Heft 
(1889) 01
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Deutschland.

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mich als einen der Glücklichsten zu empfinden und zu wissen, so genügte es jetzt, dies liebreizende, vor Leidenschaft bebende Wesen im Arni zu halten und die leichthin über das Parkett Schwebende an meine Brust zu drücken, mit der Kraft meines entzückten Armes Brust an Brust.

Wir flogen dahin wie die Götter. Seraphine walzte znm Entzücken. Auch sie hielt mich so fest, als müßte sie aus meinen Armen heraus sofort iu einen Abgrund sinken . . . . In den Abgrund des Vergessens, des Hasses, einer lieblosen, verbitterten, lebens- und trostlosen Verzweiflung .... sie wie ich! Und dabei schienen oben auf der Estrade alle Liebesgötter aufzuspielen, und ich fühlte in meinen Adern eine unbeschreib­liche Glückseligkeit.

Jugend, du Zauberin, die du in einer Schale Süß und Bitter zusammenrührst zum berauschenden Tranke, zum wonnig­sten Rausch, die du Holz und Stroh in eitel Gold, Sauer­kirschen in Ambrosia und Menschen in Engel verwandelst, was wäre das ganze Leben ohne dich! Du allein erhöhst seinen Wert durch deine Feeukunst!

Wir hatten nicht aufgehört zu tanzen, nicht aufgehört uns fest umschlungen zu halten, bis die letzte Note des letzten Satzes des Strauß scheu Meisterwerkes verhallt war. Dann erst blieben wir stehen. Alle Pulse flogen mir. Sie zuckte mit den Wimpern, hob den Arm ein wenig und bewegte die Finger der linken Hand vor sich hin, als suche sie einen Halt. Ich glaubte sie einer Ohnmacht nahe, und da ich sie in der nächsten Minute wirklich Wanken sah, streckt' ich die Arme aus und fing sie auf.

Es war aber nur ein kleiner Schwindel, die natürliche Folge des langen Drehens und immerhin auch der heftigen Gemütsbewegung. Kaum daß ich die süße Last an meinem Herzen fühlte, erholte sie sich auch schon wieder, machte sich von mir los und beruhigte lächelnden Mundes die teilneh­menden Fragen, welche die Nächststehenden an sie richteten.

Langsamen Schrittes führt' ich sie an ihren Platz zurück und nicht auf dem uächsteu Wege. Es war ja augezeigt, nach der hastigen Bewegung eine sanftere zu machen, wie man Pferde nach dem Nennen im Schritt gehen läßt.

Wie fühlen Sie sich?" fragt' ich.

Fragen Sie nicht!" entgegnete sie in barscher Weise. Nun sind wir fertig miteinander."

Ich war in einer Todesangst, als ich Sie unwohl sah, Baronesse."

Ich wollte, ich wäre tot nmgefallen!"

Scraphine!"

Sie maß mich ans diesen Ausruf hin vom Scheitel bis zur Sohle strafenden Blickes, als begriffe sie die Unverschämt­heit nicht, daß ich sie bei ihrem Vornamen nannte. Und da wir ziemlich nahe bei den Ihrigen angelangt waren, wandte sie mir jählings den Rücken und ließ mich stehen, ohne Abschied.

Ihr nvch ein paar Worte znznflüstern, war an diesem Abend unmöglich. Bei meinen Besuchen im Hause der Eltern fand ich sie kein einziges Mal. Ich begegnete ihr nicht auf der Straße, und das will viel sagen in einer so kleinen Stadt, wie unsere Residenz ist, wo man sich ordentlich Mühe geben muß, um sich auf die Dauer auszuweichen. Sie brachte das Kunststück fertig, auf so engem Raum einen Suchenden zu ver­meiden.

