Heft 
(1897) 10
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Sagen vom Kaukasus,

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ihren Wert besitzen. Das Klavier befindet sich hier, an dein Richard Wagner Unterricht genoß; ein Taktstock, dessen er sich in Wien 1875 bediente, ist hier aufbewahrt, und als bedeutungsvolle Schätze des Hauses sind handschrift­liche Aufzeichnungen des Meisters ausgestellt, an denen das Museum sonst nicht gerade überreich ist, unter anderin die Korrekturen Richard Wagners in einer Rienzi-Partitnr. Mehr als einen Kuriositätswert hat auch der Steck­brief, der in der Zeit der Dresdener Revolution hinter Richard Wagner erlassen ward, und auch die Vermählungs­anzeige mit Frau Cosima möchte man in diesem Raume nicht missen. Die reichsten Wagner-Erinnerungen enthält neben diesem Hauptranme das Bayreuther Zimmer, insofern es den Gedanken an Wagners letztes großes Lebenswerk wieder und wieder weckt. Aufbewahrt ist hier der Feder- l Halter, mit dem der Meister den ,Ring des Nibelungeick ! niederschrieb; als künstlerisch hervorragender wiewagnerisch" i wertvoller Besitz ist an der Decke die Originalzeichnung zu ! Professor Robert Krauses Sgraffitogemälde angebracht, das ! über dem Eingang der Villa Wahnfried sich befindet.

Von den unzähligen Kleinigkeiten, auf die das Auge hier und in den andern Räumen trifft, wird man auch sonst das eine und das andre Stück mit Interesse betrachten, etiva die Theaterzettel für die ersten Aufführungen in Bay­reuth, die Totenmaske Richard Wagners, Cypresseu von seinem Grab oder Blüten der BayreutherFremdenindustrie", die Wagner-Papierservietten und ähnliche neuzeitliche Er­zeugnisse. Aber zu einem Richard Wagner-Gesamtbilde schließen sich alle diese Tausende von Kuriositäten doch nicht recht zusammen. In die Sammlung ist allzuviel hinein- ! bezogen, was ebensogut in jeder andern als einer Richard ^ Wagner-Sammlung Platz finden könnte. Weil Franz Liszts Name unzertrennlich mit dem Lebenswerke Richard Wagners verknüpft ist, hat der Begründer des Museums geglaubt, auch für Liszt im kleinen das leisten zu müssen, was er für Wagner im großen leisten wollte. Nicht nur Por­träts von Liszt aus allen Lebensaltern sieht man, sondern auch Abbildungen seines Geburtshauses, seiner Grabkapelle und eine Fülle von verschiedentlichsten Bildern, die mit Franz Liszt zu thun haben. Und weil der Name König Ludwigs II. von Bayern unzertrennlich mit den: Lebens­werke Richard Wagners verknüpft ist, glaubte der Begründer der Sammlung nun auch für König Ludwig das leisten zu müssen, was er für Richard Wagner leisten wollte. Er verschaffte sich seltene Porträts des Königs, Antographen von ihm, Münzen mit seinem Bildnis, sogar ein Fremden­buch von Hohenschwangau mit der Einzeichnung des Königs, ja noch mehr: er verleibte seiner Sammlung auch Porträts von Persönlichkeiten aus seiner Umgebung ein, wie das des Hoflnkaien Mayer um von andernKostbarkeiten" ganz zu schweigen. Und wie mit jenen beiden hervor­ragendsten Gestalten, denen man auf Richard Wagners Lebensweg begegnet, verfuhr er auch mit minder wichtigen nach derselben Methode; er sammelte Bilder über Bilder, von Sängern und Kritikern, von Persönlichkeiten Bayreuths, von Werken, in denen Wagnersche Werke künstlerisch be­handelt sind.

