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Meöer «Land und Meer.
M 26
Dieses Werk, im Zusammenhänge mit dem nachfolgenden gedacht, ist wie die Ruhe vor dem Kampfe; denn schon das Anfangsmotiv der zweiten Sonate, O-moll, UleZro eon drio, vom Klavier allein gegeben, klingt wie eine trotzige Herausforderung. Wenn die Geige dann das Thema übernimmt, so grollt der Baß wie das heimliche Donnern bei einem herannahenden Gewitter, und die gebrochenen Accordfiguren klingen hier wie zuckende Blitze. Das zweite Thema, Ls-änr, durch scharfe Accordschläge eingeführt, schreitet kühn in einem marschähnlichen Rhythmus einher. Dann kämpfen Violine und Klavier heftig miteinander, bis wieder starke Accordsätze in einen Nachsatz einführen, indem auch in diesem Kampfe die Stimme des Herzens zu Worte kommen möchte, während der Baß seinen Groll durch Wiederholungen des ersten Themas ausdrückt. So wechseln die Stimmungen noch mehrere Male. In dem zweiten Satz, Adagio eaotMIo, ^.s-äur, klingen die tief empfundenen Gedanken wie eine fromme Ergebung in das Schicksal. Aber das Selbstgefühl eines pflichttreuen und tapferen Mannes verzagt nicht, es richtet auf, was mit der tk bezeichnten schnellen O-äur-Tonleiter gegen das Ende ganz charakteristisch ausgedrückt ist. (Französische Musiker nennen eine solche Stelle tnsillaäs, Kleingewehrfeuer.) Der dritte Satz, ein Scherzo, wirkt wie ein fröhliches Zusammensein nach dem Kampfe. Allein der kunstvolle Kanon im Trio läßt erkennen, daß noch keine Einigkeit erzielt ist, und ein hartnäckiger Kampf entbrennt aufs neue im Finale. Die kleinen hierin vorkommenden Motive haben meist etwas Herbes. Das Eingangsmotiv, das so oft wiederkehrt, drückt eben den übrigen Motiven den Stempel des Herben auf. Auch die fugenartige Wiederholung des O-äur-Motivs in O-moU steuert klagend noch zu diesem Charakter bei. Das Presto, als Anfang gedacht, ist außerordentlich kühn entworfen und führt den Satz höchst wirkungsvoll zu Ende.
In der dritten Sonate, O-äur, herrscht eine friedliche, höchst gemütvolle Stimmung; Geige und Klavier teilen sich geschwisterlich in den melodischen Reichtum. Die Trillerfolge am Anfänge des zweiten Teiles ist wohl das einzige Außergewöhnliche, was in diesem Satze vorkommt. Der zweite Satz, Roinpo äi Nonuetto ma, inolto inodoralo, Ls-äur, muß langsam und mit innigem Ausdruck vorgetragen werden; die schön und vornehm empfundenen Stellen sind dann von großer Wirkung. Die übliche Wiederholung durch Teilstriche ist hier nicht angewendet, sondern ausgeschrieben. Der letzte Satz, ^.IleZro vivueo, O-äuv, hat den Charakter eines lustigen Tanzes. Wenn schon während des Stückes allerlei Tonwechfel in fast humoristischer Weife Vorkommen, so bewirkt der Wechsel nach der Fermate, die auf der Dominante von 6t ruht, eine überraschende Wirkung. Die Stelle, Ds-ckur, klingt, als ob man einem bevorzugten Pärchen noch einen Rundtanz aufzuspielen schuldig fei. Nachdem dies geschehen, lenkt alles wieder lustig in die vorigen Geleise, und der Tanz schließt mit zwei frisch-fröh- lichen Accorden.
