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fürchtete schon, daß er ihn wieder mal auf längere Zeit verscheucht habe. Auf sein freundliches Herein zeigte sich aber ein fremdes Gesicht in der Thür — ein kräftiges, rundes, energisches Männergesicht, von einem kurzen, graugemischten Vollbart umrahmt. Der mächtige Schädel mit kurzgeschorenem silberglänzenden Haar wie mit einem dichten Fell bedeckt.
„Entschuldigen Sie," rief der Herr lebhaft, „aber es war keiner draußen, mich anzumelden. Da muß ich's schon selbst thun: Konsul Berghauer. Also Sie sind wirklich der Hubert Schwarz? Das freut
„Na, eigentlich einfache Kombination," erwiderte der Konsul. „Ich weiß, Sie leben hier. Sie sind ein Jugendfreund von Wede- kind. Außerdem — Sie sehen nicht aus wie ,alle Leutell Folglich war das Kunststück' nicht allzugroß. Na — und da Hab' ich mich gefreut, als der Wedekind mir Ihre Adresse geben konnte. Möchte Sie nun auch persönlich kennen lernen, nachdem ich mich jahrelang für Sie interessiert habe."
Er reichte Hubert die Hand, in einer unendlich einfachen, graden Art, bei allen guten Formen, die den Mann der besten Gesellschaft verrieten. Hubert fühlte sich warm berührt von der offenen Herzlichkeit des Mannes. Ja,
es beschämte ihn, daß dieser so viel Aeltere zu ihm gekommen war.
„Sie haben sich zu mir bemüht," sagte er. „Ich wohne leider sehr hoch und sehr schlecht —"
„Macht nichts! Meine Beine sind, gottlob, noch gut im stände. Wenn Man was Besonderes sehn will, muß man sich tummeln. Bin voriges Jahr erst noch ans den Vesuv geklettert, zum drittenmal. Und hier komm' ich ja auch so gewissermaßen zu einem Vulkan. Hab' eine Eruption von Ihnen erlebt ... in Berlin . . ., daß mir heiß und kalt wurde. . . davon später. Der Wedekind übrigens wollt' erst nicht
mich ganz ungemein. Da Hab' ich mich doch neulich abends nicht getäuscht, als ich Sie mit unserm Freunde Wedekind unter der Straßenlaterne stehn sah. Sieh dir den an, Lolo, Hab' ich Zu meiner Tochter gesagt, das ist der Dichter der ,Buße'."
Dabei hatte sich der Konsul ungeniert den „Griechischen" herangezogen und ohne weiteres Zermouiell darauf Platz genommen. „Sie erlauben," warf er nur hin, schlug die Beine übereinander und öffnete den Pelz über der Brust. Seine Kleidung war bequem und ohne jede gesuchte Eleganz, aber vom feinsten Stoff.
„Ein merkwürdiges psychologisches Kunststück," sagte Hubert, der zu spät einsah, daß er einen Fehler gemacht, indem er dem Gast nicht gleich einen Stuhl angeboten hatte. Aber das Bewußtsein der armseligen Umgebung, die Beschämung über die Unordnung hatten ihn im ersten Augenblick sprachlos gemacht.