Heft 
(1889) 02
Seite
24
Einzelbild herunterladen

Seite 24.

Deutschland.

uV° 2.

ich cs jetzt offen finden würde, so überführte mich wiederholt erfolgloses Drücken auf die Klinke meines Irrtums.

Daran hatte Seraphine nicht gedacht, mir den Zugang znm Paradiese so bequem zu machen. Weit entfernt! Auch hatte wirklich die Romantik des Vorgangs gelitten, war' ich so mir nichts, dir nichts über die Schwelle geschritten, wie am lichten Tag, und nicht einmal von einem Vermummten geleitet, unter dessen Gewand eine Dolchklinge hervorblitzte.

Mich des weiteren mit der Thür einzulassen, wäre zu geräuschvoll, und das Schloß zu verderben, wäre überdies zwecklos gewesen. Wo der Zimmermann das Loch gemacht hatte, war für mich kein Heil. Also rasch entschlossen! Da zu Fünf nur noch drei Minuten fehlten, war alles weitere Überlegen vom Übel. Der Plankenzann war an die zehn Fuß hoch. Ich drückte meinen eisernen Stock durch den Schnee fest in die Erde, setzte die linke Sohle darauf, griff, mich em­porschwingend, mit den Händen rasch ans obere Ende der Bretterwand und schwang mich hinauf. Herunter ans der anderen Seite ging's leichter ein schräger Querbalken ge­stattete dem tastenden Fuß kurzen Halt und drunten war ich und drinnen!

Ein paar Zweige knackten, der Schnee stob neben mir ans, als ich den Boden berührte, dann war wieder alles still, und ich flog, meiner Kühnheit freudig bewußt, an den Taxus- Hecken hin, die mir das Haus verbargen.

Als ich an ihnen zu Ende war, schlug's fünf Uhr.

Ich wartete, bis alle Türme fertig waren, und heftete meine Augen an die durch das Fensterkreuz zweimal gevier­teilte weiße Flüche der Gardine, dahinter ich Seraphinens Schlafkammer wußte.

Es rührte und regte sich nichts. Das einstöckige Hans lag mit verschwimmenden Umrissen in der Dunkelheit vor mir. Nur Seraphinens Fenster hob sich aus der schatlenhaften Fahnde deutlicher hervor, war's, daß meine Phantasie dabei hals, war's, daß ein Nachtlicht hinter der Gardine brannte; das hohe Schindeldach der Villa schien unbestimmt in die Schneewolken hinein sich zu ergänzen und gen Himmel kein Ende zu uehmen. Die Sterne waren alle verschwunden. Der Himmel schien tief herabzuhüngen.

Ich streckte den Kopf vor, hielt den Atem an, horchte und blickte mit äußerst gespannter Aufmerksamkeit. Alles blieb still, alles blieb ruhig. Nur hie und da fiel ein Häuflein Schnee von einem Ast in den Schnee über dein Boden herab. Nur manchmal wiederholte sich ein ferner, krächzender Ton; ob er von einem Vogel oder von einer Windfahne kam, war nicht zu unterscheiden.

Es sing ganz sachte wieder an zu schneien; breite, runde, tanzende Flocken. Es schlug ein Viertel. Mich fror an den Füßen, und ich mußte mehrmals hintereinander niesen.

Ein wütender Gedanke stieg mir zu Kopf. Sollte mich Seraphine zum Narren halten?

Ich ballte die Fäuste, wischte mir mit einem abgcfallenen Zweige den Schnee von den Schuhen und schwor mir, daß sie morgen nicht mehr über mich lachen sollte.

Ich wartete entschlossen noch einige Minuten, und wie noch immer kein Lebenszeichen kam, ging ich im Bogen an den Taxnshecken vorbei und dann geradezu an ihr verschlosse­nes Fenster.

Ich klopfte mit dein Mittelfinger einmal ganz derb an

die Scheibe, wartete wieder ein paar Sekunden und klopfte dann leiser, aber noch ein paarmal rasch hintereinander.

Dann lauerte ich wieder still, ob sich drinnen oder draußen nichts bewegte. Bildete ich mir's ein, oder ging wirklich etwas hinter dem Fenster vor? Noch einmal tupfte ich mit der Finger­spitze fest aufs Glas, dann sah ich, wie der Vorhang sich in Falten schob. Seraphine erschien hinter der Scheibe, das Haar in einen Zopf geflochten, den Pelzmantel bis an den Hals zugeknöpft, den Zeigefinger behutsam vor dein Munde.

Vorsichtig öffnete sie erst das innere Fenster, dann das äußere, dieses nur eine Spanne breit.

Welch eine Unvorsichtigkeit, welche Tollkühnheit, bei nacht­schlafender Zeit in einem fremden Garten spazieren zu gehen!" flüsterte sie, als Hütte nicht sic selbst die Ordre dazu gegeben.

Ich folgte Deinem Befehl," antwortete ich.

Und was willst Du von mir?" fragte sie.

Ich will Dich sehen, Dich sprechen, Dir sagen, daß ich Dich unsagbar lieb habe."

Seraphine hörte das lächelnd an, ein Schauder schien unter dem Pelzmantel ihre schlanken Schultern zu berühren. Gleich danach die Stirn runzelnd, flüsterte sie:Ich habe Dir schon gesagt, daß ich nicht an Deine Neigung glaube. Du bist unfähig, Dich Deines lieben Jchs zu cntüußern, nicht im stände, Dich ganz hinzngeben, nicht dazu gemacht, einem ande­ren anzngehören, ihm alles zuliebe zu thnn und nur in ihm und für ihn zu leben!"

Ich bin's, Seraphinc!" schwor ich mit der Hand auf dem Herzen.Ich lebe nur für Dich und will Tein Knecht und Dein Ritter sein!"

Du hast mir selbst den Glauben an Dich lind Deine Treue zunichte gemacht," antwortete sie traurig.

Ich will Deinen Glauben wieder beleben und am Leben erhalten, solang ich selbst Atem holen werde. . . . Stelle mich ans die Probe!" (ForM»»., folgt.)

Edison und Siemens.

Po»

-s.

Ircrnz Wenöt.

> 2 »

.enn dereinst ein Historiker sich die Aufgabe stellt, über die Kulturverhältnisse unserer Zeit zu berichten, dann wird er auch der großen Fortschritte zu gedenken haben, welche durch die technische Verwertung der Elektrieität aus fast allen Gebieten des Lebens erzielt worden sind. Und als die Urheber dieser eigenartigen Entwickelung sind dann an erster

Stelle die Namen Siemens und Edison zu nennen. Stammen doch von ihnen zum größten Teile die seltsamen Apparate, durch welche in kurzer Zeit ein neues Weltbild geschaffen wurde.

Bei dem Besuch Edisons in Europa und seinem Zusam­mentreffen mit Siemens bot sich die Gelegenheit, diese beiden Riesen auf technischein Gebiete im freundschaftlichen Verkehr bei einander zu sehen. Unmittelbar regt sich daher die Lust, die Verdienste dieser Wohlthätcr des Menschengeschlechts durch eine vergleichende Prüfung ihrer Werke in ein klares Licht zu stellen.

Der ältere der beiden, Werner von Siemens, weilt seit vielen Jahren unter uns. Der große Erfinder und Forscher hat seine