Heft 
(1898) 12
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Aeber Land und Weer.

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der Schnee auf den Bergen weckte uns zuweilen die Weihnachtsgefühle. Die Sonne und der See lächelten Frühling. Den Abend feierten wir in Torbole. Tamanini, der italienische Arzt, präsidierte. Der Schneider des Ortes fang mit wohlgeschulter Stimme Volkslieder, auf der Guitarre begleitet von dem grauen, schweigsamen Polidoro, dem Südfrüchtehändler. Der Asti perlte. Der literarische Chef ging mit leuchtenden Augen und vollem Kelch zu jedem, um die Nagelprobe zu trinken. Um ein Uhr ver­siegte der Asti wir verlangten nach dem feurigsten Tiroler. Der schwarzlockige Jüngling entschlief, und der Chef begann, die italienischen Melodien mitzusummen, bis sie leiserund leiser

Kielwelle des Dampfers, welche die Wasser an der Quai­mauer wild emporzischen läßt. An der Piazza eine farben­frohe, schwatzende Menge. Der Ort, einer der bedeutendsten am Ostufer, war früher ein Hauptstützpunkt der venetia- nischen Macht am See, deren Galeeren ihn bis Riva furchten. Jetzt ist das Schloß eine Zollwächterkaserne, und nur Ruinen gernahnen im Orte selbst an den einst allmäch­tigen Löwen von San Mareo. Arm und verfallen ist er wie all die italienischer: Nachbarn; rrur wenn die vornehmen Villen ihre Jalousien öffnen und die Parks voll südlicher Gewächse sich den reichen Nobili anfthun, scheint ein Schimmer von dem alten Glanze an den Gardasee zurück­zukehren es ist nur Schein!

unten züchtigte oder schützte nach Gefallen. Manchen ist diese Erinnerung zu feudal sie steigen den Olivenhügel hinan bis zu eirrem merkwürdigeren Bauwerk den Bädern des Catull. Wo der immergrüne Hügel in schroff ab­fallenden: Fels in den See hinausspringt, heben sich aus den: Oliveirwalde die gigantischen Trümmer. Verfallene Gewölbe rnit grünüberwucherten Bogen, riesige Säle, Stützpfeiler, Mauerwerk tief unten ein Gewirr unter­irdischer Gänge: das ist hier die mächtigste Erinnerung an das Römertum; ob's eine Riesentherme war, die zu einer zerstörter: Villa von märchenhafter Pracht gehörte, oder ein öffentliches Bad, die Schwefelquellen dienst­bar zu machen, welche jetzt einen Kilometer weiter mitten

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wurden und er auch verstummte. Ich hatte mich geschont. Der Maler aber hielt mannhaft aus bei Gesang und Guitarrenklang, die letzte Säule unter den Italienern, die des Zechens so kundig waren wie wenig Deutsche. Er ver­mochte sogar noch dem Doktor zu lauschen, der, vor: Be­geisterung hingerissen, mit pathetischer Geste und hallender Stimnre eine Scene aus Dante deklamierte. Dann kan: der schwarze Kaffee. Ich erlebte ihn nicht mehr... Am frühen Morgen wollten wir nach Malcesine.

Aus diesem Morgen wurde Mittag. Die Sonne lag in heißer Glut auf dem See. Das leuchtend blaue Wasser schäumte unter der Bora zu weißen Wellenkämmen empor, doch an der Landungsstelle wiegte sich träumerisch das Boot auf der krystallhellen Flut, so wunderbar klar bis auf den Felsgrund, daß das Schiffchen in der Luft zu schweben schien. Am Monte Baldo entlang ging die Fahrt. Nur ein mühseliger Saumpfad führt da am schroffen Felsenhang. Italienische Fischerdörfer glitten vorüber, eingepreßt zwischen den steilen Olivengärter: und dem blauen See. Er beginnt sich zu weiten; zögernd weichen die hohen Bergwände zurück. Aus vorspringender Felsplatte hebt sich eine zinnengekrönte Feste. Es ist das alte Venetianerkastell von Malcesine, um das die hohen grauen Häuser des italienischen Ortes sich drängen, eingehegt von emporsteigenden Olivenwäldern und weiten Parks mit den weißen, geschlossenen Palast­villen der Veroneser Aristokratie. In einen geräumigen Hafen fährt der Dampfer. Segelbarken mit rotgelbem Takelwerk, Ruderboote mit Sonnendach, geschaukelt vor: der

Immer weiter beginnt sich der See auszubuchten Lorri Garda

Bardolino..-. In fairstem Hange fällt der Monte Baldo zur leichtgewellten Ebene ab. Auch drüben aus dem Westufer weichen die Felsenhöher: immer weiter zurück. Kaum ist's noch ein See; wie das Meer fluten die tiefblauen Wasser. Was, wie manche glauben, der See früher gewesen sei, ehe ihn Moränestürze abschnitten: eine riesige Bucht des Adriatischen Meeres, das glaubt der Gardasahrer hier gern.

Aber den vollen Eindruck des Meeres, das seine Bucht bis tief in das Herz der Alpen schickt hat mar: erst von Sirmione. Da, wo der See sich am mächtigsten weitet und mit dem Horizonte der lombardischen Ebene sich zu mischen scheint, streckt sich eine schmale Landzunge weit in die Azurwogen. Ein Olivenhügel schließt die Halbinsel gegen den See ab. An diesen Hügel lagert sich das Fischerdorf, über­ragt von einem Riesenkastell der Skaliger einst Veronas mächtigstes Geschlecht. Bis an die uralten Mauern

spülen die Seewaffer. Aber der kleine Hafen ist versandet, Schilf drängt sich hervor. Einsam liegt die Burg, in deren Höfen einst der Tritt vieler Reisigen wiederhallte, von deren Zinnen das Fanal weithin über den See leuchtete. Die ganze Wucht, die Düsternis des Mittelalters ruht

Villa des Catull".

im See sprudeln wer weiß es? Die Überlieferung meldet, daß sich hier ein Lusthaus des römischen Dichters Catull erhoben habe, der Sirmione im Liede als die Krone der Halbinseln preist. Wer hat recht! ? Auf der Felswand stehend, schauten wir fast geblendet über die märchenhaft blaue Flut, die tief, leuchtend dem Meere gleich sich breitet und in die Hochalpengipsel sich gesprengt zu haben scheint mit derselben schaumgekrönten Brandungs­welle, die auch jetzt, im Sonnengölde plätschernd, blauäugig den Fels von Sirmione benagt.

Von den Hesperidengürten des Westufers ein andermal!