Heft 
(1889) 04
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Deutschland.

seine Schritte zu achten, wie ein Wiesel, wie ein Tänzer. Es ist gar nichts dabei, ich Hütte das nicht gedacht!"

Ich auch nicht," sagt' ich.Und Du darfst immerhin dabei denken, daß des Mannes Geschäft und tägliche Übung ihn mit solchem Wagewandel vertrauter machen als unsereinen."

Ach, Du bist so gewandt und geschickt, Heinz! Was ein anderer kann, das kannst Du auch . . . Genauer betrachtet, Hab' ich Dir gar kein so fürchterliches Probestück zugemutet. Nicht, Heinz? Sag' nicht nein, um der Ruhe meines Her­zens willen, um meiner Gcwissensrnhe willen widersprich nicht! Und dann," fügte sie hinzu und ihre Äuglein funkelten auf einmal wieder ganz keck und unternehmend,und dann, Heinz, Du hast ja das Probestück eigentlich gar nicht ausgeführt!"

Willst Du, daß ich es noch einmal von vorn ansange?" fragt' ich.

Um Gottes willen, nein! nein!" rief sie und legte beide Hände, so fest sie konnte, auf meinen Arm.Nein! Du weißt nicht, was ich in jenem Augenblick gelitten habe."

Die wenigen, die den anderen noch nicht in den Wald gefolgt waren und sich um die kleine Parker, die in Ohnmacht gefallen war, zu schaffen gemacht hatten, kamen nun heran und fragten, ob wir nun endlich genug miteinander getuschelt Hütten und endlich bereit wären, in den Wald zu gehen.

Seraphine bat um meinen Arm und sagte, ich solle mit in den Wald gehen. Ich aber mußt' es ablehnen. Die Sonne neigte sich für einen ohne Urlaub Ansgerittenen schon bedenk­lich, und ich mußte meinem armen Gaul noch viel znmnten, wenn ich zum Abend zur Stelle sein wollte.

Und dies Gefühl war's nicht allen:, das mir das Ver­weilen in der lustigen Gesellschaft verleidete. Ich konnte die Überzeugung nicht abschütteln, daß ich das Heft ans der Hand gegeben, daß ich Seraphinen ein Übergewicht eingerüumt hatte, das ihr nicht znkäme und das sie je eher je lieber mißbrauchen werde. Jetzt schmiegte sie sich zwar wie ein schmeichelndes Kätzchen an meinen Arm, sah mich mit verliebten Blicken an und flüsterte reines Entzücken; ich aber fragte mich, ob das trotz alledem Liebe sei, was also thöricht und zwecklos die geraden Glieder, ja das Leben des Geliebten aufs Spiel setzt.

Zudem ärgerte es mich nachgerade doch, daß ich durch des Zimmermanns hilfreiches Dazwischentreten gehindert wor­den war, meinen wagehalsigen Mut bis zn Ende zu erproben. Und endlich ward mir's mit jeder Minute klarer und klarer, daß die Scene ans dem Balken von sich reden machen, daß sie in allen Kaffeekränzchen des Städtchens wie an allen Bier­tischen erzählt und, mit Übertreibungen ansgestattet, weiter er­zählt und dadurch mein Ausreiten ohne Urlaub um so sicherer an maßgebender Stelle bekannt werden würde.

So geschah's denn auch. Schon beim Einreiten ins Lager empfing mich mein guter Kamerad mit betrübtem Gesicht. Er hatte meine Abwesenheit mit bestem Willen nicht bemänteln können. Am anderen Morgen waren mein unterbrochenes Balancierknnststück, Seraphinens Entsetzen, NUß Parkers Ohn­macht, das Zusammentreffen mit dem Hauptmann erster Klasse und andere teils richtige, teils erfundene Einzelheiten der gestri­gen Landpartie so allgemein bekannt, daß sie mein Obrist nicht überhören konnte und seine gerechte Entrüstung sich nach und nach bis znm ungerechten Zorn steigerte.

(Fortsetzung folgt.)

Iahlengrdächtnis und Fardknsm» kines Kchimxmsen.

Von

Kcrrns Sterne.

I.