Op. 47, große Sonate in unter dem Namen Kreutzer-Sonate bekannt. Rudolf Kreutzer (1766—1831), dem sie gewidmet ist, der sie aber nie gespielt hat, war zu der Zeit eine große Berühmtheit sowohl als Geiger wie als Komponist. Er stand mit an der Spitze der musikalischen Bewegung in Paris, das sich als Musikstadt zu jener Zeit einen Weltruf erworben hatte. Beethoven dagegen war damals nur von einem kleinen Kreise anerkannt, im allgemeinen aber bekämpft. Kreutzer, dessen musikalisches Wesen mit dem tonkünstlerischen Inhalt der Sonate wenig übereinstimmen konnte — die Ruhe und Glätte in seinen Kompositionen erklären es —, würde sie vielleicht dennoch gespielt haben, hätte ihn nicht sein Stolz, seine eigne französische Selbstschätzung (er war in Versailles bei Paris geboren) einem Künstler gegenüber, dessen Ruf noch zweifelhaft war, daran gehindert. Die Folgen dieser eiteln und stolzen Selbstschätzung blieben ihm nicht erspart, denn durch die Abweisung seiner letzten Oper „Mathilde" seitens der
Direktion der Großen Oper wurde der Lebensabend des gefeierten Mannes arg verdunkelt.
Unsre Sonate, deren ursprünglicher Titel italienisch lautete: Lonata per il xiaookorto eä uo violioo odli- Za-to, serltta. in stilo molto ooneertanto huasi eomo ä'im eonoorto, äoäieata. und so weiter, ist in der That ein Konzertduett, das große Anforderungen an die Ausführenden stellt. Der kecke Anfang, ^näanto sostonuto, von der Violine allein vorgetragen, erregt große Erwartungen, die denn auch im folgenden Presto reichlich erfüllt werden. Die jugendliche Kraft, die aus den Motiven klingt, und die ein Sporn für die Ausführenden ist, erhält durch die ver- fchiedentlichen Betonungen der Figuren etwas Sieghaftes. Die herrliche choralartige Stelle in L-äur vor der Fermate, die mit ^.äagio bezeichnet ist, bringt Ruhe in den Satz, dann aber stürmt es mit einem neuen Motiv weiter fort. Man beachte, wie das erste Glied des Prestomotivs, am Anfänge des zweiten Teiles, zu einem neuen Motiv von großer Bedeutung entwickelt ist, und wie es dann nach der Fermate, die mit rallont. bezeichnet ist, sich erweitert. Die Verkleinerung des Motivs gegen den Schluß, vor der mit ^äaZio bezeichnten Stelle, durch die Violine ist hier nach den ungestümen Bewegungen von herrlicher, träumerischer Wirkung.
Wenn man schon in den Variationen der vorigen Sonaten den streng thematischen Geist Beethovens, trotz der Mannigfaltigkeit der Gliederungen, erkennen kann, so ist in den Variationen dieser Sonate eine Höhe dieser echt tonkünstlerischen Eigenschaft erreicht, welche die größte Bewunderung zu erregen im stände ist. Beethoven hat sich überhaupt zu einem unerreichten Variationenkomponisten durchgearbeitet. In feinen Variationen für Klavier allein kann man bequem seinen Studiengang und seine Fortschritte darin verfolgen.*) In dem 12. Streichquartett op. 127 befinden sich Variationen, welche die möglichst höchste Vollendung dieser Gattung bezeichnen. Sie klingen, als seien sie in einer überirdischen Sphäre entstanden und von oben gesandt, die Menschen seelisch zu beglücken. Die Erfindung des Themas (^-äur) zu unsrer Sonate ist schon allein eine künstlerische Großthat und ein Geschenk, das nur in einer weihevollen Stunde zum Dasein erweckt werden kann. Die Anmut und die Tiefe des Gedankens, die darin zum Ausdruck kommen, erfahren in den Variationen noch die glänzendsten Erweiterungen. In der ersten Variation zeigt sich das Klavier mit einer einfachen, aber lieblichen Ausschmückung des Themas, welche die Violine mit ihrer O-Gruppe, wie bewundernd, noch erhöht. Die zweite Variation ist der Violine zugedacht, die sich hier durch eine gewandte Tonleiterausführung und zarte Bogenstrichart, die ein leichtes Handgelenk erfordert, auszeichnen kann. Aus der dritten Variation in i^-moll klingt etwas wie eine trübe Erinnerung heraus. Die Unruhe, die in den sich bewegenden Sextaccorden Ausdruck findet, wird zwar durch die klagende Dazwifchenkunft der Geige etwas gemildert, indes scheint die Variation nur deshalb da zu sein, damit die nächste, wieder in um so freundlicher, sonnen
heller hervortreten kann. Und in der That, hier wetteifern die beiden Instrumente miteinander, die Zuhörer die geheime Macht der Tonkunst empfinden zu machen. Ein Anhang pathetischen Charakters führt in gehobenster Stimmung den Schluß herbei, der in seiner letzten Phrase wieder an Mozarts Schlüsse erinnert.
