Heft 
(1889) 01
Seite
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Seite 18 . Deutschland. ^ 1.

Das verstehe alles, wer kann. Nicht die Logik nnd die Er- klürnngssühigkeit werden hier vermißt, nicht die logische, son­dern die poetische Klarheit.

Anch der erste Teil hat metaphysische Geschöpfe, wie den Erdgeist, bei welchem sich mancherlei denken läßt; aber über alle Dentnng hinaus steht dieser Kerl doch mit vollem dichterischen Leben neben den Allegorieen des zweiten Teils.

Trotzdem ist die Darstellung seines letzten Aktes ein großes Verdienst des Deutschen Theaters, und die große Wirkung, welche von den Seenen am Grabe nnd im Himmel ansging, wird uns unvergeßlich bleiben. Nur der Auftritt von Philemvn nnd Banzis, welche bei Goethe liebliche Verse zu sprechen, ans der Bühne aber ein Genrebildchen in der breiten Art der Münchener Volksschanspieler ansznführen hatten, bewies wieder einmal, daß der Realismus nicht überallhin paßt.

Die Tenfelsbrücke, welche Direktor L'Arronge von diesem trotz alledem überwältigenden letzten Akte znm ersten Teile hinüberschlug, wird nicht halten. Nicht, daß zwei ganze Akte gestrichen wurden, tadle ich, sondern daß zuviel vom zweiten ! Teile stehen blieb. Und kühn sei es gesagt, daß der Gesamt- Faust nicht früher das Eigentum der deutschen Bühne sein wird, als bis ein Theater, nach einer allerdings furchtbaren Operation, das ganze Werk an einem Abende zur Ausführung bringen wird. Die Zuschauer dürfen nicht aus dem Banne gelassen werden, bevor nicht auf die Frage des Teufels die Antwort des Himmels erfolgt ist.

Das Uatioiialdkiikiiial für Wilhelm I.

Vvil

Mischer.

/^^vch niemals sind deutsche Künstler zur Bewältigung einer solchen Riesenanfgabe Ungeladen worden, wie diesmal; eine Heldengestalt, welche den tausendjährigen Wunsch des Volkes verwirklicht hatte, und welche, während sie durch ihre Thaten alte Legenden von Kaiser Barbarossa wahr machte, anch durch den Lebenslauf, ja schon durch ihr hohes Alter bereits im Leben etwas Legendäres erhielt. Die Künstler des lebenden Geschlechts können kaum hoffen, vor einen zweiten Auftrag von dieser Bedeutung gestellt zu werden. Von großer Wichtigkeit ist cs natürlich, daß dem stolzen Zweck auch die größten Mittel zur Verfügung stehen; ungezählte Millionen haben, wie die menschliche Seele nun einmal irdisch gebunden ist, einen sehr fördernden Einfluß ans des Künstlers Phantasie.

Nun ist Mitte September die Ausstellung der Konkurrenz- Entwürfe eröffnet worden, und Fachleute wie Laien werden bald den Umstand segnen, daß diese Preisausschreibung nur eine vorläufige war, und daß eine zweite Konkurrenz erst die Entscheidung bringen wird. Denn in dem Gewimmel von schönen und scheußlichen, ernsthaften und lächerlichen Skizzen nnd Modelleil ist der Entwurf noch nicht enthalten, vor wel­chem das Volk auszurufen gezwungen wäre: dieser oder keiner! Und doch hat dieses erste Preisausschreiben seinen Zweck er­füllt; hat auch kein Genie auf den ersten Anlauf den Sieg errungen, so haben doch viele Fehlgriffe deutlich gezeigt, ans welchem Wege die Aufgabe nicht zu lösen ist.

Unter den hundertundfünfzig Preisbewerbungen sind natür­lich eine Menge von dankenswerten Leistungen, welche dem ruhigsten Betrachter noch ein Lächeln nbnötigen können. Da hat sich natürlich sofort der alte Obelisk eingestellt, der ewige Jude unter den Berliner Denkmal-Entwürfen, der nicht zu einer bleibenden Stätte kommen kann, trotzdem für ihn schon Geld vorhanden war. Die Lebensgeschichte dieses Obelisks, wahr­heitsgetreu geschrieben, wäre eine ebenso belehrende als belusti­gende Lektüre. Da steht weiter ein Modell, welches das Reiter­denkmal erst in der Höhe eines stattlichen Kirchturmes anbringt, den Turm selbst jedoch nach den Motiven eines Berliner Baum­

kuchens anfbant. Da zeigt ein anderes Bild es ist entsetz­lich! wahrhaftig eine ägyptische Pyramide, zu der von der einen Seite ein römischer Triumphbogen, von der andern Seite ein griechisches Tempelchen emporführt; die dritte und vierte Seite ist ans der Zeichnung unsichtbar, wahrscheinlich gäbe es da noch eine gotische Kirche nnd eine moderne Bahnhofshalle zu sehen. Die Spitze der Pyramide trägt das Reiterdcnkmal. Die Barbarei dieses Einfalls hätte im Mittelalter unter kennt­nisreichen Asiaten gewiß ihr Glück gemacht.

