Heft 
(1988) 45
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dort zu Zugeständnissen eher bereit ist wohl, weil ohnehin nur ein Teil der Autobiographie im Vorabdruck erscheinen sollte und der Blick auf deren Gesamtzusammenhang von vornherein nicht gegeben war.

Die Kürzungswünsche Rodenbergs sind vor allem in seinem Denken in der Rundschau-Kategorie" begründet (Brief vom 25. Juli 1893, Nr. 17), in der Rücksicht auf das Zeitschriftenpublikum, dasraschere Bewegung und mehr Abwechslung verlangt" (Brief vom 2. Juli 1893, Nr. 14). Das ist, wie auch gegenüber Reuter festgestellt werden muß, ein durchaus legitimer Standpunkt, und wo Fontane einen Kompromiß zwischen seinen künstlerischen Ansprüchen und diesem Herausgeber-Standpunkt verantworten kann, ist er dazu auch stets bereit. Nichts läßt vermuten, daß Fontane etwa unter solchen Kompromissen gelitten hätte: so geht es eben zu, wenn unterschiedliche Interessen auf einen Nenner zu bringen sind. Die grundlegenden Unterschiede zwischen der Auf­fassung Rodenbergs und derjenigen Fontanes sind auch nicht in solchen Fragen zu suchen. Sie äußern sich auf grundsätzliche Weise dann, wenn es tatsächlich um Themen und Inhalte geht, in denen sich Rodenberg und Fontane als Expo­nenten zweier sehr verschiedener literarischer Auffassungen erweisen.

Das zeigt sich zunächst an einer eher unscheinbaren Stelle des Briefwechsels. Am 21. Juni 1893 hatte Fontane Rodenberg seine Sommerbriefe aus dem Havel­lande angeboten und dabei deren Inhalt alslediglich Plaudereien über aller­hand Tagesfragen in Kunst und Politik" charakterisiert (FRo Nr. 68, S. 57). Damit muß er Rodenberg jedoch an einem wunden Punkt getroffen haben, denn der Herausgeber reagiert in seinem Antwortschreiben vom 22. Juni 1893 (Nr. 13) sehr vorsichtig: Rodenberg hat, entgegen seiner Versicherung, daß er von FontaneNichts befürchte, was [.. .] gegen unser Programm sein könnte", doch starke Bedenken hinsichtlich zu erwartender gesellschaftskritischer Äußerungen, Befürchtungen, die noch durch die Gesellschaftssatire in Frau Jenny Treibel genährt sein mögen. Wahrscheinlich hat diese ausweichende Antwort Rodenbergs Fontane dazu bewogen, den Plan der Sommerbriefe auf­zugeben und stattdessen die .unverfänglichen' Erzählungen Aus dem Riesen­gebirge einzureichen.

Rodenbergs herausgeberische Politik, in der Öffentlichkeit möglichst wenig Anstoß zu erregen, kommt besonders deutlich in der kurzen Diskussion um Friedrich Spielhagensliterarische Studie" über Goethes Wahlverwandtschaften und Fontanes Effi Briest zum Ausdruck. Fontane hatte sich gegenüber Spiel­hagen bereiterklärt, die Möglichkeit einer Veröffentlichung dieser Studie in der Deutschen Rundschau zu erkunden, wobei er sich aber von Anfang an ziemlich sicher war, daß Rodenberg ablehnen würde. Der Reiz dieser Diskus­sion liegt in dem Umstand, daß Rodenberg und Fontane sich anscheinend über Spielhagen und dessen Studie einig sind und beide die Veröffentlichung in der Deutschen Rundschau für untunlich halten. Zieht man jedoch die Beziehungen zwischen Fontane und Spielhagen auf der einen. Rodenberg und Spielhagen auf der anderen und Fontane und Rodenberg auf der dritten Seite in Betracht, treten die grundlegenden Unterschiede in den literarischen und literaturpoli­tischen Haltungen der drei Männer deutlich zutage.

Fontanes Bedenken hinsichtlich einer Veröffentlichung der vergleichenden Studie Spielhagens in der Deutschen Rundschau wurzeln, wie es scheint, allein in dem Unbehagen, sich selbst in der Öffentlichkeit mit Goethe verglichen zu

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