Heft 
(1898) 26
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Meber Land und Meer.

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Den besten Blick aufs Schloß hat man von der kleinen Anhöhe jenseits des Fahrdamms, auf der die stolze Hirsch­gruppe steht, die dein Fürsten zu seinem achtzigsten Geburts­tage geschenkt wurde. Je weiter man hinter dem Schlosse in den Wald eindringt, um so schöner und romantischer wird er. Kaum vermag die Sonne durch das dichte Ge­zweig der Buchen und Eichen zu dringen, oder sie malt zitternde Lichter auf die zarten Birkenstämme; dann wieder weitet sich der Wald: eine einzelne riesige Eiche ragt kühn und trotzig empor und hat durch ihr eignes mächtiges Wachs­tum ringsum alles andre Wachstum verhindert. Und wenn man bei hereinbrechender Dämmerung durch das geheimnis­volle Dunkel des Waldes schreitet, so denkt man gern all der wunderlichen Sagen von verliebten Gräfinnen, treuen Knappen, kühnen Räubern, all der Märchen, die, von Mund zu Mund überliefert, an dem Sachsenwald haften. Und heimlich denken wir wohl, daß bei den späteren Geschlech­tern besonders häufig eine Sage wiederkehren wird von einem hohen, reckenhaften Mann, der oft grollend und miß­mutig, zürnend und weltverachtend in dem Waldesdunkel gewandelt ist, bis sein Herz unter den alten, knorrigen Eichen, die so sehr seinem eignen Ich glichen, den seelischen Frieden fand. Unzertrennlich wird für alle kommenden Generationen der Name des Sachsenwaldes mit dem Otto von Bismarcks verknüpft sein! H. H-x.

Der planet Jupiter

sin größter Erdnähe am 26. Akärz 1898).

Blick gegen den Osthimmel richtet, so wird nian von dem mächtigen Glanze eines Sternes getroffen, der mit jedem Abend intensiver wird.

Dieser Stern ist der Jupiter.

Seine Größe, beziehungsweise sein Rauminhalt übertrifft den der Erde um das 1334fache.

Dagegen ist er stofflich von so zarter Struktur, daß feine Dichtheit zu derjenigen der Erde sich verhält wie 0,2 zu 1.

Was an Jupiter wie ein Wunder erscheint und den Astrophysikern zu vielfachen Hypothesen Anlaß giebt, das ist seine Leuchtkraft, das Vermögen, das Licht der Sonne in größerer Fülle zurückzugeben, als er es empfängt. Auf Jupiter leuchtet die Sonne 26mal schwächer als auf der Erde und 15 mal schwächer als auf Mars. Der Planet wäre für uns kaum sichtbar, wenn er die Reflexionsfähig­keit der Erde oder des Mars hätte. Aber er strahlt in geradezu dämonischem Feuer und übertrifft an Glanz sämt­liche Sterne erster Größe des Firmamentes. Woher diese Fülle von Licht? Einige Astronomen meinen, daß Jupiter nicht bloß mit dem von der Sonne erborgten Lichte strahle, sondern auch eignes Licht aussende; allein die photometrischen Helligkeitsmeffnngen Professor Müllers bestätigen dies nicht. Es kann aber auch, wie Dr. Bidschof meint, möglich sein, daß die Menge des Eigenlichtes Jupiters viel zu gering ist, um auf photometrischem Wege nachgewiesen werden zu können. Uebrigens existiert eine von H. Draper am 27. September 1879 gemachte photographische Aufnahme des Jupiterspektrums, welche die Annahme zuläßt, daß die Aequatorgegenden des Planeten damals eignes Licht aus­strahlten. Spätere Untersuchungen durch Geheimrat Vogel haben ergeben, daß im Spektrum Jupiters außer den tellnrischen Linien noch ein dunkles Band sich zeigte, welches Spektrum in der Erdatmosphäre nicht vorkommt. Aus jeden Fall scheinen die Lichtverhältnisse unsrer Erde gegenüber denjenigen des Jupiter primitivster Art zu sein, so daß wir mit allen unfern irdischen Erfahrungen nicht im stände sind, uns ein Bild von diesen Verhältnissen zu machen.

