder fühlbaren Bewußtsein: von dem eigentlichen und vorbildlichen Frauenberuf ausgeschlossen zu sein; Stunden der Unbefriedigung und der Verzagtheit wird ihnen auch das eifrigste Erfassen ihrer Aufgaben, die treueste Hingabe an das Werk der Frauenbefreiung aus der Uuthätigkeit und den Banden des Vorurteils nicht fernhalten können. Das Gefühl der tiefinneren Befriedigung, der Harmonie mit sich und der Welt werden sie nur schwer oder niemals erringen. Denn dies beglückende Gefühl, diese psychische Lebenslust kann dem Weibe nur das Glück des Familienlebens, der Segen der Ehe und die Freude an der Erziehung und dem Gedeihen der Kinder geben. Gerade die weicheren und wärmeren Na- ' turen, die gern Liebe spenden und Liebe empfangen, werden an dem Entbehren der eignen Familie am schwersten zu tragen haben. Aber — und das kann nicht hoch genug angeschlagen werden — sie werden bei ihrer heilbringenden gemeinnützigen Arbeit die Lücke in ihrem Leben weniger empfinden, weniger das schmerzliche Heimweh haben nach eignem Herd und eigner Familie. Aus diesen und ähnlichen Erwägungen scheinen die zahlreichen Schriften ihren Ursprung herzuleiten, welche nur die Thätigkeit der ver
heirateten Frau in: Dienste des Geineinwohls anerkennen, aber kein freundliches Wort für die gemeinnützige Thätigkeit der Mädchen finden können.
Wenn eifrige Frauenrechtlerinnen jeden Beruf für verfehlt erklären, der die Frauen von der Ehe ausschließt, so drängt sich doch sofort die Frage auf, welcher Beruf denn eigentlich die Ehe gänzlich ausschließt und wer die Prüfung, ob ein bestimmter Beruf sich zur Ehe eignet oder nicht, in der Praxis übernehmen soll? Giebt es doch verheiratete Athletinnen und Kunstreiterinnen, und ist doch das Dreschen und Mähen in den ostelbischen Gegenden eine ganz gewöhnliche Beschäftigung der Frauen. Wollte nian nach dein allgemeinen Empfinden der Gegenwart diejenigen Berufsarten registrieren, die sür eine verheiratete Frau zulässig oder geeignet erscheine!:, so würde nach unsrer Schätzung die Zahl eine so kleine werden, daß die Aktien der Frauenbewegung recht tief in: Kurse fallen müßten. Ueberdies aber müßte doch nach allen Regeln der Logik zunächst die Hauptfrage erörtert werden, ob der Berns der Frau und Mutter sich überhaupt mit einem geschäftlichen Beruf verträgt, ob der eine nicht den andern wesentlich beschränkt oder gar ausschließt. Im Lager der Frauenrechtlerinnen selbst ist die Frage bisher ii: durchaus kontroversem Sinne beantwortet worden, und auf eine Einigung ist nach Lage der Sache nicht zu hoffen.
Vor einer hohen Auffassung des Frauen- und Mutter- beruses kann nach meiner Ansicht der geschäftliche Beruf nicht bestehen; er muß den schwierigen und vielseitigen Pflichten der Frau und Mutter besonders dann weichen, wenn sie hohe Ansprüche an sie stellt und die gewissenhafte Erziehung ihrer Kinder ihr wirkliche Herzenssache ist. An diesem Prinzip wird dadurch nichts gändert, daß es einzelnen willenskräftigen und bedeutenden Frauen wirklich gelingt, den ehelichen Beruf mit einen: geschäftlichen so zu vereinen, daß da oder dort kein allzu fühlbares Manko eintritt. Richtig ist, daß die „harte Drängerin, die Not," so manche Frau in den geschäftlichen Beruf hineintreibt, und daß diese dann in allen Ehren das Unmögliche möglich zu machen scheint; das aber schafft die Thatsache nicht aus der Welt, daß die Frau sich freudig ihrem eigentlichen und natürlichen Beruf ausschließlich zuwendet und von den: geschäftlichen nichts mehr wissen will, sobald sie sich vor dem Gespenst der Sorge gesichert weiß.
Wenn endlich immer aufs neue behauptet wird, daß die Forderung einer vollen Gleichstellung und Gleichberechtigung mit dem Mann in allen Fragen des Berufs und der Erziehung mir daraus zu erklären sei, daß die Frauenbewegung ursprünglich von solchen hervorgerufen wurde, die, mit Welt und Leben unbekannt, auf ihren Anspruch an Glück und Liebe verzichteten, so ist das durchaus den Thatsachen zuwiderlaufend. Die Forderung der vollen Gleichberechtigung ist durchaus neueren Datums — l'appskib visut 6u Mungsaut —, auf dem Programm der Frauenbewegung in ihren ursprünglichen Formen hat sie nicht gestanden, da dieses sich vorzugsweise mit der Ausdehnung der Erwerbsfähigkeit der Frauen beschäftigte und alle exaltierten Forderungen mit kluger Mäßigung fernhielt. Gerade die „Neuerei:" sind es, die es „gar so herrlich weit gebracht" haben, daß auf dein Brüsseler Frauenkongreß im August 1897 von einer eifrigen Verfechterin der vollen Gleichberechtigung die Teilnahme am Waffendienst mit einem einer besseren Sache würdigen Ernst verlangt wurde. Zur Ehre der Anwesenden muß festgestellt werden, daß der Forderung die allein richtige Antwort zu teil wurde: auf der einen Seite eisiges Schweigen, bei den andern eine ungezählte Menge guter oder schlechter Witze!
Von einer noch ernsteren Bedeutung ist die in weiten Kreisen der Frauenrechtlerinnen herrschende Auffassung von den notwendigen Bedingungen der Ehe und von den zu