/-^^ber die geistigen Fähigkeiten der me

besitzen wir eine Reihe zuverlässige uuu

seiten sorgfältiger deutscher und englischer Tierbeobachter erstattet worden sind, und die uns einen ziemlich hohen Begriff von der Fassungskraft und freien Erziehbarkeit dieser Tiere geben. Ein Schimpanse des Berliner Aquariums konnte von dem Direktor desselben mit an den Gesellschaftstisch genommen werden, benahm sich dort anständig, bediente sich seines Eßbe­steckes und stieß behutsam mit den andern Güsten an. Ein anderes, an einer Halsgeschwnlst erkranktes Tier dieser Art führte wiederholt Brehms Finger an die schmerzende Stelle und ließ sich ruhig, als der Arzt kam, die Eiterbeule öffnen, nachdem es vorher vier Wärter, die es während der Operation festhntten sollten, energisch abgewiesen hatte. Nach der Entlee­rung reichte es freudigen Blicks und unaufgefordert Brehm und dem Arzte die Hand und umarmte seinen Wärter. Die wilde" Mafnka des Dresdener zoologischen Gartens sah, als sie im Sterben lag, ihren sie besuchenden Pfleger eine Weile ruhig an,küßte ihn dreimal, reichte ihn: nochmals die Hand und verschied." Von einem Gibbon hat Bennet erzählt, daß er wegen der Entwendung eines Stückchens Seife gescholten worden war, und dasselbe bei einem neuen Aneignungsversnche, auf einen bloßen Blick seines Herrn hin, wieder an die alte Stelle legte.

Alle diese bisherigen Beobachtungen bezogen sich aber nur ans das allgemeine Betragen und ans das Vermögen einer gegenseitigen Verständigung, wie wir sie ja auch an unseren Hunden wahrnehmen können, nicht aber auf den Umfang der eigentlichen geistigen Fähigkeiten, über welchen nur regelrecht eingestellte Versuche Aufschluß geben können. Einer der Haupt- Vertreter des neuen Forschungszweiges der experimentellen Psy chologie, Professor George I. Rvmanes in London, der Ver­fasser des in derInternationalen wissenschaftlichen Bibliothek" erschienenen Bandes über dietierische Intelligenz" und meh­rerer ähnlicher, auch ins Deutsche übersetzter Werke, hat nun­mehr kürzlich an einem geistig besonders hochstehenden Exem­plar einer dem Schimpansen ähnlichen Affenart, welches sich seit sechs Jahren im Besitze der Londoner Zoologischen Gesell­schaft befindet, systematische Untersuchungen über den Umfang seines Denk-, Zähl- und Unterscheidnngsvermögens angestellt und über die recht merkwürdigen Ergebnisse derselben, sowohl in seinem unlängst erschienenen Buche «iVIoutuI Involution in lVlnn,» wie auch in einem am 4. Juni 1889 gehaltenen Vor­träge vor der Zoologischen Gesellschaft einen Bericht erstat­tet. Wir werden daraus weiter unten einen Auszug geben, um unsererseits einige kritische Bemerkungen daran zu knüpfen, wollen aber zunächst einige Angaben über das betreffende Tier vor- ansschicken, die einer vor drei Jahren in den Verhandlungen der betreffenden Gesellschaft von dem Superintendenten ihres Gartens A. de Bartlett veröffentlichten Abhandlung entnvm- men sind.

Der im Jahre 1883 in Liverpool angetanste Anthropoide ist von dem gemeinen Schimpansen, der jetzt öfter lebend nach Europa kommt, offenbar der Art nach verschieden, scheint aber mit den von Paul du Chailln vor mehreren Jahrzehnten ans Inner-Afrika mitgebrachten, im Britischen Museum anfbewahr- ten Schimpansen identisch zn sein. Gesicht, Hände und Füße sind bei dieser Art von schwarzer Farbe, wärend sie beim ge­wöhnlichen Schimpansen weiß oder blaß fleischfarben sind. Kops und Gesicht sind nicht mit den langen Haaren bedeckt, welche bei der letzteren Art einen vollen Backenbart bilden, sondern fast kahl; nur ein paar kürzere Haare befinden sich auf dem Kopfe. Die Ohren sind groß und flach, die Nasenlöcher aufgebläht, die Lippen, besonders die Unterlippe, dick, und der Schädel cst höher als bei dein gemeinen Schimpansen. Da keine Übergänge