Als ein zweites Wunder ist die Oberfläche des Jupiter zu betrachten. Sie bietet gar keine Anhaltspunkte zu einer bestimmten Erkenntnis ihrer Konfiguration wie etwa die Oberfläche des Planeten Mars. Die Astronomen der größten Sternwarte der Welt, der Lick-Sternwarte in Kalifornien, beschäftigten sich mit der Klarlegung dieses Wunders, und je mehr sie sich damit beschäftigten, je mehr Details sie aus dem ganzen Gemenge von Erscheinungen herausbrachten, um so rätselhafter erschien der Zusammenhang des Ganzen. Auf der Oberfläche des Jupiter ist es nie ruhig, es herrschen fortwährend Veränderungen, Gebilde wechseln mit Gebilden, und veränderlich wie diese sind auch ihre Farben. Ein Beharrliches in dem Wechsel ist nur insofern zu konstatieren, als gewisse Gestaltungen in ihren Umrissen längere Zeit verbleiben, und zu diesen gehören dieStreifen", die parallel zum Aequator laufen, und dieFlecken", deren Helligkeits­

dunkeln, langgestreckten Streifen haben die Tendenz, sich zu gliedern, und wenn das geschehen, sich zu ballen. Auch in diesem Punkte sind die Erscheinungen, wie sie sich am 19. Februar 1897 präsentierten, wesentlich anders als am 20.

Ueber das Wesen dieser Erscheinungen, namentlich über das der blendend weißen Zonen, ob sie direkt die Ober­fläche des Planeten darstellen oder den Schimmer von weißen Wolken darüber läßt sich kein Urteil abgeben. Die Phänomene können bewundert, aber nicht begriffen werden.

Am 26. März dieses Jahres kommt Jupiter in die diesjährige größte Erdnähe, oder, um richtiger zu sagen: die Erde ist es, die am genannten Tage an Jupiter vor­beikommt und ihm dann daher am nächsten ist. Wie unser Vollmond steht der Planet vom Standpunkte der Erde der Sonne gegenüber, leuchtet die ganze Nacht hindurch am Himmel und ist daher am günstigsten zu beobachten. Vom 26. ab entfernt sich die Erde von ihm. Nichtsdesto­weniger können die Beobachtungen noch zwei Monate lang mit Erfolg fortgesetzt werden. Josef R. Ehrlich.

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Von

Irrcrrrz Koffmcrnn-Icrlrerrsteben.

undert Jahre sind am 2. April vergangen, daß August Heinrich Hoffmann, der Dichter des Nationalsanges Deutschland, Deutschland über Alles" in dem Städtchen Fallersleben das Licht der Welt erblickte. In ausführlichen Schilderungen werden die Tagesblätter und Zeitschriften in diesen Tagen das Andenken des vielgeprüften Mannes feiern, hier aber soll nur ein Blick geworfen werden auf die letzte, bisher so gut wie unbekannt gebliebene Epoche seines Lebens, da er nach langer Erdenwanderung eine bleibende Stätte fand und aus- rnhen konnte von den Kämpfen und Mühsalen.

Im Mai 1860 hielt Hoff­mann rnit Frau und Kind seinen Einzug in Schloß Cor­vey an der Weser, der alten Benediktinerabtei, wohin ihn der Herzog von Ratibor als Bibliothekar berufen hatte. Wohl mag ihn die Einsamkeit, die er in dem Maße noch nie kennen gelernt hatte, sonderbar genug angemuket haben, zu­mal wenn er der vergangenen sechs Jahre gedachte, die er in dem geistig so anregenden Weimar, im innigen Verkehr mit Franz Liszt, Friedrich Preller, Rubinstein, von Bronsart, H. von Bülow, Genelli und andern verbracht hatte. In Corvey war er ganz auf sich selbst und den Verkehr mit den Seinigen angewiesen, denn ein Umgang mit den Bewohnern von Höxter wie den Beamten des Herzogs auf dem Schlosse Corvey bildete sich erst in den letzten Jahren feines Aufenthalts heraus. Doch er entbehrte zunächst auch den Verkehr nicht, freute sich der wunderbar schönen Natur, arbeitete an der Katalogisierung der kostbaren Bibliothek und an seinen eignen Werken.

Der Sommer verging, ein früher Herbst stellte sich ein. In heimlicher Sorge sah Hoffmann dem kommenden Winter entgegen, und sie war nur zu gerechtfertigt: am 28. Oktober, demselben Tage, da er sie elf Jahre zuvor heimgeführt hatte, starb feine inniggeliebte Gattin, noch nicht dreißig Jahre alt. Niemals erholte er sich von diesem Verlust. Immer wieder gedenkt er in rührender Klage der Ver­ewigten :

Gott und die Zeit", feine Arbeit und vor allein seine Poesie halfen ihm so weit über seinen Kummer hinweg, daß er von neuem hoffnungsvoll der Zukunft entgegensah. Mit Eifer begann er, nachdem die Bibliothek von ihm musterhaft durch unablässige jahrelange Arbeit geordnet war, sich feiner poetischen wie wissenschaftlichen Thätigkeit wieder zuzuwenden. Zunächst beschäftigte ihn die Aus­führung des Planes, seine Lebenserinnerungen zu schreiben?) Durch das in reicher Fülle vorliegende Material wie sein abwechslungsvolles Leben bestochen, wußte er leider hier nicht Maß zu halten, so daß ein sechsbändiges Werk