Alles das füllt jetzt die Wände und die Glaskasten in den einzelnen Zimmern des Richard Wagner-Museums. Nicht Mappen liegen aus, nicht Konvolute, sondern Stück für Stück ist einzeln ausgestellt, so daß der Besucher am Schlüsse seiner Wanderung, bei der ihm ein Bibliothek­zimmer mit Richard Wagner-Schriften genau zu betrachten erspart bleibt, eine schier unendliche Fülle der Gesichte mit­nimmt. Durch das Vestibül schreitet man, sieht eine Wotan­statue und eine Büste Fritz Reuters und weiß, wenn man wieder ins Freie gelangt, nicht recht, warum der Schöpfer der Nibelungen und der Meister norddeutschen Humors zusammenkommen mußten. Da schweift der Blick

lieber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 10.

in die Höhe empor: von der Villa Fritz Reuters, hart am Fuße der Wartburg, strebt man in die Höhe zu der Sängerhalle, die uns jetzt wiederklingt von Richard Wagners Weisen. Und von verschwimmenden Augenblicksbilderu wendet sich die Seele zur ewigen Herrlichkeit der Natur, die hier zu ihr spricht aus einem deutschen Märchenwaldreich.

Sagen vom Kaukasus.

Von

Gregor Aadian.

I.

Das Zauber Hemd.

In lieblicher Schöne war Aßly, des armenischen Priesters Damit Mayha Töchterlein, zur Jungfrau erblüht. Schlank war ihr Wuchs wie der Stamm einer jungen Pinie. Ihre Augen wetteiferten an Glanz und seelenvoller Tiefe mit dem Wasser des Beckens, in welches der Bergstrom, schäumend und brausend und glitzernde Perlen emporsprühend, sich er­goß. Dem Blütenblatt einer halb erschlossenen Rose glichen ihre Wangen, und den Rubinenmund umspielte ein traum­verlorenes Lächeln des Glückes.

So sah sie Kyaram, der junge Tatarenfürst, und sein Herz entbrannte in heißer Liebesglut zu der schönen Aßly. Tagelang lag er im Hinterhalt, den Eingang des Hauses, in welchem sie weilte, zu bewachen, und folgte ihr, wenn sie leichten Ganges mit wehendem Schleier, gefolgt von ihrer Dienerin, den Weg in die Stadt nahm.

Und eines Tages, als Damit Mayha fern war, fand Kyaram den Weg in dessen Haus, das unweit des Flusses, in der Mitte eines herrlichen Gartens, lag. In der offenen, mit den kostbarsten Teppichen belegten Halle, die das Vorhaus bildete, sah er Aßly und gestand ihr seine Liebe. Ihr Herz gehörte längst dem schönen Fürsten, und sein stürmisches Werben begegnete nur einem schwachen, bald besiegten Widerstand. Aßly gab Kyaram das Versprechen, ihm als sein Weib zu folgen, wenn der Vater den Bund ihrer Herzen segne.

Damit Mayha aber konnte nur Unglück für sich und sein Kind daraus entstehen sehen, wenn dieses der Familie, dem Volke und der Religion entfremdet, vielleicht gar dem Islam anheimfallen würde. Wohl war er ein mächtiger Zauberer, dessen geheimnisvolle Kräfte der Liebe Aßlys und Kyarams sich verderblich hätten erweisen mögen, aber zu fromm und gottesfürchtig, um sie in Anwendung zu bringen, die Liebenden zu trennen.

So entfloh er heimlich in verschwiegener Nacht mit den: geliebten Kinde in das Gebirge, um hier fortan in strenger Abgeschiedenheit das Leben eines Eremiten zu führen. Fürst Kyaram aber suchte vergebens nach dem geliebten Mädchen, und von Gram und Sehnsucht verzehrt, beschloß er, als Aschig*) verkleidet, sie zu suchen. So zieht er über Berg und Thal, durch die wogenden Steppen und die verschwiegenen Wälder und singt zu seiner Balalaika.

Ihr Blumen, wo ist die Holde geblieben?

Hat Mayhas Wille sie von euch getrieben?

Oder ist sie gestorben vor Herzeleid,

Und den süßesten Leib schmückt das Sterbekleid?

Ihr Bäume, ist sie vorübcrgekommen?

Dann flüstert Len Weg mir, den sie genommen.

Oder schautet ihr nimmer der Glieder Pracht Und der köstlichsten Augen funkelnde Nacht?

Ihr Seen mit euren plätschernden Wellen,

Die fröhlich schwatzend am Ufer zerschellen,

Ihr Flüsse müßt mir von Aßly sagen.

Denn zweifellos habt ihr Bild ihr getragen.

I Minnesänger.

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