Den letzten Satz, Presto, soll Beethoven für die ^-äur- Sonate ox. 30 geschrieben, jedoch, vermutlich, weil er zum Charakter dieser Sonate nicht paßte, zurückbehalten haben; er hat ihn aber durch ein Thema mit Variationen ersetzt. Dieses Stück im Sechsachteltakt, nun zur Kreutzer-Sonate gehörend, beginnt mit einem zweistimmigen kontrapunktischen
*) Ein Aufsatz im „Klavierlehrer" Nr. 7, Jahrgang 1893, „Die Klaviervariationen von Beethoven als Studie für angehende Kompo-
Satz, kommt dann allmählich in eine lustige Bewegung, die schließlich durch einen Zweivierteltakt in langen Tönen unterbrochen wird. Diese Unterbrechung wird dann noch durch ein Uitaräanäo ergänzt, so daß das folgende ^ tompo einen um so flotteren Eindruck machen kann. Die Durchführung im zweiten Teile ist reich an harmonischen Abwechslungen. Ein neues, aber dem Charakter nach verwandtes Motiv in derselben, I'-äur, ein Orgelpunkt, schließt sich hier an, dem bald darauf nach einer Folge von Accorden Huiot-Loxt ein andrer Orgelpunkt auf L folgt. Ein langes Uitaräanäo schließt sich da an und führt in den dritten Teil. Dieser hat einen Anhang, der die dagewesenen Motive noch einmal in Erinnerung bringt und dann hastig den Satz zu Ende führt.
Die Sonate op. 96, ^.IleZro inoäorato, O-äur, dem Erzherzog Rudolf von Oesterreich gewidmet, ist, mit Bezug auf ihren Musikcharakter, eine der edelsten und mit Bezug auf ihr Zusammenspiel eine der schwierigsten des Meisters. Der Triller im ersten Motiv ist ohne Nachschlag zu geben, und der Vortrag des ersten Satzes erheischt Ruhe und Besonnenheit bei vollständiger Beherrschung des Technischen. Die sorgfältig künstlerische Abwägung der Motive zu einander, die während des ganzen Satzes, ungestört durch fremde Einflüsse, erfreut, findet gegen das Ende eine Schlußvorbereitung durch die Sechzehntelgruppe, wie sie glücklicher nicht gedacht werden kann. Wenn dann das Anfangsmotiv sich wieder in Erinnerung gebracht hat, schließt der Satz mit einem vorausgehenden Jubel einer Tonleiter in Terzen fest und bestimmt mit zwei Accorden. Diesem gemütvollen Allegro folgt ein ^äaZio 68pv688ivo, L8-äur, das die wohlthuende Vertraulichkeit, die das Allegro hervorgebracht hat, noch erhöht durch die hehre, andachtsvolle Stimmung, die feine Motive erwecken. Das zweite Motiv, das in ^8-ckur beginnt, dann zum ersten Motiv in ^8-äur hinleitet, ist von erhabener Beethovenscher Seelengröße. Bei diesem Adagio wird das Wort zur Wahrheit: „Wo die Macht der Sprache aufhört, beginnen die Töne zu reden." Das Ende des Satzes ist durch einen Uebergangsaccord mit dem folgenden Scherzo, O-inoll, verbunden. Das Motiv des Satzes steht unter rhythmisch scharfer Betonung, dem ein Trio *) in L-äiiv folgt, dessen Motiv als Gegensatz unbetont dahinfließt und mit einer geistreichen kanonischen Verflechtung schließt. Der erste Teil wird dann