Dev planet Jupiter (in größter Erdnähe am rb. März ;zg§).

genommen und am 7" Pauly-Objektiv Zeichnungen aus­geführt, die den jeweiligen Zustand der Oberfläche des Planeten fixieren. Die Arbeiten Fauths wurden auf Kosten der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften ver­öffentlicht. Aus den zahlreichen Zeichnungen, die mir, dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Direktion der K. K. Wiener Sternwarte, zur Einsichtsnahme überlassen wurden, griff ich zwei der interessantesten heraus, um sie hier den Lesern vorzuführen. Dieselben datieren vom 19. und 20. Februar 1897, also von zwei aufeinander­folgenden Tagen, so daß man die binnen 24 Stunden sich vollziehenden Veränderungen auf der Jupiteroberfläche leicht zu erkennen vermag. Zu bemerken ist, daß die Bilder wie im Fernrohre umgekehrt erscheinen: oben ist Süd, unten Nord, rechts Ost und links West. Die Scheibe erscheint an den Polen abgeplattet. Die dunkeln Streifen sind hier perspektivisch verengt, so daß die blendend weißen Streifen, die durch sie Hindurchschimmern, als schmale Linien erscheinen. Die Farbe der dunkeln Streifen be­zeichnet Herr Fauth als schmutzig-grün. Aeltere Beobachter, wie Browing und andre, sahen sie blau. Je näher dem Aequator, um so breiter werden die glänzenden, von dunkeln Bändern begrenzten Zonen. Die Farben der Hauptbänder bezeichnet der Beobachter alsrotbraun",schokoladebraun", während die Bänder in der Aequatorialzone ihm als rötlich­gelb, brüunlichgelb oder wie frischer Eisenrost erschienen. Auf der südlichen Halbkugel (Figur I oben) bemerkt man eine elliptische, stark abgeplattete Figur; es ist der oben erwähnte berühmterote Fleck", der feit zwanzig Jahren die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich lenkt und ihnen zur Bestimmung der Rotation des Jupiter dient. In Figur II steht er schon nahe dem Rande. Der rote Fleck geht seiner Auflösung entgegen. Außer diesem Flecken- phänomen sieht man westlich davon ein zweites kleineres, das in Figur II um vier andre vermehrt erscheint. Die Raschheit, mit der die Flecken sich bilden, stehen in keinem Vergleiche zur Langsamkeit, mit der sie verschwinden. Die

Verhältnisse vielfach variieren. Zwischen den Streifen, die meist dunkel sind, leuchten glänzend weiße Zonen hervor. Die Aequatorialzonen sind am breitesten. Ob man es hier mit der eigentlichen Bodenbeschaffenheit des Planeten zu thun habe, oder ob diese glänzend weißen Zonen lichte Wolkenschichten seien das weiß man nicht. Daß die dunkeln Streifen nichts Festes seien, dafür spricht ihre rasche Veränderung. Unerklärlich allein bleiben dieFlecken". Bei ihrem ersten Auftreten erscheinen sie schwarz, dann nehmen sie verschiedene Färbungen an; vor ihrem Ver­schwinden erscheinen sie rot. Aber mit diesem Verschwinden der Flecken hat es seine gute Weile. So zum Beispiel macht sich jetzt eingroßer roter Fleck" auf der südlichen Halbkugel bemerkbar, der als solcher zum ersten Male im Jahre 1878 austrat und noch immer dominiert. Ueber die Natur der Flecken, von denen auch einige vorwiegend weiß sind, herrscht vollkommenes Dunkel. Indessen haben diese Erscheinungen, ähnlich denjenigen auf der Sonnen­oberfläche, Aufschluß über die Rotation des Jupiter gegeben, obschon sich auch hier die seltsame Thatsache zeigte, daß die Rotation das eine Mal eine verminderte, das andre Mal eine beschleunigte war. Der Wert der Rotation schwankte nach der Angabe Sternbergs in den Jahren 1879 bis 1888 zwischen 9 Stunden 55 Minuten 35 Sekunden und 9 Stunden 55 Minuten und 43,9 Sekunden. Nach Stanley Williams ist gegenwärtig die Rotation Jupiters in steter Zunahme begriffen. Aus zahlreichen Beobachtungen von acht in äquatorialen Regionen liegenden Flecken fand er die Rotationsdauer des Jupiter für 1897 zu 9 Stunden 50 Minuten 34,6 Sekunden.

In der Zeit der letzten Erdnähe Jupiters, die auf den 23. Februar 1897 fiel, wurden auf der Privatsternwarte zu Landstuhl durch PH. Fauth Jupiterbeobachtungen vor­

Figur n.