Heft 
(1889) 02
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Mitbürger so verwöhnt, daß sie sein schöpferisches Schaffen in süßer Gedankenlosigkeit fast als etwas Selbstverständliches be­trachten, und in ruhigen: Behagen sich des Besitzes dieses Man­nes freuen.

Anders stehen wir dem amerikanischen Erfinder gegenüber. Es liegt in ihm selbst, sowie in seiner Entwickelung und seiner: Erfolgen etwas Blitzartiges.

Die Persönlichkeit Edisons war während geraumer Zeit sehr schwer zu fixieren. Wir fanden ihn zuzeiten von einer echt amerikanischen Reklame bis zur Geschmacklosigkeit gefeiert und seine Werke ohne Auswahl, auch die noch nicht vollende­ten, als Wunderwerke gepriesen, um ihn bald darauf als Charlatan gebrandmarkt zu sehen. Und solche sich wider­sprechende Nachrichten tarnen oft über den Ocean! Es ent­zückte dann den Menschenfreund, wenn ans den: Waste solcher Notizen, immer von neuem, sich ein edler Kern enthüllte, in dem man ein Geschenk des Genies erkannte.

Werner Siemens, welcher im Alter von 73 Jahren, frisch wie ein Jüngling, seinen Riesengeschüften vorsteht, verkörpert in seiner Person die Entwickelung der elektrischen Technik. Man hat ihn nicht mit Unrecht denWatt" des Elektro­magnetismus genannt. Wenn wir daher hier in: engen Rah­men eine Schilderung seines Wirkens zu geben versuchen,. so liefern wir bannt zugleich eine Geschichte der Elektrotechnik. Siemens gehört zu den wenigen, und besonders in Deutsch­land so seltenen Männern, welche ihre wissenschaftlichen Er­kenntnisse in den Dienst der Praxis zu stellen wissen, und dadurch den Wohlstand ihres Vaterlandes in hervorragender Weise heben. Wissenschaftliche Gründlichkeit und kaufmänni­scher Unternehinnngsgeist mischen sich in ihm in der glücklich­sten Weise. Er begann seine erfinderische Dichtigkeit als junger Artillerieoffizier, indem er seine Talente der Kriegs­technik znwandte. Er zeigte unter anderem, wie inan den elektrischen Junten zur Messung der Geschwindigkeit von Ge­schosse:: verwenden könne, und legte die erste unterseeische Mine in: Hafen zu Kiel, bei welcher Gelegenheit er sich seiner neuen isolierten Leitungen bediente. Auch dürste es interessant sei::, zu erfahren, daß er der Erbauer der berühmten Strand­batterie in: Hasen von Eckernsörde war, weiche der dänischen Flotte später so verhängnisvoll wurde.

Es war in jener Zeit, zu Anfang der Vierziger- Jahre, hauptsächlich der älteste Zweig der elektrischen Technik, die Telegraphie nämlich, mit der sich erfinderische Köpfe gern beschäftigten; so auch in hervorragender Weise Siemens. Er hat zuerst auf die Wichtigkeit der unterirdischen Leitungen für längere Verkehrsstrecken aufmerksam gemacht und die technischen Schwierigkeiten besiegt, welche diese neuen Ge­biete darboteu. So baute er damals die erste große Tele­graphenlinie auf dem europäischen Festlande, von welcher die strecke von Berlin bis Eisenach unterirdisch war.

Das Jahr 1847 spielt ii: der Geschichte der Elektrotechnik eine bedeutende Rolle; damals begründete nämlich Werner Siemens ii: Gemeinschaft mit dem genialen Mechaniker Halste die FirmaSiemens und Halske." Er wirkte nun, nach­dem er den Militärdienst quittiert hatte, als Fabrikherr und Industrieller in: eminentesten Sinne. An das weltberühmte Berliner Geschäft schlossen sich nach und nach die Filialen in London, Petersburg, Wien, Paris und Tiflis an, denen zu­meist die Brüder unseres Werner Vorständen.

Die neue Firma wendete sich zunächst, den Forderungen der Zeit eicksprechend, fast ausschließlich dem Telegraphen­baue zu, und in ihren: Betriebe entwickelten sich fast alle die Methoden und Kunstgriffe, welcher der Telegrapheningenienr bei seiner Dichtigkeit bedarf. Besonders für die Kabeltechnik, sowie für die Legung unterseeischer Leitungen gab Siemens eine vollständige experimentell und matheinatisch begründete Theorie, in der auch zum erstenmal das schwierige Problem gelöst wurde, wie die fehlerhaften Stellen in den langen Linien zu finden seien. Auch war es hauptsächlich die Firma Siemens und Halste mit ihren Filialen, welche nach und nach der: Erdball mit Drähten überspannte. Als Bei­

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spiel ersten Ranges nennen wir nur die Kabellegung durch das Rote Meer und die Ausführung der Indo-European-Line auf den: Landwege durch Rußland nach Indien. Eine große Zahl teils neuer, teils verbesserter Apparate, welche diese Tüchtigkeit erforderte, wurde zu jener Zeit gebaut.

