Heft 
(1897) 10
Seite
48
Einzelbild herunterladen

48

Weber Land und Meer.

dem meinigen nachstreifte. Endlich erwischte ich ihn er hatte sich auf dem Gitter eines Vorgärtchens aus­gespießt.

Gleichzeitig schmetterte wieder etwas Unpassendes neben mir aufs Pflaster diesmal war's ein Dachfensterchen --, und so hielt ich es für ratsam, mich unter die nächste Hausthürnische zu flüchten. Und wie ich dastehe, mit meinem zerknüllten Hut in der einen und dem gewesenen Schirm in der andern Hand, merke ich erst, daß es ihre Hausthür ist. O Gott, denke ich, wenn sie dich nur wenigstens nicht auf dieser Hutjagd gesehen hat! Kaum Hab' ich's ausgedacht, so macht hinter mir schon ein Dienstmädchen die Thür auf und kichert ein wenig: eine Empfehlung von Frau Geheimrat, und ob ich mich nicht hinaus bemühen wolle, die Damen hätten mich kommen sehen, sie säßen gerade beim Thee. Na, ich sage dir, mit welchen Empfindungen ich dieser Einladung folgte! Wenigstens das übliche Einleitungsgespräch von: Wetter ergab sich ja diesmal von selbst. Die Frau Geheimrat ließ mich aber gar nicht zu Worte kommen. Nach dein ersten Blick auf meinen Zustand durchnäßt bis unter den Frack bestand sie daraus, daß ich mich zunächst in: Zimmer ihres Gatten mit Hilfe von dessen Kleiderschrank equipierte. Ich muß reizend ausgesehen haben, mein Schwiegervater in 8p6 ist, wie du gesehen hast, sehr ge­räumig angelegt, und ich kam mir in seiner Joppe un­gefähr vor wie eine Stahlfeder in: Tintenfaß. Aber es hals nichts; ich mußte heran an den Theetisch, Hedwig mußte mir eine Tasse Thee mit sehr viel Rum brauen, ach, ich hatte sie nie so entzückend gefunden wie hier in ihrem einfachen Hauskleid, in den: behaglichen, traulich warmen Zimmer, während draußen der Sturm prasselte, und ich mußte nur immer denken: Herrgott, wie sehe ich aus, und wie muß sie innerlich über mich lachen! Na, da kam es denn schon mehr wie Galgenhumor über mich, und ich glaube, wir waren schon in ziemlich angeregter Unterhaltung, als nach beendigten: Sturm auch der Haus­herr heimkam und mich in seiner Joppe vorfand. Gott sei Dank, der lacht wenigstens laut über dich, dachte ich; aber nachdem er ausgelacht hatte, beteuerte er, nun müsse ich auch den Abend dableiben. Ich sah ihn und seine Frau an, ich sah sie so ein wenig ängstlich von der Seite an, da wurde sie rot und sagte: ,Ach ja, das wäre schön, Herr Assessor!' na, und ich blieb. Nur daß ich nur wenigstens durch das Mädchen einen Rock aus meiner Wohnung holen ließ das war ich meiner Eitel­keit schuldig. Ach, wurde das ein schöner Abend! Und dann "

Kamst du sehr bald und oft wieder," ergänzte ich, und entschuldige, aber in zehn Minuten führt mein Zug also du erfuhrst, daß sie dich auch schon längst liebte"

Ja, weißt du," sagte er und blickte erinnerungsselig in seinen Römer,so rasch ging es doch nicht. Erst eines Abends es war drei Tage vor Himmelfahrtstag, da machte ich wieder mal einen Besuch, Herr und Frau Geheimrat waren abwesend na, es kann sein, daß ich das wußte. . . Und da höre ich, wie sie am Klavier sitzt und eben mit ihrer süßen Stimme singt:

,Er ist gekommen in Sturm und Regen,

Er hat genommen mein Herz verwegen. .

Da könnt' ich mich nicht mehr zwingen und trat un- gemeldet nach kurzem Klopfen ein... Sie fährt auf, wir sehen uns an . . . ich glaube nicht mal, daß ich ein Wort gesagt habe..."

