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Deutschland
Seite 33.
Irmg-Gfsg's Weisen.
Von
Ma Kansion.*
I.
war zwanzig Jahre und ging Hinalls in die Welt, das
Glück zn suchen. Ich ging lange und suchte in der Nähe und in der Ferne, aber ich fand es nicht. Die Welt lag vor mir wie eine tote Masse, das Leben hatte keine Farbe, und die Menschen gingen mich nichts an. Nichts gab es, womit ich zusammenwachsen konnte, und ich war nur selbst nicht genug.
Da fragte ich die Bücher. „Liebe ein Weib," sagten sie, „denn die Liebe allein kann Dir den geheimen Sinn der Dinge und die Schönheit des Daseins erschließen. Liebe ein Weib, und Du wirst Musil in der Luft hören und Sonnenschein in Deiner Seele fühlen und das Glück wird Dir von selbst in den Mund fliegen, wie die gebratenen Tauben des Schlaraffenlandes !"
Ich ging ans, das Weib zn suchen, und ich fand sie eines Tages an der Waldq nelle. Jeden Morgen und jeden Abend fünf Jahre lang trug ich ihre Wassereimer; und sie wurde mein. Aber als ich sie zwei Tage und zwei Nächte besessen, sah ich einen Wurm in ihrem Auge und eine Raupe in ihrem Mundwinkel; und ich verließ sie.
Wieder fragte ich die Bücher. „Der Mensch findet das Glück nicht," sagten sie, „er schaffe sich denn Haus und Herd, Weib und Kind." Da legre ich mir die Fessel um den Fuß und spannte mich ins Gesellschaftsgeschirr; aber als ich mir ^ das Eisen in die Seele schneiden fühlte und verlangt wurde, ich solle die Saat, die ich brauchte zur Zukunftsernte, zermahlen zu Niehl für den Haushalt des Gemeinwesens, da sprang ich auf, brach mein Hans ab und ging hinaus ans die Straße.
Und die einen wiesen mit Fingern ans mich, die andern führten Scheltreden, Kinder warfen mich mit Steinen und die Erwachsenen mit faulem Obst, und in den Fenstern lagen Kopf an Kopf hohnlachende Gesichter.
Ta verließ ich die Stadt und ging in die weite Welt und kam ans einen hohen Berg. Hinter nur in der Tiefe lagen die Wohnsitze der Menschen in einer endlosen Vogelperspektive, und sie sahen ans wie ein ungeheurer Ameisenhaufen. Aber vor mir senkte sich die Bergwand lotrecht in einen Abgrund, und bis ans den Boden konnte ich ihm nicht sehen.
Und es kam ein Sausen in die Luft, wie vieler Menschen Rede: und diese tausend Stimmen waren doch bloß eine, und es war eine Menschenstimme. Sie kam von einem Riesen, darauf dem Sturme ritt:
„Was man das Glück nennt in der Welt, die Du verlassen hast, das ist nichts als kleiner Menschen kleine Phantasmen, Puppen für Kinder; vor dem großen Glück schaudert man zurück, wie Du znrückgeschaudert bist vor dem Abgründe, und es ist schreckensmajestätisch, wie alles Große. Wagst Du den Sprung nicht, so wende um: dann paßt Du für das kleine Glück der Welt; nullst Du das große erreichen, so wirf Dich kopfüber in die Tiefe. Aber bedenke: Dein Schicksal ist Dir verborgcn; keiner weiß, was der dunkle Schlund verbirgt, außer deneu, die es mit eigenen Augen gesehen haben, und es giebt keine Rücksicht für die, welche drunten sind. Wer wagt, ge
* Ola Haussvn, geb. in Skane den 12. Nvv. 1860, ist nächst August Strindberg der originalste Vertreter des „jungen Schweden." Nachdem er mit 21 Jahren die Universität Lund als Kandidat ptttk. absolviert, gab er 1884 seinen ersten Band „Gedichte" heraus, 1885 „Nvetnrno," eine Sammlung lyrischer Gedichte und Gedichte in Prosa, und im selben Jahr „Litterarische Silhouetten," Porträts moderner skandinavischer Dichter. 1887 erschienen «8eimttiva amoro^a,» eine Reihe psychologisch-novellistischer Studien der feinsten Differenzierungen erotischer Gefühlsznstände,,. und eine Anzahl litterarischer Essays über „das junge Frankreich." Übersetzt sind die kleinen Dichtungen von Laura Mohr, der bekannten Schriftstellerin, seit wenig Tagen der Gattin Oka Hanssons.