wiederholt; ihm ist ein Anhang beigegeben, der mit einem Triller schließt, der den Eindruck macht, als ob er den beendeten Scherz verlachte. Das nun folgende humorvolle, fast burschikose Stück, in O-äur, ist ein Thema mit Variationen der bemerkenswertesten Art, erstens durch die plötzliche Ausweichung nach H-äur, die dann ebenso unerwartet zurück nach O-äur geht, und zweitens durch die Art der Variationen, die nicht nur durch eitle Passagen glänzen, sondern nur motivisch sich auszeichuen wollen. Die dritte Variation ist wohl eines der schwierigsten Klavierbeispiele für die Unabhängigkeit der Hände. In der fünften Variation, ^ckaZio 68pr688ivo, erkennt man schon den späteren tief denkenden Beethoven. Das nach L-äur geleitete T°6mxo xrimo macht nach der Fermate den Eindruck einer Frage, wie etwa: „Soll ich noch weiter musizieren?" worauf die sechste Variation, HIoZro, mit einer fröhlichen Passagenfigur antwortet. Ein Anhang führt in die siebente Variation, die das veränderte Thema als Fuge bringt, aber xx, wie ein Geheimnis, worauf dann das Thema wieder k in der Melodie ungeschmückt auftritt. Ein Nachsatz erhöht noch die fröhliche Stimmung. Mit dem kurzen ?ooo aäagio, 8-ckur, macht dann der sinnreiche Tonmeister eine Abschiedsverbeugung und eilt nun mit einem Schlußpresto rasch hinweg, und das Spiel ist aus.
A H(Aearbeilet von G. Schallopp.)
Aufgabe 15.
Weiß.
Auflösung der Aufgabe 12:
W. 1. Od2-b1 S. 1. 8k7-ä8^85
S. 1. Lo4-<15 W.2, 8e6-o71 S. 2. Lä5-s5, o4 W.3. Odl-sl, ä2-ä3
L.
S. 1. 8a8-b6, o7 W. 2. 8bS(X)o7 rc.
0.
S. 1. 16-15 W.2. 8o6-s7 und W. 3. Ü2-63 matt.
O.
S. 1. 13-12 W. 2. <12—ä3-s- und W.3. Odl—Ul matt.
O.
S. 1. 1. Oo6-<17, 08 W.2. 1.88X171 und W.3. 017X«6 matt.
gäbe 13:
W.1 883-s4 S. 1. ^84X86 W. 2. 864-161 S. 2. ?86X16 W.3. 815-67 matt.
S. 1. ?84X«4 W.2. vA2-a2
17,66, — a8matt.
O.
S. 1. I.17XZ6 W.2. I.b1-a21 oder
W. 3. 864-16 matt. Richtige Lösung^
Partie Uv. 12.
Italienisch e Partie.
Weiß: E. Landesmann. — Schwarz: L. Trebitsch.
Weiß.
816-84
L. «S—«4
8Z6-14!
S. 8x1-L»
8t»8—«6
65X14
3. tOkl—«4
1.18—l-.^
17. <13-ä4
4. ä2-<13
<17-ä6
18. 111-612)
888-16
19. 815XÜ6Y
I.o5-1)6
20. 8ä6Xt7
118X47
8o6—67
21. I.b3Xk71
L88X47
0-0
22. 813X651
884X65
867—86
23. <14X65
14-13!
24. 062-11
OU3-831
D<18-ä7
25. LZI-ül
Ob6X12
12l 862-83
I.66XK3')
26. 011X12°)
083X42
13. 82XÜ3
Dä7Xd3
27. il6l-8l
y Ein wohldurchdachter Zug, der Id.<16—ä5 20.64-65 168
X>5!! droht.
y Droht 20. 8Ü6X17 118X17 21.Od3X471 L88X47 22. 813-851. y Pariert die eben erwähnte Drohung und entscheidet in brillanter Weise.
Aufgabe 16.
Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift wird strafrechtlich verfolgt. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Schubert in Stuttgart. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart. Briefe und Sendungen nur: An die Deutsche ^erlagS-Anstatt in Stuttgart — ohne Personenangabe — zu richten.