Heft 
(1889) 04
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Deutschland.

bekannt sind, so stellte Bartlett ihn als Vertreter einer beson­deren Art ans, die er mit Rücksicht ans die Kahlköpfigkeit als Kahlkopf-Schimpanse (DroAlock^tes enlvus) unterschied.

DasSally" getaufte Tier (ein Weibchen) zeigte vom ersten Tage an eine auffallende Vorliebe für tierische Nahrung, die Herrn Bartlett um so mehr überrasihte, als er niemals einen Schimpansen gefunden hat, der irgend eine Art von Fleisch ge­nossen Hütte. Bald nach ihrer Ankunft fing die Äffin an, kleine Vögel zu töten und zu verzehren. Indem sie dieselben am Halse ergriff, biß sie ihnen den Kopf ab und verspeiste sie gänzlich, ohne selbst die Federn zurückzulassen. Einige Mo­nate hindurch tötete und verzehrte sie jeden Abend ein Täub­chen. Später wurde ihr gekochtes Hammelfleisch und Rindfleisch- brlihe gereicht, und diese Nahrung bekam ihr sehr gut. Daß sie sich nicht erst in der Gefangenschaft an die Fleischnahrung gewöhnt hatte, sondern daß der Tierfang ihrer natürlichen Lebensweise entsprach, ging auch daraus hervor, daß sie sich als geschickte Rattenfängern: erwies und viele Ratten, die in ihren Käfig kamen, sing und tötete, und ferner, daß sie die Gewohnheit zeigte, die unverdaulichen Stoffe, Federn und dergleichen, in Knäueln, ähnlich denGewöllen" der Raubvögel, wieder empor­zuwürgen. Die Erscheinung war um so interessanter, als die Vegetarianer unter Richard Wagners Führung gerade damals angefangen hatten, die menschenähnlichen Affen als reine Frucht­sresser dem Menschen zum Vorbilde hinzustellen, und sie zu dem Beweise heranzuziehen, daß Früchte und Begetabilien die einzig naturgemäße" Nahrung des Menschen und seiner näch­sten Verwandten im Tierreich darstellen sollten.

Die geistige Begabung der Äffin erwies sich von Anfang an als der des gemeinen Schimpansen beträchtlich überlegen. Mit ge­ringer Bcühe könnte man ihr Dinge lehren, die eine gewisse Überlegung und Verstand erfordern. Sie erkennt z. B. die­jenigen Personen wieder, deren Bekanntschaft sie bereits gemacht hat, und bezeigt den Farbigen besondere Aufmerksamkeit, indem sie bei ihren: Anblick ein lautes Geschrei erhebt, etwa wie bau, bau, bau klingend, gleichsam als wollte sie dieselben als Lands­leute begrüßen. Sehr anhänglich an ihre Wärter, wird sie niemals müde, mit ihnen zu spielen und zu schäkern, und ist, wenn auch mitunter etwas launenhaft, doch in: allgemeinen von fröhlicher Gemütsstimmung. Bemerkenswert ist die Ausdehnung, bis zu welcher sie fähig ist, die menschliche Sprache zu verstehen, was eine Stufe der geistigen Entwicklung andeutet, die nach Roma- nes derjenigen ähnlich ist, in welcher sich ein Kind, wenige

Monate bevor es sprechen lernt, befindet, und die sicherlich

höher ist als diejenige irgend eines sonst bekannten Tieres.

Nichtsdestoweniger bestehen ihre einzigen Versuche, mit eigener Stimme zu antworte::, in drei eigentümlichen grunzenden Lau­ten, von denen der erste Zustimmung oder Bejahung andentet, der zweite, dem ersteren sehr ähnliche, eine Abneigung oder Verneinung, und ein dritter, von den ersteren beiden völlig ver­schiedener, eine Art Danksagung oder Anerkennung für Gunst- bezeugnngen. Durch Nachahmung des Anfanges eines eigen­tümlichen eintönigenGesanges," den sie mitunter zum besten giebt, können ihre Wärter sie gewöhnlich zur Vollbringung

einer Reihe merkwürdiger Handlungen veranlassen. Zuerst dehnt sie dann ihre Lippen in der bekannten röhrenförmigen Form aus, die in DarwinsAusdruck der Gemütsbewegungen" ab­gebildet ist und allgemein auf Mißmut gedeutet wurde, wäh­rend sie zur selben Zeit einen seltsamen heulenden, durch regel­mäßige Intervalle unterbrochenen Ton singt. Die Unterbre­chungen werden dabei immer kürzer und kürzer, während die Stimme lauter und lauter wird und mit einer Steigerung zu gellenden Schreilauten endet, oft begleitet mit einem Trommeln der Hinterfüße und kräftigem Schlagen gegen das Netzwerk ihres'Käfigs. Die ganze Vorstellung, welche einer Klage über ihre Gefangenschaft oder einem Kriegsgesange verglichen werden könnte, endigt mit einem schwachen Grunzen.