Die großartige Entwickelung des telegraphischen Verkehrs zwang damals die Techniker, darauf hinzudenken, eine möglichst große Ausnutzung der Drahtleitungen zu erzielen. Das erste Problem derVielfachtelegraphie" wurde von Siemens und Frischen, seinen: späteren Oberingenieur, gelöst durch die neue Methode desGegensprechens." Es sei übrigens auch gleich hier aus das seltene Talent hingewiesen, das Werner Siemens in der Auswahl seiner Mitarbeiter bekundete. Es bildete sich in seiner Firma ein Stab hervorragender Speeialisten, von welchen: wir außer Frischen noch Hefner v. Alteneck und Fröhlich nennen wollen.

Die Elektricität diente bis zun: Schlüsse der sechziger Jahre fast einzig zur Leistung leichter Arbeiten, wie zur Aus­lösung mechanischer Systeme und dergleichen mehr. Allerdings wurden bereits durch Magnetmaschinen, denen Siemens mittels seines berühmtenDoppel-T-Ankers" die vollendetste Form ge­geben hatte, starke Ströme hervorgerufen; aber es zeigte sich, daß man damit auch an der Grenze der Leistungsfähigkeit an­gelangt sei. Die Erzeugung beliebig starker Ströme auf billige Weise ermöglichte erst Werner Siemens 1867 durch die Entdeckung des dynamischen Prinzipes und die Konstruktion der Dynamomaschine. Diese wahrhaft geniale Erfindung, die bedeutendste in seinem erfolgreichen Wirken, machte ihn zun: eigentlichen Begründer der modernen elektrischen Technik. Alan hatte gefunden, daß im Kerne der Elektromagnet:', nach Aushören des Stromes, eii: geringer Rest der magnetischen Kraft znrückbleibe, welchen die Physiker als remanenten Mag­netismus bezeichne!:. Diesen wußte Siemens nun durch eine höchst geschickte Schaltungsweise ausznnutzen. Er schrieb da­mals an: Schlüsse seiner berühmten Abhandlung:Über die Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne An­wendung permanenter Magnete:"Der Technik sind jetzt die Mittet gegeben, elektrische Ströme von unbegrenzter Stärke ans billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeits­kraft disponibel ist. Diese Thatsache wird auf mehreren Ge­bieten derselbe:: vor: wesentlicher Bedeutung werden."

Siemens gebüyrt das große Verdienst, durch seine Aus­führungen das Gesetz von der Erhaltung der Energie praktisch erwiesen und praktisch verwertet zu haben. Wo nur immer in der Natur sich Kräfte vorfinden, gleichgültig, ob sie sich äußern in: Falle des Wassers, in der Flutwelle der Ge­zeiten, oder in: Druck des Windes, sie sind in elektrische:: Strom zu verwandeln. Wir erinnern daran, daß jetzt that- sächlich die Arbeit, welche die Ningarafälle leisten, in dieser Weise Verwendung findet.

Die Siemenssche Maschine in ihrer einfachsten Form be­steht aus einen: Doppel-T-Anker, der durch irgend eine Kraft zivischeu den Polen eines Elektromagneten gedreht wird, und hierdurch Strom entwickelt. Läßt nun: umgekehrt den Strom wiederum in die Elektromagnete einer zweiten Maschine ein- treten, dann erzielt nun: eine Bewegung des Ankers. Aus dieser Wechselwirkung zwischen den Dynamomaschinen ergebe:: sich die Methoden der Kraftübertragung, deren Urheber eben­falls Siemens ist. Auf der Berliner Gewerbeausstellung im Jahre 1878 wurde eine Anwendung derselben in ihrer inter­essantesten Form, eine elektrische Eisenbahn nämlich, von der Firma Siemens und Halste zun: erstenmal vorgeführt.

Jetzt, nachdem 22 Jahre seit der Erfindung der Dynamo­maschine verflossen sind, hat sich dieselbe längst die erste Lckelle unter den modernen Kulturapparaten erobert, und das Wort, mit dem ihr Schöpfer seine obengenannte Abhandlung schloß, hat sich als ein prophetisches erwiesen.

Neben seinen der Praxis gewidmeten Arbeiten war der große Ingenieur stets bemüht, auch den physikalische:: Grün­den der Erscheinungen nachzuspüren, welche sich ihn: in: La­boratorium darboten, und er zeigte sich in diesen: Bestreben

Deutschland.