Meine Hoffnung war die Gesellschaft, die in dieser Jahres­

zeit nicht rastete und nicht ruhte, da sich in verschiedenen Häusern immer wieder dieselben Leute sehen. Seraphine erschien unter dem Vorwand eines Unwohlseins zweimal nicht in Sa­lons, wo ich sie sicher zu finden hoffen durfte, und erschien dafür zweimal an anderen Abenden, wo mich der Dienst unter Waffen hielt. Sie hatte sich also darum erkundigt und mir damit ein deutliches Zeichen ihrer Gesinnung gegeben.

Ich war außer mir. Sollt' es wirklich ganz zu Ende sein mit dieser Liebe? Ganz aus, uoch eh' es eigentlich recht ernsthaft angefangen hatte? Dieser Gedanke war mir uner­träglich. Schon glüht' ich vor Leidenschaft ganz und gar. Und daß das erhebende Bewußtsein herzbrechender Unüberwindlichkeit schon so früh vor die Hunde gehen sollte, war dieser fürchter­liche Gedanke für einen jungen Lieutenant zu ertragen?

Nun fuhr ich nicht mehr aus dem Schlafe mit dem Rufe: Wo steht der Feind? sondern wenn ich erwachte, streckt' ich mich verweilend lang aus unter der Decke und suchte mit geschlossene Augen das Bild der Holdseligen mir vorzuzaubern.

Ich mag in diesen Wochen mehr einem Narren, als einem wackeren Soldaten geglichen haben. Ich rollte hundert Pläne in meinem Hirnkasten, einen verrückter als den anderen. Nur die Strenge des Dienstes und mein Mannesstvlz hielten mich noch aufrecht. Ich vermied nun selbst die Straßen in der Nähe ihres Hauses. Am Tag! Aber wie oft sah mich die dunkle Nacht zu den verschlossenen Fensterladen emporstarren! Ich lehnte Einladungen ab, die auch ihr zugegaugen sein mußten. Aber ich drängte im geheimen meine Mutter, eine große Gesellschaft in unserem Hause zu veranstalten. Daß wir unsere, wenn auch entfernten Verwandten dabei nicht übersehen durften, war ebenso selbstverständlich, als daß diese, wenn es nicht verdrießlich anffnllen sollte, solcher Einladung entsprachen.

Seltsamerweise kamen uns die Eltern Seraphinens mit ihrer Einladung zuvor. Mir schwante Unheil. Aber auch ich durfte dort an der Seite meiner Eltern nicht fehlen. Ich nicht! Aber Seraphine fehlte. Alle Welt war erschienen. Seraphine hatte zum aufrichtigen Bedauern ihrer Eltern in letzter Stunde sich einer plötzlich erkrankten Freundin nicht versagen dürfen, die drei Meilen weit auf einer anderen Bahnstation wohnte und nach ihrem Tröste verlangte. Alle Welt verlangte ja nach ihr! Ich auch! Aber das war eiue grobe Fülle.

Was half sie ihr? dacht' ich alsbald zu meinem Tröste. Binnen kurzem mußteu die Ihrigen unserer Einladung folgen, und ich sorgte dafür, daß die Einladungen nicht früher ausgc- tragen wurden, als ich die Angebetete wieder heimgekehrt wußte. Dann aber wollte ich meine Rache nehmen und Seraphinen halbtot ärgern oder doch mit Verachtung strafen.

Je nun, das letztere gelang mir weit weniger als das erstere. Ich hatte mir einen sogenannten teuflischen Plan ans- gedacht, und der war wirklich geeignet, wenn Seraphine noch einen Funken für mich empfand, diesen ärgerlich anzufachen.

Eine der mehreren englischen Familien, die unsere schöne Stadt ^.bevölkern halfen, war auch bei Hofe vorgestellt und in die Gesellschaft eingeführt. Sie hatte eine etwas magere, aber sonst recht anmutige Tochter. Diese ward von mir als Werkzeug meiner Rache erkoren, ich tanzte mit ihr, wo ich sie fand, des ausführlicheren, redete in sie hinein, als hörte mir eine Angebetete zu, und war also ziemlich gut Freund mit ihr, als der Einladung zu unserem Hausball entsprochen werden sollte.