winnt - mit geschlossenen Augen — zusammengebissenen Zahnen"
— Ich wandere in der netten Welk, die nur die sehen, welchp die Stätten der Menschen verlassen, aus denen kein Weg rückwärts führt. Und meine Gedanken umkreisen meinen Kopf wie Vögel, und der zarteste Wechsel in meiner Seele ist dem Kleid eines Schmetterlings gleich, und meine Träume wachsen wie grüne Blätter und vielfarbige Blumen am Rande eines Sees, in dem sie sich spiegeln. Und der See ist meine eigene Seele, und es ist meine luftigste Ahnung, die den blauen Himmel über meinem Haupte ausgespannt hat.
II.
Eines Morgens, als der große Geist seine Siesta hielt in der Wärme aller Sonnen, trat einer seiner Diener vor ihn.
„Vllero w Lometlnng: rotten in dem Lande, das in der nördlichen Hemisphäre auf dem Planeten Erde liegt und an den Nordpol grenzt und Schweden heißt."
Der große Herr wandte sein Sonnenange ans den kleinen Fleck im Weltraum, den der Diener Erde nannte, und es blieb haften ans dem Punkte am Nordpol, der Schweden hieß. Wie es dalag mit seinen svnnenglänzenden Schneebergen, seinen Fichtenwäldern und seinen Seen, nahm es sich für den großen Herrn aus wie ein Kinderkörper mit goldfunkelndem Haar und blauen Perlen über den: schwarzen Kleid, ein Kinderkörper, der auf einem meerblauen Kissen ruht, ein blonder Märchenprinz. Aber seine Angen waren geschlossen, der Atem schwach und der Körper schien leblos.
Da rief der große Geist seinen Medikus und sandte ihn znm Kranken.
Am Morgen daraus, als der große Geist wieder seine Siesta in der Wärme aller Sonnen genoß, stand der Medikus vor ihm uud berichtete:
„Das Herz steht fast still und das Gehirn arbeitet nicht. Das Blut fließt schwarz und dick wie Teer, und im Gehirn wimmelt es von dem Ungeziefer, das wir Ärzte Imoillum Pnu- vmo nennen. Wenn der Patient zuweilen ans seiner Dumpfheit aufwacht, ist es bloß, um die Teile seines Körpers mit Skorpionen blutig zu peitschen, die noch gesund sind. Er begießt selbst das stinkende Gewächs, das aus seinem Herzen wächst, und spottet aller Heilmittel. Denn das ist die absonderliche Art dieser Krankheit, daß das, was tot ist, dem Kranken Leben scheint, und was Leben ist, hält er für Pest und Teu- felswerk."
Da verdüsterte sich das Auge des großen Herrn und es fiel Dämmerung über die Welten.
„Unheilbar?" fragte er.
„Unheilbar!"
„Laß das Geziefer sterben. Es ist doch für alle Fülle am nächsten daran zn erfrieren, wenn der große Winter kommt."
III.
Als mir der Wein ansing sauer zn schmecken und Eva ihren einen Vorderzahn verloren, ergriff mich das Verlangen, das Rätsel des Lebens zn erforschen.
Fünf Jahre lang untersuchte ich die Beine einer Fliege, denn ich hatte gehört, daß man das Große im Kleinen suchen solle, und daß die ganze Mannigfaltigkeit der Schöpfung in einem Grashalm verborgen sei. Aber als ich nach fünf Jahren Siesta hielt und meine Angen anfschlug, fand ich, daß ich in einem Loch tief unten in der Erde gesessen und die ganze Welt aus dein Gesicht verloren hatte, und ich konnte kaum mit Mühe gauz hoch oben ein Stückchen Himmel erblicken, wenn ich den Kopf zurücklegte. Da ließ ich das Fliegenbein liegen und ging hervor aus meiner Höhle. Aber das Tageslicht blendete mich und ich saß im Sonnenschein und der farbenreichen Natur blind wie eine Eule.
Im sechsten Jahr begegnete ich einem alten Weisen, der mir sagte, was ich für die Früchte vom Baume der Erkenntnis gehalten hatte, seien bloß Holzäpfel. Der alte Weise lehrte mich