Heft 
(1889) 04
Seite
66
Einzelbild herunterladen

Seite 66.

Deutschland

^ 4.

hoben werden muß. Natürlich wurden diese znsammengelegten Strohhalme nicht als Äquivalent für zwei Halme anerkannt, und deshalb ist die Ausdauer, mit welcher sie versucht, sie als solche anzubringen, als Offenbarung ihrer Idee von Multipli­kation um so bemerkenswerter. Indessen ist Professor Romanes anzunehmen geneigt, daß die Unsicherheit, die ihrem Umgang mit den Zahlen sechs und sieben anhaftet, in weiterem Maß­stabe ihrem Geduldsinangel als ihrem Rechnnngsmangel znzu- schreiben,, ist, obwohl er glaubt, daß über sieben hinaus ihr Zahlen-Überschlag verschwommen wird und in der bloßen All­gemein-Idee des Bielen untergeht. Es muß auch besonders bemerkt werden, daß sie beim Auslesen und Jndenmnndstecken der Halme einzig ans diese und nicht ans die Person blickt, die sie verlangte, und daher in ihren Antworten sicherlich nicht durch Lesen im Gesichts-Ausdruck, unbewußte Gesten u. s. w. beeinflußt wird, wie dies ohne Zweifel bei manchen Hunden der Fall ist, denen mitunter von ihrer: Eigentümern die Gabe desGedankenlesens" zugeschrieben wird. Es braucht nicht hinzugefügt zu werden, daß nach der Nennung der verlangten Halmenzahl Stillschweigen beobachtet wurde, bis dieselbe antz- gehündigt war.

Mitunter entwickelt das Tier eine eigene Art von Humor, wenn man es um Strohhalme bittet, ohne ein Stück Banane oder anderes Obst als Gegengabe bereit zu halten. So er­zählt ein Herr Harold Picton, er habe es eines Tages mit den gewöhnlichen Worten des Wärters: «Oive wo Uvo strcnvs, 8a11)U» nm zwei Strohhalme ersucht. Erst schien das Tier von der Aufforderung keine Notiz zu nehmen, ob­wohl es den Bittsteller, der sich mit einen: Freunde allein vor­dem Käfig befand, wohl bemerkt hatte; aber freilich Wohl auch, daß er mit leeren Händen kan:. Als nun die Bitte ein zweites und drittes Mal wiederholt wurde, bückte sich die Äffin plötz­lich, nahm ein großes Bündel von Strohhalmen vom Boden, stieß es durch das Gitter nach den Besuchern hin und setzte sich dann, diesen den Rücken zuwendend, nieder, als wollte sie nndeuken, daß man sie in Ruhe lassen möchte, und daß ohne Bezahlung weiter kein Stroh gereicht würde. Sie that indessen nicht weiter empfindlich und war einen Augenblick darauf eben­so heiter wie zuvor. Der Berichterstatter hatte den Eindruck, als wenn ihr die Abwechselung Spaß gemacht und als ob sie eine Befriedigung empfunden hätte, auf ein solch unbilliges Verlangen fremder Personei: die richtige Antwort gegeben zu haben.

Doch kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zu den: Bericht des Herrn Romanes und zu der psychologischen Ana­lyse seiner Beobachtungen zurück. Es würde unnötig und so­gar unverständig sein, anzunehmen, sagt derselbe, daß der Affe bei seinemZählen" ein Zifsern-Systen: anwende. Wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung, daß es verschiedene Arten des Rechnens giebt, ein Unterscheiden zwischen niederen Zahlen durch unmittelbare Schätzung zwischen zwei Quantitäten der Sinnes- Auffassung, und ein Unterscheiden zwischen zwei Zahlen von irgend einer Größe durch Markierung jeder Auffassung mit einem besonderen Zeichen. Die Ausdehnung, bis zu welcher die erstere Art von Schätzung beim Menschen geführt werden kann, hat den Gegenstand einer Untersuchung von Professor Preyer ausgemacht. Seine Versuche bestanden in der Feststellung der Zahl von Gegenständen (wie z. B. der Punkte auf einen: Stück Papier), welche in einem Augenblick mit Genauigkeit geschützt werden können, und es wurde gefunden, daß die Zahl durch Übung eine bedeutende Steigerung erlaubt, bis sie sich bei einigen Personen auf mehr als zwanzig erhöht. Äber natür­lich kann bei einem Tiere ein so hoher Grad von Fortschritt selbst bei dieser nicht ziffermüßigenRechnung" nicht als er­reichbar erwartet werden. Das Äußerste, was hier in Aussicht genominen werden kann, ist, daß ein Tier einen solchen Grad von Geschicklichkeit erwürbe, wie er von einen: jungen Kinde oder von solchen Wilden dargeboten wird, deren Fähigkeiten für genaue Berechnung sich nicht über diejenigen Zahlen zu erstrecken scheinen, die in: sprichwörtlichenBis fünse zählen" enthalten sind. Herr Romanes hatte dieserhnlb auch nicht er­

