Heft 
(1898) 14
Seite
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Ueöer Land und Meer.

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Weihnachten am Gardasee.

Von

Johannes Richard Zur Mgede.

Mit Abbildungen nach Aquarellen von Wilhelm Hoffmann.

II.

Die Westküste.

rvar um die Jahreswende, als wir wieder in See ^ stachen. Eine Woche schon hatte uns die milde Sonne gelächelt. So um die Mittagszeit sich schläferig auf grüuem Haug alt der Eatullvilla hiuzustreckeu und in den leuchtend blauen See zu blinzeln, der mit sanfter Welle den lichtumflosseueu Fels kost viel Schöneres giebt's nicht! Die Halb­insel Sirmione ist ein Paradies für Träumer. Uns aber gelüstete es bei der langen Siesta nach einem wilden, wogenden Garda, nach dem Meeresbrausen, das schon Virgil iit den Georgien malt. Heute ward uns auch das. Als das schwere Ruderboot vom knirschen­den Ufersande abstieß, beugte eine das riesige, braune Schilf, das die flache Bucht hier nmsäumt.

Die Seewelle lächelte nicht mehr im flimmernden, warmen Blau. Es war der harte, kalte Stahl­glanz, der über den breiten Wogen blitzte. Auch die Sonne wärmte nicht.

Purpurn, mit stechendem Glanze hing sie über der lombardischen Ebene; herbstklar, kühl dehnte sich die. Der Blick schweifte weit. Scharf hob sich die zackige Steilwand der Westküste mit weißen Schneegipfeln dagegen.

Gebirge grau und rissig in den See zu stürzen schien, sollte das goldene

schleuderte den Kahn fast an das Fallreep des

Dampfers. Aber die Gardaschiffer find keine schlechten See­lente, und wir kamen unbeschädigt an Deck. Das Schiff dampfte weiter. Ueberall schwere Wogen, weiße, zerstiebende Schnumkämme! Der Dampfer zerschnitt mit scharfem Kiel die Wasser, wo ihn aber die Seen von der Seite packten, rissen sie ihn empor, ließen ihn fallen, von Wellenberg zu Wellenthal in wildem Spiel -- tosend, schäumend wie das Meer. Die Ebene begann sich in sanfter Hügelwelle zu heben mit großen reichen Dörfern am Hang, grauen Oliven­gärten darüber. Dann sprang der scharfgebogene Doppel­fels des Kap Manerba hervor, die Gischtwelle der Bran­dung peitschte den Strand. Man konnte weithin den weißen Streif sehen bis znm seltsam gefärbten Felsufer bei San Felice. Der kleinen Landzunge gegenüber, durch einen schmalen, tiefen See-Arm getrennt, stieg jetzt deutlich sichtbar die langgestreckte Jsola Leechi auf, ein Felseiland,

grüngesänmt, mit breiten, alten Pinien und düstern, hohen Cypressen, zwischen denen Schloß und Terrassengärten her- vorschanen.

Hier wurden wir ansgebootet. Der Mater brachte seinen Farbenkasten und seinen wasserdichten Wettermantel ans rettende Ufer, das auch der literarische Chef in kühnem Sprung erreichte. Der schwarzlockige Freund schreckte nervös zusammen, als das Boot heftig schwankte und ich fiel hinein. Niemand pflegt Splvestertags im Garda zu baden. Ich ward dem See fast gram, weil solchem Bad ge­meinhin der norddeutsche Schnupfen und das Hohngelächter zn folgen pflegt. Der Schnupfen kan: nicht. . .

Die Jsola Leechi hat ihre Geschichte.- Der heilige Franz von Assisi errichtete hier ein Kloster ans den Trümmern desselben steht jetzt das Schloß der herzoglichen Familie Ferrari. Und auch nicht zu finsterer Mönchsbnße scheint das paradiesische Eiland geschaffen, weit mehr zn einer fürstlichen Einsiedelei. Ein immer­grüner Miniaturpark ist

schlnngenen Kieswegen zwischen seltenen Bäumen fremder Länder, mit duf­tenden Frucht- und Blu- menterrasfe.n, auf der die Produkte Siziliens reifen, mit einem Fürstenschloß ans zinnenbewehrter Ter- r - , raffe, ein bizarrer Bau,

halb köstliche Ruine, halb englisches Landhaus. Und während die Welle gegen den Fels brandete und die Pinien rauschten, schien eine warme Lenzsonne hier auf grünen Nasen, auf

das ein schillernder Pfau spazierte, und ans goldene Orangen, die aber gar kein Gelüste nach Sylvester- pnnsch weckten. Und wenn man ans schmaler Fels­treppe wenige Fuß höher steigt, so grüßen blitzende Schneehöhen herüber,