Alle diese Äußerungen machten in Herrn Romanes den Wunsch rege, ihre geistigen Fähigkeiten genauer zu untersuchen; aber das wäre nur möglich gewesen, wenn er das Tier, wie früher einmal einen der Gesellschaft gehörigen Rollschwanz-

Affen (Oedrm), Hütte für längere Zeit mit in seine Behausung nehmen dürfen. Allein dies ging nicht an, weil die Äffin die Hanptanziehungskraft, sozusagen die Primadonna des Zoolo­gischen Gartens bildet; und da ein Hin- und Hertragen Ge­sundheitsbedenken gegen sich hatte, die eigentliche Besuchszeit aber genauere Studien nicht gestattete, so mußten die früheren Morgenstunden für die seit Jahr und Tag geplanten Unter­suchungen ausgenützt werden. Den nun folgenden Bericht des Prof. Romanes über die Ergebnisse seiner Beobachtungen gebe ich mit, einigen Auslassungen und Einschiebungen in fast wört­licher Übersetzung:

Nachdem er die Wärter für die geistige Mitarbeit ange­worben hatte, ersuchte er sie, die Äffin wiederholt um ein, zwei oder drei Strohhalme zu bitten. Sie brauchte dieselben von dem Strohlager in ihrem Käfig nur aufzuheben und anszu- hündigen. Bei diesen Anforderungen sollte keine bestimmte Ord­nung eingehalten, aber wenn sie eine nicht verlangte Zahl aus- hündigen wollte, ihre Gabe abgelehnt werden, während, wenn sie die richtige Zahl gab, die Gabe angenommen und mit eine::: Stück Obst bezahlt werden sollte. Auf diesem Wege konnte dem Tiere voraussichtlich beigebracht werden, diese drei Zahlen mit den betreffenden Zahlworten zu associieren. Schließlich wurde sie belehrt, wenn zwei oder drei Strohhalme verlangt wurden, den einen oder zwei Halme in ihrem Munde zu halten, bis sie den Überrest aufgehoben Hütte, um dann die zwei oder drei Halme zusammen abzuliefern.

Sobald das Tier begriff, was von ihn: verlangt wurde, und die drei Zahlen mit ihren Namen zu verbinden gelernt hatte, verfehlte es niemals, die verlangte Zahl von Strohhal­men richtig herzugeben. Der Unterricht wurde dann in einer ähnlichen Weise von drei auf vier uud von vier auf fünf aus­gedehnt. Hierbei gestattete Professor Romanes aus sogleich darznlegenden Gründen den Ünterricht zu beenden. Aber in neuerer Zeit hat einer der Wärter versucht, den Unterricht bis auf zehn anszndehnen. Das Ergebnis ist indessen dasjenige gewesen, welches vorausgesehen werden konnte. Obgleich die Äffin sehr selten ein Mißverständnis bei der Aushändigung von ein, zwei, drei, vier oder fünf Strohhalmen, je nach der verlangten Zahl begeht, und obwohl sie gewöhnlich auch noch in der Aus­händigung von sechs oder sieben genau ist, so wird das Er­gebnis mehr und mehr ungewiß, wenn die Zahlen acht, neun oder zehn genannt werden, als ob es sich dabei um Raten und Mutmaßen handelte. Es geht indessen klar hervor, daß sie die Worte sieben, acht, neun und zehn dahin versteht, daß die­selben höhere Zahlen als die früher gelernten bedeuten; denn wenn sie um irgend eine dieser Zahlen (d. h. über sechs) er­sucht wird, giebt sie stets über sechs und nicht inehr als zehn; es ist aber bei der Aushändigung nicht mehr dieselbe beständige Genauigkeit vorhanden, als bei den Zahlen unter sechs. Mit einem Worte also, während kein Zweifel ist, daß dieses Tier genau eine Strohhalmzahl bis fünf berechnen kann, so vermin­dert sich über fünf hinaus die Genauigkeit seiner Rechnung und zwar mit den höheren Zahlen fortschreitend.

Es muß bemerkt werden, daß die Äffin eine gewisse Idee von Multiplikation entwickelt; denn sehr häufig (besonders wenn sie es mit Zahlen über fünf zu thun hat) legt sie einen langen Strohhalm so zusammen, daß er zwei Enden darbietet und wie zwei Strohhalme aussieht. Alle die vergleichsweise seltenen Jrr- tümer, die sie gegenwärtig noch bei der Beschäftigung mit Zah­len unter sechs begeht, sind fast ohne Ausnahme auf ihre Ver­suche, die Strohhalme in dieser Weise zu verdoppeln, zurückzn- führen. In diesem Zusammenhänge ist daran zu erinnern, daß durch die oben anseinandergesetzte Methode, die Strohhalme getrennt in den Mund zu stecken, bis die verlangte Zahl bei­sammen ist, bei einer höheren Zahl eine beträchtliche Steuer auf ihre Geduld gelegt wird; und da ihre Bewegungen bedacht­sam sind, während ihr Vorrat von Geduld nur klein ist, so ist es allen Beobachtern klar geworden, daß die Verdoppelung der Strohhalme die Absicht verfolgt, sich Mühe zu ersparen, indem sich so die Summe mit größerer Geschwindigkeit vervollständi­gen läßt, als es möglich ist, wenn jeder Halm für sich anfge-