Heft 
(1898) 20
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Ueber Land und Meer.

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hinter demselben betreten darf. Während des Schießens ist es verboten, die Schußlinie und einen wenigstens 200 Meter über sie hinaus gelegenen Raum zu durchbrechen,

werden. Es kommt sogar häufig vor, daß durch eine Un­geschicklichkeit beim Zielen ein Geschoß an unrichtiger Stelle explodiert und den Wald in Brand steckt, der nur allzuoft durch einen unglücklichen Artilleristen in seinem Bestände geschädigt wird.

Trotz der großen Gefahr lassen sich nicht selten Neu­gierige ans Interesse, das sie an der Schule nehmen, dazu verleiten, sich still bis mitten in das Gebüsch hinein zu schleichen, wo sie dann unbemerkt die verheerenden Wir-

der'sich erwischen läßt! Er wird nach der Stadt gebracht und erhält oft seine Freiheit erst nach mehrtägiger Haft wieder, besonders, wenn er keinemildernden Umstände" für sich geltend machen kann.

Nach jeder Uebung kehren die mit dem Range von Unterlieutenants bekleideten Kriegsschüler, von den ihnen

weise wie gewöhnliche Soldaten, teils zu Fuß, teils zu Pferde, teils ans den Protzkasten der Geschütze nach den Kasernen zurück.

Alljährlich veranstaltet die Schule während der besseren Jahreszeit nächtliche Schießübungen, zu denen eingeladen zu werden bei den Einwohnern der Stadt als eine hohe Be­vorzugung gilt. Die Verwandten und Freunde der Schüler und ihrer Lehrer wohnen denselben in großer Anzahl bei.

geladenen Gäste bestimmt sind.

Angeseuert durch die Komplimente der anwesenden jungen Damen suchen die Kriegsschüler sich beim Richten ihrer Geschütze an Geschicklichkeit gegenseitig zu überbieten. Die Batterie bietet im Scheine des elektrischen Lichtes einen äußerst malerischen Anblick dar inmitten der eleganten Toiletten der Damen, die die großen Belagerungsgeschütze umstehen und jedesmal znsammensahren, wenn der Donner ihrer Entladungen die Luft erschüttert.

Wenn die vorgeschriebenen Schießübungen zu Ende sind, folgt in der Regel zur Unterhaltung der Gäste ein so­genanntes Lichtschießen, das heißt eine Beleuchtung der Umgegend vom Schießstande aus, aber nicht durch elektrische

Belagerungsmörser geschleudert werden.

Es ist das ein Mörser von 220 Millimeter Durch­messer, der im Jahre 1880 Angeführt worden ist; seine Tragweite beträgt bei einer Erhebung von etwa 44 Grad 5500 Meter. Dieser Fenerschlund, aus dem die Licht­bomben entsendet werden, und der speziell aus das Schießen unter großem Erhebungswinkel berechnet ist, hat im Ver­hältnis zu seinem Kaliber eine weit gedrungenere Gestalt als die gewöhnlichen Belagerungsgeschütze. Die deutsche Artillerie besitzt übrigens ein ähnliches Geschütz in ihrem Mörser von 210 Milli­meter Durchmesser. Die Lafette besteht aus Metall und trügt mit Rücksicht aus das beträchtliche Gewicht des Geschosses eine be­sondere Ladevorrichtuug.

Das Gesamtgewicht des Geschützes beträgt ein­schließlich der Lafette 4700 Kilo, zur Bedienung sind sechs Mann erforderlich.

Soviel wir wissen, unterbreitete im Jahre 1874

einen Plan, nachrs" durch Leuchtgeschosse die feind­lichen Arbeiten vor einem belagerten Platz aufzn- hellen; es wurden an ver­schiedenen Orten Versuche angestellt, allein mit dem alten glatten Mörser konnten die Leuchtgeschosse nicht weit genug geschleudert werden; man glaubte daher warten zu sollen, bis man einen Mörser gefunden habe, der im stände sei, die leuchtende Bombe auf größere Ent­fernungen hinauszutragen.

