gesunde, Helle Farben. Dagegen inacht sich innerhalb dieser vorwiegend frischen und heiteren Anffassungsweise ein schon zuvor bisweilen anklingender ungehöriger Ton in der diesjährigen Ausstellung besonders stark geltend. Die herzliche, kernige Stimme deutschen Hnmors ist freudiger Aufnahme jederzeit gewiß; sein Bastard, der triviale Witz, aber drängt sich unseres Erachtens jetzt gar zu keck zum Wort. Für eine flotte Zeichnung mag auch er bisweilen willkommenen Stoff bieten, für ein Gemälde bleibt er ein wenig würdiger Vorwurf und am wenigsten für ein solches, das auf einen Platz in der Akademischen Ausstellung Anspruch erhebt.
In rein künstlerischer Hinsicht gewährt das diesjährige Gesamtbild keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. Die Freilichtmalerei tritt ungewöhnlich zurück. Neben M. von Schmae- dels vom lediglich malerischen Standpunkt vortrefflichen, schon allbekannten Gemälde „Für Allerseelen" vertritt sie in hervorragenderer Weise nur Max Fleischers große Studie „Badevergnügen in der Bretagne." Das Bild hat die Auszeichnung durch die „Mention honorable" zweifellos völlig verdient. Wärme und Glanz der sommerlichen Sonne können kaum wahrer geschildert werden; das wohlige Behagen, mit welchem sie Natur und Menschen im Bilde erfüllt, teilt sich unwillkürlich auch dem Beschauer mit. Vielleicht ging der Künstler bei der Wiedergabe der Lichtwirkung auf die jugendlichen nackten Körper etwas zu weit. Unter dem Widerspiel rosiger Lichter und scharfer Schlagschatten litt die Modellierung. In: ganzen aber waltet hier ein gesundes, frisches Erfassen der Wirklichkeit, welches in unmittelbarer Nähe von M. Krusemarks „Frauenbad" besonders wohlthuend berührt.
Der bleibende kunsthistorische Wert der diesjährigen Ausstellung also ist ungewöhnlich gering. Ihr Bestes war bereits zuvor ausgestellt, und bei seiner Schilderung an dieser Stelle müssen wir uns Wohl oder übel zur Anerkennung eines im Grunde unberechtigten Ruhmestitels bequemen.
Unter den an der Spitze stehenden Gemälden gehören drei dem religiösen Stoffgebiete an. Daß dasselbe verhältnismäßig reich vertreten ist, bietet für das mutige Streben unserer Künstler Gewähr. Kein ariderer Darstellungskreis der modernen Kunst enthält gleich große Gefahren. Ans der einen Seite eine sklavische Nachahmung zum Teil ewiggültiger, zum größeren Teil aber nicht mehr lebensfähiger älterer Schöpfungen, — auf der anderen eine durch ihre ausdringliche Absichtlichkeit störende Originalität. Von den zahlreichen Wegen, auf welchen die moderne Kunst diesen Fährnissen zu entrinnen sucht, gewährt selbst diese verhältnismäßig kleine Ausstellung ein buntes Bild. F. Hey nach er s „Beweinung Christi," die, abgesehen von ihrer künstlerischen Unzulänglichkeit, an die Altkölner Schule gemahnt; A. Golz' orientalischer „Christmorgen" und Stryowskis Jesusknabe in einer polnischen Synagoge; Plockhorsts formenschöne heilige Familie; L. v. Hoffman ns mystischer Christus, und die kernigen, aber unheiligen Gestalten, in denen E. v. Gebhardt, hier durch L. Feld mann nur unzureichend vertreten, die Heilsgeschichte schildert, — größere Gegensätze sind in der That kaum denkbar! Auch jene drei Hauptwerke stehen zu den genannten Arbeiten und untereinander in scharfem Kontrast. Der Tradition am nächsten bleibt Ernst Zimmermann. Mit hohem Feingefühl beschränkt er seine Auffassnngsweise religiöser Stoffe auf ein denselben völlig angemessenes Gebiet. Wie in seinem Bilde „Christus und die Fischer" betont auch sein „Christus Konsolator" das rein menschliche Element. Der Heiland, der hier dem todkranken Knaben in der dürftigen Hütte naht, erscheint nicht als der wunderthütige Sohn Gottes, sondern als die Verkörperung der beseligenden Glaubensbotschaft, die der trauernden Mutter den einzigen Trost gewährt. Der tiefernste, zu Herzen sprechende Ton ersetzt, was dieser Auffassung Christi an überirdischer Majestät fehlen mag. — Auch Fritz von Uh de tritt in seinem Triptychon: „Die heilige Nacht" der üblichen Darstellungs- Weise weniger schroff als sonst gegenüber. Freilich findet diese eigenartige Wirkung seines neuen Bildes ihren Grund weniger in der inhaltlichen, als in der künstlerischen Auffassung des
