Heft 
(1898) 14
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Ueöer Land und Weer.

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darunter hochklimmende Olivenwälder, Weinberge eine im Sommer strotzende nnd anch jetzt im Winter noch sattgrüne Vegetation. Da streckt sich znm Greifen nahe die malerisch zer­rissene Westküste mit einer kanm unterbrochenen, weißen Häuserreihe den ganzen Strand entlang von Salo, Gardone, Fasan» bis Maderno, Toscolano, Gargnano; das sind die Gärten der Hesperiden, die üppigen Rivieren des Gardasees mit den wärmsten Orten Ober­italiens in windgeschützter blauer Bucht, durch vorspringende grüne Landzungen verdeckt und verbunden zugleich.

Der wogende Garda wollte es nicht, daß sein schönstes Uferjuwel uns in herbstlicher Kühle erschiene, wie er uns Sirmione zum Abschied heute gezeigt hatte. Um Mittag strahlte wieder südliche Sonne über den glitzernden, warmblanen Wassern. Die Wogen waren zu anmutiger Welle zusanunengeschrnmpst. Der blaue Riese, der am Frühmorgen unser Dampsboot empört Woge aus, Woge ab geschlendert hätte, wußte nichts mehr von seinen: Groll. Als wir nach­mittags nach der Bucht von Salo ruderten, stöhnten wir ein wenig über die Wärme. Salo ist Stadt, italienisch; wunderbar malerisch mit den Erkern, Winkeln, Balkonen - - mit dem Schmutz, den Farben, der Wärme des Südens steigt es direkt aus dem See. Ans der Piazza wieder der schwatzende italienische Müßiggang, die hübschen, matten Männergesichter, die verlumpte, bettelnde Jugend, die gelben, mürrischen, srühalten Frauen.

Wir wollten Salo rasch absolvieren. Aber wie dem Maler beikommen, der gegen seine Gewohnheit in verfallene Höfe nnd alte Portale kroch und stets mit begeisterter blinkender Brille znrückkehrte:Sehen Sie, der morsche Thorbogen steht famos drin! . . .

Das gelbe Kopftuch von dem alten Weibe ist sein in der Farbe! ?" Endlich lenkten wir ^ ihn sänftiglich nach einer verräucherten Trattoria, wo italienische Arbeiter, malerisch zerlumpt, sich am Riesenkamin wärmten, nnd zähmten seinen Enthusiasmus mit dem

nnd dann thalabwärts denn Fuße der Alpen znstrebend Brescia zu erreichen, die Stadt der Brunnen und der Waffen, nach Mailand das reichste Jndnstriecentrnm in der Lombardei. Dann schritten wir znm düstern Stadtthore hinaus.

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Eine aufgeschüttete Promenade führt von hier bis nach Fasano, dem Ziel unsrer Tagestonr. Ein schöner Weg mit Durchblicken ans den See, die Insel, den Monte Baldo-Bnckel drüben. Ltarüone elimntien Klimatischer Kurort ver­künden italienisch und deutsch die Weg­

weiser. Aber wie alles mit Bitterkeit gemengt ist ans dieser Erde, so ist anch dieser wunderschöne Pfad, sonnig, windstill, mn Olivenhang ein Pfad des Leidens. Deutschland schickt seine Rekon- valescenten, seine Kranken, seine Sterbenden gern an diese Riviera zur Genesung die einen, znm langsameren Tod die andern. Ans dieser Kurpromenade sieht man um Mittag stets die Kranken mit der hektischen Röte nnd den glänzenden Augen, dieser trügerischen Gesundheit, die der schleichende Gang nnd der kurze Husten so sehr Lügen strafen. Und die der Fuß nicht mehr

trügt, die liegen ans Kränkenstühlen im Garten des großen Gardonehotels. Ein köstliches Stück

Vegetation bietet dieser schmale Uferstreisen vor dem palastartigen Ban. Ter schlanke Schaft der Palme, die dicken Niesenblätter mannshoher Agaven, Zedern, seltenes Gesträuch zaubern ans dieser Seeterrasse einen ewigen Frühling hervor. Die Sonne scheint so warm, die Seewelle glitzert so freundlich, die dem Tode Geweihten saugen gierig neue Leidenskraft aus der reinen, balsa­mischen Lust. Das langsame Sterben in dieser Natur hat etwas Grausiges. Und etwas davon teilt sich anch dem engstraßigen Gardone selbst mit. Ein Ort, der großenteils vom

Leiden und vom Sterben Fremder lebt, hat für mich eine kalte Sonne anch im Süden.

Doch wer eine Nen- jahrsreise thnt, ver­bittert sich den Syl-

Stimmnng. Drum ließen wir Gardone hinter uns nnd schlugen uns gen Fasano, kaum einen Büchsenschuß da­von. Dort sollte, laut Reisehandbuch,Albergo Gigola der Tugenden viele nnd der Fehler

es uns hier wohl sein. Ein peinlich sauberes, gemütliches Hans, eine sonnige Terrasse, keine Kranken, keine Kellner eine blonde Ita­lienerin, die als Wirts­töchterlein die Hon­neurs machte.Mit det Essen jeht et aber een wahrer Ekel

kandungsbrücke in Riva. nachdenklich im reinsten