wartet, den Unterricht dieses Affen über die Zahl fünf hin- ansznführen, und das Ergebnis, welches spätere Versuche ge­liefert haben, ihm Zahlen bis zur Höhe von zehn zu lehren, entsprach, wie schon bemerkt, genau dem, was vorausgesetzt.':: werden konnte. Es muß hier hinzugefügt werden, daß in den wenigen bekannten Berichten von Tieren, die irgend welche Fähigkeiten in Zahlenrechnung zeigten, dieselben sich nicht über die Zahl fünf erstreckt haben. So z. B. sagt Leroy in sei­nem bekannten Bericht über das Zählvermögen der Krähen: Um diesen argwöhnischen Vogel zu täuschen, wurde der Plan entworfen, zwei Männer in das Wachthaus zu senden, von denen der eine wieder wegging, während der andere blieb, um den Vogel zu schieße::, wen:: er zum Neste zurückkehren würde; aber die Krähe zählte und hielt sich außer Schußweite. Am nächsten Tage kamen drei, und wieder beobachtete sie, daß nur zwei znrückketzrten. Schließlich wurde es nötig befunden, fünf oder sechs Männer znm Wachthause zu senden, um ihre Be­rechnungen umznwerfen." Dagegen erzählt uns Puzeau (in seinem Buche über die geistige:: Fähigkeiten der Tiere), daß Maulesel, die man in Neu- Orleans vor Pferdebahnwagen spannt, fünf Fahrten von einem Wegziel zun: andern zu machen haben, und daß sie vier dieser Fahrten ohne ein Zeichen der Erwartung, ansgespannt zu werden, vollenden, aber gegen das Ende der fünften zu trompete:: beginueu.

Die einzige sonstige Richtung, in der Romanes bisher der Schimpansin Fassungsvermögen geprüft hat, bestand in den: Versuche, ihr die Namen der Farben zu lehren. Das Ergeb­nis war indessen ein so vollständig negatives, daß er geneigt ist, zu denken, das Tier müsse farbenblind sein. Da wir uns mit dieser Schlußfolgerung nachher genauer beschäftigen und sie auf ihre Sicherheit untersuchen wollen, ist es nötig, die bei den Versuchen angewandte Methode kurz zu beschreiben. Sie bestand darin, daß Herr Romanes sich Strohhalme von leb­hafter grüner, blauer, schwarzer u. s. w. Färbung, wie man sie zu bunten Stroharbeiten verwendet, verschaffte und dann der Äffin je zwei Halme von möglichst verschiedener Färbung vorlegte und sie anfforderte, einen Halm von bestimmter Farbe zu wüh­len, worauf sie natürlich bei richtig getroffener Wahl ebenfalls mit einen: Stückchen Obst belohnt wurde. Ans diesen: Wege lernte sie geschwind zwischen den weißen Halmen und denen von beliebig anderer Färbung unterscheiden; aber zur Unter­scheidung der einzelnen Farben konnte sie durchaus nicht ge­bracht werden.Nun ist," schließt Professor Romanes,die Unterscheidung zwischen weißen Strohhalmen und denen von irgend einer andern Farbe eine derartige, daß sie auch von einem farbenblinden Auge erwartet werden könnte; und von der Thatsache, daß die Äffin stets fähig ist, diesen Unterschied zu erblicken (sie sucht lange und geduldig nach einem Stroh von irgend einer Farbe, wenn ihr gesagt wird, daß in der Blatte von weißen Halmen, die ihr Bett darstellen, so etwas vorhanden wäre, und liest es gegebenen Falls heraus), wäh­rend sie nicht belehrt werden kann, die eine Färbung von der andern zu unterscheiden, schließe ich, daß ihre Unfähigkeit in dieser Richtung nicht irgend einem Mangel ihrer Intelligenz, sondern irgend einen: Fehler in ihren: Vermögen der Farben- empfindnng zuznschreiben ist." (Schluß folgt.»

Line Bahn auf die ^Jungfrau."

Von

D. "W. Wiörncrnn (Bern).

m 18. Oktober hat ein Herr Moritz Köchlin aus Zürich, der als Ingenieur beim Bau des Eiffelturms eine her­vorragende Rolle spielte, dem schweizerischen Bundesrat das Konzessionsgesnch für eine Bahn ans die Jnngfrnnspitze