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Die Kungersteine.
flüchtig die Palette, steckte die Pinsel in ein Täschchen. Dann stieg sie vor: ihrer Stellage herab, gab dem Diener Weisung, das Malgerät zusammenzustellen, und nahm ihr Mäntelchen um.
Hubert bemerkte zu spät, daß er ihr dabei hätte behilflich sein müssen. Indessen der stutzerhafte Kollege in der braunen Sammetjoppe war flinker als er gewesen.
„Pardon!" rief Hubert beschämt. Aber sie schüttelte flüchtig den Kopf, als lohne fich's nicht, wegen dieser Lappalie ein Wort zu verlieren.
„Kommen doch morgen wieder, gnädigstes Fräulein tz" fragte der Braunsammetne verbindlich.
„Vielleicht... ja, ich hoffe," sagte Lolo zerstreut.
Er verneigte sich, die Hacken zufammenfchlagend, den .Kopf auf bie Brust gesenkt. „Darf ich um verbindlichste Grüße an Herrn Vater und gnädige Frau bitten?"
„Danke, Herr Baron! Adieu!"
...Lu rovoir, gnädiges Fräulein!" rief er hinter ihr her.
„So," sagte sie zu Hubert, „nun kommen Sie ein Stückchen mit, nicht wahr? Ich Hab' mich nämlich wieder mal verspätet. Sie müssen mir noch sagen, wo Sie sich so lange verkrümelt haben. Sie waren ja wie von der Welt geblasen."
Das alles sagte sie ganz selbstverständlich herzlich, ohne Ziererei, ruhig und offen. Ihre schlanke, schöngebildete Gestalt ging an seiner Seite, behende und leicht. Ihre Kleidung, sehr einfach, ohne allen Schmuck, schien ihm das Xou glas ultra, von Eleganz. Bei jedem Schritt begleiteten sie das leise Rauschen des Seidensutters, des seidenen Unterkleides, ein feiner, unendlich einschmeichelnder Wohlgeruch.
Hubert wußte nicht, womit er's entschuldigen sollte, daß er seinen Besuch noch nicht wiederholt hatte. Er schwieg also. Sie sprach lebhaft weiter.
„Denken Sie, Papa ist zweimal bei Ihnen gewesen. Das erste Mal hat er seine Karte dagelassen. Die haben Sie doch bekommen?"
„Nein," sagte er. Es war ihm klar, eine Nachlässigkeit oder eher eine Bosheit der Wirtin steckte dahinter. Ties Weib, das er in seiner gereizten Stimmung ein paarmal unwirsch ungefähren hatte, rächte sich durch allerhand kleine Malicen.
„Nicht?" fragte Lolo ganz erstaunt. „Wie geht denn das zu?"
„Meine Wirtin, gnädiges Fräulein, verwöhnt mich nicht gerade durch Aufmerksamkeit."
Sie lachte Hell aus. „Nein," rief sie, „das muß ja ein wahrer Satan sein! Als Papa das zweite Mal nach Ihnen fragte, hat sie ihm die Thür vor der Nase zugeschmissen."
Huberts Stirn war dunkelrot geworden. Es kochte in ihm vor Empörung. „Das ist ja —" murmelte er.
„Ja, aber warum ziehen Sie denn da nicht aus?" fragte sie unschuldig und sah ihn mit weichen Blicken an.
Er hob die Schultern. „Ans verschiedenen Gründen, gnädiges Fräulein. Ich habe mich mm
mal an das Zimmer gewöhnt, ein Wechsel würde mich stören."
Sollte er ihr etwa sagen: Mein gutes Fräulein, ich habe Schulden bei dem alten Drachen und bin augenblicklich nicht bei Kasse?
Etwas unvermittelt fing er von ihrem Bilde an.
Er lobte es. Eine ganze Weile habe er schon gestanden und ihr zngesehn.
Nun war sie ganz Feuer und Flamme. „Nicht wahr, es ist ein herrlicher Kops? Wenn man sich so hineingräbt, möchte ich sagen ... so beim Kopieren, wo mar: alles nachempsinden muß, man kommt gar nicht ans dem Entzücken. Gott! Die breite Stirn, frei, rein, der üppige Mund, und doch herb,
Zugepreßt -- was Hab' ich mir bei dem Kopf nicht schon alles denken müssen! Ich Hab' mir eingebildet, daß sie unglücklich geworden ist — eben weil sie so charaktervoll aussieht. Die Leute haben es schwer —"
Ihm war die Schöne Zu kalt, zu stolz. „Ich ziehe die Venus drüben vor."
Sie hob in komischen: Entsetzen die Hände.
„Ums Himmels willen! Keine Götter! — Menschen!"
„Ei, warum keine Götter — wenn sie so schön sind?"
Sie lachte schelmisch. „Ja, wissen Sie, ich bin nämlich eine greuliche Ketzerin. Solche abstrakten Gesichter — nein! Eine Göttin der Liebe — stellen Sie sich das mal vor! Immer bloß lieben und schmachten und glühen — und keine Ausgabe, woran man sieht, daß man lebt!"
Sie sprühte wieder wie an: ersten Abend. Ihr ganzes Wesen war durchdrungen von edlem Feuer.
„Sehn Sie, wenn ich des Morgens ausstehe und möchte zehnerlei zugleich thnn ... o Gott!
Und dam: unter aller Arbeit kommt so ein Augenblick, wo man dem Leben so gewissermaßen aus den Grund sieht, wo man etwas zurücklegt für die Ewigkeit ... Ich Hab' es nie begriffen, daß die meisten Frauen eigentlich bloß von der Liebe und für die Liebe leben wollen."
Er hatte bei ihren Worten eine bittere Enttäuschung niederzukämpsen. Wochenlang hatte er sich eingeredet: .Du hast einen tiefen Eindruck ans sie gemacht? Und jetzt sagte er sich: ,Die hat bloß ihre Kunst im Kopf. An dich denkt die nicht?
Etwas in ihm wurde hart und kalt. Es war nicht bloß verletzte Eitelkeit, verwundeter Mannesstolz. Es war etwas Besseres: diesem Mädchen hatte er sein Höchstes dargeboten — dessen er noch Z
keine Frau würdig gehalten — und sie stieß ihn zurück!
Er war rachsüchtig. Nur wenn er eine Kränkung vergalt, kam er über das Gefühl der Erniedrigung fort. In seinen dunkeln Augen funkelte es sarkastisch, als sie gutmütig spottete: „Uebrigens Ihre Venus — na! So himmlisch sie gemalt ist — die hat ja ein Schafsnäschen und einen dummen Mund. Freilich, wenn eins sich immer bloß aufs Küssen spitzt — "
Er sah sie mit einem bösen Blick an. „Nudi- täten sind ja auch gewöhnlich nicht der Geschmack der Damen."
Sie blickte ihm ganz erstaunt ins Gesicht und wurde rot.