Solche Greuel hat natürlich die Größe des Preises ver­schuldet. Wer ohne Genialität etwas Titanenhaftes schaffen null, wird immer etwas Massiges zu stände bringen. Den umgekehrten Fehler begingen diejenigen, welche für das monu­mentale Werk einen niedlichen Einfall verwerten wollten. Da­hin gehört ein Modell, welches den Kaiser unter einem Bal­dachin von goldgelbem Glase zeigt; ein Reiterdenkmal unter einem solchen Regenschirm würde zu den militärischen Gewohn­heiten des alten Kaisers kaum stimmen. Zn niedlich ist anch der Einfall eines anderen Bildhauers, welcher hoch oben ans dem Sockel den Reichskanzler das Pferd des Kaisers am Zaume halten läßt, während Moltke hinter dem Sattelgurt eine Landkarte studiert. Das gäbe eine ganz hübsche Zeich­nung für eine Jngendsehrift. Aber monumental ist doch wohl anders.

Die meisten Künstler haben anch für diesen Wettbewerb nach der Schablone gearbeitet. Sie haben wie für ein wohl­feiles Provinzdenkmal den üblichen Ofen ans ihren Kacheln aufgebant und als Aufsatz das gewohnte Reiterdenkmal oben hingestellt. Die fleißigstell unter ihnen waren wenigstens be­müht, entweder das Pferd des großen Kurfürsten oder das des Venezianers Coleone zu kopiereil; an die Größe der Aufgabe glaubten sie einfach dadurch heranznreichen, daß sie ihren Ofen auf einen anderen, noch breiteren nnd schwereren Ofen setzteil, ans dessen Rand, wie ans einer umlaufenden Ofenbank, allerlei allegorische oder realistische Persönlichkeiten Platz zu nehmen hatten. In alten Klöstern findet man noch solche Ungetüme, welche sehr viel.Holz verbrennen nnd dafür anch warm halten, aber für gewöhnlich der Kunstsammlung des Klosters nicht zn- gezühlt werden.

Man hat sich in den beteiligten Kreisen bei dieser Aus­schreibung besonders viel von unseren Architekteil versprochen, welche bei Künstlerfesten nnd ähnlicheil Anlässen schon häufig Maler und Bildhauer mit ihren Dekorationen in den Schatten gestellt hatten. Nun ist die Enttäuschung da. Die Architekten haben bewiesen, daß sie mit Leichtigkeit Millionen zu verbauen verstehen würden; aber eine organische Verbindung zwischen einem Denkmal und einem Ban anch nur auf dem geduldigen Zeichen- papiere herznstellen, ist keinem einzigen gelungen. Der kühne Herr, der eine ungeheure gotische Kirche mit einem Riesendenk­mal davor ansstellte, hat wenigstens die Gelegenheit benutzt, hübsche Gotik zu zeichnen. Ein anderer hat einige hundert Meter der Sieges-Allee in eine Brücke verwandelt, über deren Bogen sich das Denkmal erheben soll. Den Vorschlag aber, die ganze Charlottenburger Chaussee ansznbaggern und sie als Kanal unter dieser Brücke dnrchzuführen, diesen Vorschlag hat er noch nicht gemacht. Ein dritter hat seinen Witz daran ge­übt, das alte, schöne Brandenburger Thor in seiner griechischen Schönheit in einen unförmlichen, riesenhaften, romanischen Bogen hineinzuzwüngen. Das ist aber noch nicht alles. Den Herren Architekten macht es nichts, das ganze Brandenburger Thor, oder wenigstens seine Flügel abzutragen nnd ans einen beque­meren Platz hinzusetzen. Noch radikaler wäre es jedenfalls, ganz Berlin in eine minder flache Gegend zu versetzen, damit das Denkmal aus einem Hügel besser zur Geltung kommen könnte. Und doch sind noch diese Phantasten eher zu begreifen, als der Mann, welcher das Brandenburger Thor stehen läßt, dafür aber dicht davor einen anderen Triumphbogen anfbant, aus welchem nach seiner Idee der Kaiser ganz naturalistisch hervorreitet. Das wäre ganz schön; nur daß der Triumph­bogen in Wirtlichkeit ein Triumphbogen aus Sandstein wäre, der Kaiser aber eine Statue auf einem Sockel.