Ist ja auch nicht nötig," versetzte ich aufstehend. Ein langer Blick des Verständnisses genügte euch, wie in den Wagnerschei: Opern... Und so wurdet ihr glücklich. Möchtet ihr es immer bleiben! Aber jetzt stoßen

wir also mit diesem letzten Glase an auf den, der euch doch eigentlich zusammengebracht hat. . . mit Sturmes­wehen, wie es sich für die echte Liebe schickt..."

Er nickte mir glücklich lächelnd zu, und die Römer klangen hell zusammen:Es lebe der große Sturm!"

M Miller!»:»: i« der KchiMrkWUM.

(Siehe die Abbildung Seite 12 und 13.)

KWit einer Reihe der gesürchtetsten Kletterpassagen finden 'L-Lv wir den Namen Georg Winklers verknüpft, jenes jungen Müncheners, der, eine der glänzendsten Erscheinungen in der Geschichte des Bergsports, ein leider allzufrühes Ende am Weißhorn bei Ermatt, vermutlich durch eine Lawine, gefunden hat. Bekannt ist seinen Freunden die unglaubliche Energie, mit der er seinen Körper zur Er­tragung aller Strapazen und Schwierigkeiten planmäßig abzuhärten wußte, und die eiserne Konsequenz, mit der er die Durchführung der vorgenoinmenen Aufgaben vorbereitete. Nicht leicht konnte ihm ein würdigeres Denkmal gesetzt werden als durch die Benennung des wildesten unter den Türmen von Vajolett in der Rosengartengruppe nach ihn:, der am 11. September 1887 zum erstenmal seinen sicheren Fuß aus die schmale Spitze dieser schwindelnden Zinne setzte. Mit Recht gilt diese 2807 Meter hohe Felssäule als schwierigster Gipfel in den Dolomiten Südtirols, und wenn gewisse Anstiege auf andre Gipfel als noch schlimmer ge­schätzt werden, so läßt sich dies nur durch eine größere Häufung gleichwertiger Schwierigkeiten erklären. Die zweite Ersteigung fand 1889 durch R. H. Schmitt und A. v. Krafft (ebenfalls führerlos) statt, und erst in neuerer Zeit (seit 1893) haben sich Führer gefunden, wie der berühmte Antonio Dimai, die mit entsprechend qualifizierten Kletterern die schlanke Dolomitsäule zu erklimmen wissen; sogar schon zweimal ist der so unnahbar erscheinende Gipfeltraversiert" worden, dessen gewöhnliche Erkletterung durch die dem Vajolettthal zugekehrte Südostseite stattsindet. lieber zum Teil senkrechte Wandstufen wird ein schwindelndes Band erreicht, von dessen Ende durch einen enorm schwierigen, teilweise über die freie Wand hinaushängenden Riß und eine Reihe kaum weniger schlimmer Kamine eine kleine Gratscharte und von du über die fast senkrechte Gratschneide und über einen kleinen Vorzacken der höchste Punkt erreicht wird. Dieser letzte Teil des Weges ist gut sichtbar, wenn man auf dem Wege zumGartl" von wo die Rosengarten­gruppe erklommen wird den sich scheinbar überschlagenden Felsturm erblickt; ein Bild, das auch in den Dolomiten zu den verwegensten gehört, die man in diesem an bizarren Nnturformen nicht armen Gebiet finden kann. P.

Am Meere.

j^ch steh' auf der Buhne, tief in den: Meer,

Da sprudelt und schäumt es um mich her.

Die Möwen sitzen auf glattem Stein,

Begleiten das Tosen mit klagendem Schrei'::.

Und wie es die Vögel zu schmettern zwingt,

Je lauter es um sie lärmt und klingt,

So singe auch ich in das wilde Gebraus Mit lauter Stimme ein Lied hinaus.

Der Sturmwind umweht mich; er reißt meinen lsut; Als wüchsen nur Schwingen, so ist mir zu Mut;

Und frei wird die Seele; was drückend und schwer, Versenk' ich in dich, o du heiliges Meer!

Elisabeth Messerschmitt.