vom Wesen Julius Rodenbergs gewonnen hat. 2a Auch ohne die Kenntnis seiner Briefe an Fontane erscheint jedoch das schlechte Bild Rodenbergs an vielen Stellen ins Unglaubwürdige verzeichnet und verzerrt, vor allem durch Reuters Neigung, in allem und jedem, was Rodenberg tut oder schreibt, die schlimmsten Verfehlungen und Charakterlosigkeiten zu erkennen. So spricht Reuter vom „angemaßten Adelsprädikat" (FRo, S. XIV), weil der in Rodenberg (Hessen) geborene Julius Levy seine erste Gedichtpublikation unter dem Pseudonym „Julius von Rodenberg" veröffentlichte, erzählt mit deutlich spürbarer Abneigung von Rodenbergs Eheschließung mit der „Tochter eines schwer- reichen Triestiner Großunternehmers" (FRo, S. XXVI), bezieht das Wort vom „Bourgeoiswurm", mit dem Fontane Albert Treutier meint (Brief an Fried- laender vom 6. Mai 1895) auf Rodenberg und nimmt schließlich Anstoß an dessen privater Meinung zu Fontanes Werken.- „Und noch in der großen Tagebucheintragung anläßlich von Fontanes Tod schrieb Rodenberg — der Erstherausgeber von .Unwiederbringlich', ,Frau Jenny Treibel' und ,Effi Briest'! — (...) nieder: .Seine ganze schriftstellerische Art, trotz ihres großen Erfolges, ist mir nie recht sympathisch gewesen'" (FRo, S. XXV). Mit etwas gutem Willen und Fontanescher Toleranz kann man über all diese .Verfehlungen', wenn es denn welche sind, hinwegsehen, und das Recht auf eine negative Meinungsäußerung über Fontane — im privaten Tagebuch! — wird man Rodenberg nicht allen Ernstes absprechen können, zumal er, worauf es schließlich ankommt, Fontanes Werke trotzdem gedruckt hat.
Schließlich der Briefwechsel. „So schrieb er denn auch an Rodenberg, aber er unterhielt sich nicht mit ihm in seinen Briefen", bemerkt Reuter (FRo, S. XXXVII), und er beklagt die „Versachlichung, ja Entfremdung der .Literatur' von allen menschlichen Beziehungen und Bindungen", die „zum stillschweigenden Gesetz [.. .] dieser Interessengemeinschaft" erhoben worden sei (FRo, S. XXVI). Auch hier fragt man sich, ob das alles wirklich so furchtbar ist, wie Reuter es zu finden scheint. Fontanes Briefe wie auch diejenigen Rodenbergs sind bei aller .Geschäftlichkeit' von spürbarer Höflichkeit, ja Hochachtung geprägt, ohne daß man gleich davon sprechen muß, hier werde — besonders von seiten Rodenbergs — nur leere Diplomatie getrieben. Es fällt schwer, beispielsweise in Rodenbergs Äußerungen über Frau Jenny Treibel (vgl. Brief Nr. 10) und insbesondere über das „Tunnel"-Kapitel aus Von Zwanzig bis Dreißig (vgl. z. B. die Briefe Nr. 23 und Nr. 28) nichts als floskelhafte Höflichtuerei zu sehen. Ob Rodenberg an diesen Texten schätzte, was auch dem heutigen Leser schätzenswert erscheint, mag dabei dahingestellt bleiben. Und ob man behaupten kann, Fontane .plaudere' nicht mit Rodenberg, erscheint angesichts seiner Briefe vom 21. Februar und vom 1. März 1895 — um nur zwei Beispiele zu nennen — durchaus zweifelhaft, ganz zu schweigen davon, daß wir nicht wissen können, wie Rodenberg und Fontane in den persönlichen Gesprächen miteinander umgegangen sind, zu denen es öfter gekommen ist.- 1 Aber selbst wenn man in diesem Briefwechsel das .Plauderhafte' anderer Korrespondenzen Fontanes vermißt, so bedeutet das ja nicht, daß Fontane Julius Rodenberg als Mensch nicht schätzte. Die verbreitete Auffassung, Fontanes Briefstil sei der eines Causeurs und müsse als solcher in jedem Brief in Erscheinung treten, erscheint mir absurd. Fontane wollte, daß seine Werke gedruckt und gelesen werden — und nicht die Geschäftsbriefe, in denen er sie