Heft 
(1988) 45
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dem Herausgeber einer Zeitschrift anbietet. Auf eine grundsätzliche Abneigung gegenüber dem Briefpartner kann man daraus schwerlich schließen, und ob die Bitterkeit, mit der Fontane in einer späten Tagebucheintragung (FRo, S. 283) über seine Beziehung zu Rodenberg schreibt, sich tatsächlich auf die gesamten zweieinhalb Jahrzehnte ihrer Zusammenarbeit bezieht, ist ebenfalls mehr als fragwürdig. Davon abgesehen war es ein großes Wagnis Reuters, ohne die Kenntnis der Briefe Rodenbergs eine so dezidierte Charakterisierung des persönlichen Verhältnisses der beiden Korrespondenten mit schlußendlicher Bestimmtheit auszusprechen. Denn was immer Fontane im einzelnen gegen Rodenberg gehabt haben und man noch heute gegen ihn ins Feld führen mag: Die Vermutung, daß er nicht das Monstrum gewesen sein kann, als das Reuter ihn dargestellt hat, wird bei der Lektüre dieser Briefe doch zur Gewißheit.

Die Beziehung zwischen Rodenberg und Fontane ist indessen nicht und vor allem nicht in erster Linie als eine rein private zu sehen, mit Zu- und Abneigungen, die allein im Persönlichen und Individuellen gründen. In der Korrespondenz der beiden Partner sind wesentliche Themen und Fragestel­lungen der zeitgenössischen Literaturdebatten enthalten, die im Falle Roden­bergs bisher nicht in der direkten Gegenüberstellung mit den Auffassungen Fontanes gesehen werden konnten. Ein aufschlußreiches Beispiel für Roden­bergs Haltung gegenüber Fontanes Werken ist sein Brief vom 13. April 1891 (Nr. 3). Teile daraus nämlich das Zitat aus dem Brief Conrad Ferdinand Meyers sind längst bekannt. Erst aus der Art und Weise, wie Rodenberg auf diesen Brief Meyers Bezug nimmt, läßt sich jedoch schließen, daß seine Einschätzung von Unwiederbringlich entscheidend von Meyers Lob dieses Romans beeinflußt wurde. Rodenberg spricht, noch bevor er den Brief Meyers zitiert, von derGenesis" des Romans, deren Kenntnis den Lektüregenuß erhöhen könne. Es entsteht der Eindruck, als sei Rodenberg selbst zu dieser Erkenntnis gelangt. In Wirklichkeit ist er erst durch Meyers Brief darauf aufmerksam geworden, in dem ebenfalls vom Wachsen des RomansMan sieht ihn bauen" die Rede ist. Daß Meyer in seinem Brief Fontane mit dem Rundschau-Autor Gottfried Keller in einem Atemzug nennt, schmeichelt der Eitelkeit des Herausgebers noch zusätzlich, wie sich im Schlußsatz des Briefes vom 13. April 1891 zeigt. Es ist jedenfalls wahrscheinlich, daß Rodenberg erst mit diesem Brief Meyers bewußt wurde, wie wichtig Fontane für das Ansehen der Deutschen Rundschau sein konnte. Dieses Wissen würde auch erklären, warum Rodenberg Frau Jenny Treibel so sehr lobt wobei es ihm offen­kundig schwerfällt, der Handlung des Romans gute Seiten abzugewinnen, denn es sind in erster Linie die Romanfiguren, allen voran Corinna, denen seine Sympathie gilt (vgl. seinen Brief vom 18. November 1891, Nr. 10).

Überhaupt hat Rodenberg offenbar wenig Sinn für Handlungsstrukturen, für Komposition und Aufbau der Werke Fontanes. Neben der beinahe aus­schließlichen Wertschätzung der Romanfiguren in Frau Jenny Treibel äußert sich dies vor allem in seinen Briefen über Meine Kinderjahre, in denen er radikale Kürzungen des Textes vorschlägt, wobei er stets von der Anlage der Figuren her argumentiert, den Erzählfluß jedoch, auf den es Fontane min­destens ebenso sehr ankommt, kaum in Betracht zieht (vgl. den Brief vom 2. Juli 1893, Nr. 14). Ähnliches vollzieht sich später, als es um den Vorabdruck der Tunnel "-Kapitel aus Von Zwanzig bis Dreißig geht, obgleich Fontane

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