Als aber der gewünschte Mörser gefunden war, das heißt der von 220 Milli­meter Durchmesser, war es zu spät; die Wissen­schaft hatte inzwischen den elektrischen Scheinwerfer ge­bracht, und als dieser in der Armee zu allgemeiner

Annahme kam, hatte die Leuchtbombe ihre Existenzberech­tigung eingebüßt.

Die Erfindung, um die es sich handelte, war übrigens interessant; es hatte mit ihr folgende Bewandtnis:

Zunächst gab es eine Fallschirmbombe. Sie besteht aus einem leichten und sehr dünnen eisernen Hohlgeschoß, das mit einer Art Fallschirm aus starkem Seidenstoff um­hüllt ist und einen Leuchtstoff enthält, dessen Leuchtkraft sich mit der des Hydro-Oxygengases vergleichen läßt. Wenn das Geschoß in dem der Entfernung entsprechenden Winkel fort­geschleudert wird, treibt es durch eine besondere Vorrichtung den Fallschirm an, der sich nun entfaltet und den Apparat etwa 30 Meter über dem Boden in der Schwebe hält, während zugleich durch eine weitere Vorrichtung eine Zünd­schnur die in der Bombe enthaltene Leuchtmasse entzündet, die nun auf eine Kreisfläche von etwa 60 Meter Durch­messer ein sehr Helles und intensives Licht fallen läßt. Der Fallschirm übernimmt zugleich die Funktion eines Lichtschirms, indem er die zwecklose seitliche Ausbreitung des Lichtes ver­hindert und dasselbe ans eine bestimmte Fläche konzentriert.

Der Apparat schwebt in der Luft und senkt sich langsam herab. Er beleuchtet zwei bis drei Minuten lang das unter ihm gelegene Gelände; wie der Erfinder meinte, sollte dadurch Gelegenheit geboten werden, sich während der Nacht von dem Fortschritt der feindlichen Belagerungsarbeiten oder der etwaigen Ankunft eines neuen Truppenteils

naive Idee, denn um dem Geschoß die er­forderliche Richtung zu geben, hätte man zunächst wissen müssen, an welcher Stelle in der betreffenden Nacht der Feind niit seinen

stattfinden werde, Thatsachen, über die man doch in der Regel keine Kenntnis zu seinen Gegnern gelangen läßt.

Ein andrer Apparat war die sogenannte explodierende Leuchtbombe. Dieselbe wurde

beiten geworfen und sollte einen doppelten Zweck erfüllen. Beim Aufschlagen entzündete eine besondere Vorrichtung den in ihr ent­haltenen Leuchtstoff, der nun das Gelände im Umkreis von etwa 30 Metern erhellte; war er bis auf die Explosionsmasse ab­gebrannt, so setzte er diese in Brand, und die Bombe platzte, ihre Splitter wagerecht nach allen Richtungen hin entsendend. Der Erfinder schlug vor, die Bombe mit un­gleicher Leuchtdauer anzufertigen, um dem

da er, im Ungewissen darüber, wann das Licht erloschen und die Explosion erfolgen werde, sich hüten werde, näher heran­zutreten und etwa einen Loschversuch

oder ein beherzter Mann finden, der sich, seines Lebens nicht achtend und nur ans die Rettung seiner Kameraden bedacht, auf das höllische Geschoß stürzte, um es zum Verlöschen zu bringen? Und würde es dem Feind, wenn

ein Leichtes sein, tragbare Löschvorrichtungen mit sich zu führen, deren Wasserstrahl der so schrecklich thuenden Bombe auf einmal das Lebenslicht ansbliese?

Alle diese Bedenken wurden von der Prüfungskommission geltend gemacht und die Erfindung zurückgewiesen. Man bedient sich ihrer nur noch von Zeit zu Zeit als einer harmlosen Spielerei, und so ist ihr denn auch eine Rolle bei den Festlichkeiten der Kriegsschüler zugewiesen. Die Lichtbomben bilden das Erstaunen der gaffenden Menge, die ihnen lauten Beifall spendet, und die Kriegsschüler lassen sich, als handle es sich um die ernsthafteste Sache, gern die Komplimente ihrer reizenden Zuschauerinnen ge­fallen, auf die sie stets mit Sicherheit rechnen können.

Z

1898 (Vd. 79).

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