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religiösen Stoffes. Seine Maria, die hier auf dürftigem Lager betend wacht, ist den ihr demutsvoll nahenden Hirten stammverwandt, die musizierenden Engel sind den Bauernkindern seines jetzt im Leipziger Museum befindlichen Hauptwerkes verschwistert. Über die Wirklichkeit erhebt sie nur der Beleuchtungseffekt, zu welchem sich der Führer der Freilichtmaler hiermit glücklichem Erfolg verstanden hat. Den Vordergrund erhellt die neben dem Lager Mariä stehende Laterne, durch die baufällige Rückwand der Hütte aber dringt das Dämmerlicht des beginnenden Tages, und in der reizvollen Vereinigung dieser beiden Beleuchtungen, die sich auch auf den beiden Flügelbildern wiederholt, erscheint die nicht gerade schöne, aber jungfräulich-anmutige Gestalt der Madouna von einem eigenartigen Lichtglanz umflossen, der trotz seiner natürlichen Quellen einen geheimnisvollen Charakter trägt und in der That über ihren: Haupt einen zarten Heiligenschein webt. Maria bleibt die Hauptfigur. Auf ihrem Antlitz leuchtet das beseligende Gefühl der jungen Mutter: nichts mehr als dies, eine rein irdische, alltägliche Freude, diese aber voll und rein, in ihrer ganzen Gottühnlichkeit. Das Christkind ist nur in Züchen, der im Hintergrund hockende Joseph nur in unbestimmten Formen sichtbar. Aber es ist ein eigenes Ding um Uhdesche Formen und Umrisse! Die Stellung des Mannes dort hinten im Dämmerlicht ist zunächst nur mit Mühe klar zu erkennen, sein Antlitz den: Beschauer abgewandt. Und dennoch fühlt man das innige Empfinden, das ihn durchbebt, die dankbare, stille Freude, mit der er dem Licht des Tages entgegenwacht. Und wie ernst ist es den Hirten, die sich durch den schneebedeckten Wald mühsam den Weg bahnten, mit ihrer staunenden Ehrfurcht, den liebenswürdigen Engelkindern mit ihrem Lobgesang! Uhdes Gestalte:: sind auch hier nicht Träger hoher Ideen, ihr Reich bleibt das der Einfältigen; aber was sie sagen, das dringt vom Herzen zum Herzen, und wenn der Künstler diese Wahrheit und Gefühlsinnigkeit seiner Schöpfungen auch fürder durch das Element der Farbe selbst so poetisch verklärt, wie hier, dann wird er bald auch die eifrigster: Anhüuger der Nazarener zum Schweigen bringen. — Poetisch empfunden ist auch W. Dürrs des Jüngeren große Darstellung der Madonna, aber sie gehört einen: völlig anderen Reich der Phantasie zu. Sie gleicht den: lieblichen Traumbild eines Romantikers. Die Waldhalde, auf welcher sich die drei musizierenden Engel der Maria nahen, scheint ein Zaubergarten, über dem ein duftiger, alle Gebilde leis verschleiernder Nebelhauch ruht; die Madonna selbst ist eine gütige Fee, die holdseligen Engel haben das gesunde Blut ihrer venezianischen Ahnen eingebüßt und sind zu Elfenkindern geworden. Dieser romantische Zug hat die übliche idealistische Auffassung des religiösen Stoffes eigenartig beseelt, und die konsequente Durchführung des ungewöhnlichen Grundtones läßt den Zweifel an seiner Berechtigung verstummen. Ob diese nicht ungefährliche Richtung den jungen Künstler auch fürder glücklich leiten, oder ob sie ihn der nicht geringen Schar derer zuführen wird, die ihrer Kunst innerlich unangemessene Aufgaben stellen und durch die Abneiguug gegen eine klare Formensprache ein zweifellos ungesundes Element in die Entwickelung unserer Malerei gebracht haben, bleibt abzuwarten.
An Stoffen hohen Gedankengehaltes und poetischer Schönheit, welche zwischen dem religiösen Gebiet und der Historien- und Genre-Darstellung mitten inne stünden, ist die Ausstellung arm. Z. v. Suchodolskis viel gedeutetes Bild führt uns, ganz unmittelbar in das Land der Träume. Ein Künstlest dessen Phantasie so leuchtende Farbenhnrmvnieen aus die Leinwand zu bannen vermag, sündigt an sich selbst, wenn er sein Können an die Zusammenstellung eines — Rebus verschwendet. Tluch Gabriel Max hat in seinem schon seit langem bekannten „Vivisektor" ein gefährliches Gebiet der Allegorie betreten. H. Mosler-Pallenbergs im Anschluß an Tizians „Himmlische und irdische Liebe" entworfenes Bild „Resignation" fesselt lediglich durch seine treffliche Stoffinalerei. Gustav Gräfs jüngste große Schöpfung „Prometheus" tritt Eduard Müllers Gruppe in der Nationalgalerie als ein nicht nur durch den gleichen Vorwurf innig verwandtes Werk zur Seite: auch