sehen (vgl. seinen Brief vom 18. Februar 1896, FRo Nr. 99, S. 82). Daß er in den Grundzügen — vor allem in der Ablehnung des Goethekults — mit Spielhagen weit eher übereinstimmte als mit Rodenberg, geht indessen aus diesem Brief ebenso deutlich hervor wie aus seinem Schreiben an Spielhagen vom 15. Februar 1896. Dort zählt er Rodenberg „zu denen, die gleich stramm stehn und den Zeigefinger an die Biese legen, wenn der Name Goethe bloß genannt wird'" 1 und bringt damit, wie Reuter zutreffend feststellt, die Fragwürdigkeit eines „musealen und sterilen, epigonalen ,Klassiker'-Kult[s]" zur Sprache, in dem Fontane „ein Haupthindernis für die Entfaltung einer progressiven und realistischen Gegenwartsliteratur" sah (FRo, S. 272 f.). Indem Fontane diese Auffassung auch Rodenberg gegenüber nicht verschweigt, zeigt er ihm unmißverständlich, daß er sich mit Spielhagen, vor allem aber mit den jüngeren Kräften im literarischen Leben seiner Zeit — hauptsächlich Paul Schlenther, Otto Brahm und Erich Schmidt — auf der Seite des Fortschritts weiß, während er Rodenberg in eben jenem „Klassiker-Kult" befangen sieht, gegen den er seit Beginn seiner Tätigkeit als Theaterrezensent, verstärkt aber seit der Hochblüte des Naturalismus kämpfte. Der Hinweis auf „persönliche Verstimmungen" (FRo Nr. 99, S. 82) zwischen Spielhagen und Rodenberg ausgerechnet in einem Brief an diesen verdeutlicht solche Distanz mit Nachdruck. Es ist diese Distanz nicht zuletzt, die Fontane auch erkennen ließ, daß die literarischen Absichten Rodenbergs von seinen gänzlich verschieden sind. Die Kürzungen des „Tunnel'-Kapitels zugunsten der knochentrockenen Universitäts- und Profes- sorenhistörchen Ludwig Friedlaenders5 brachten ihm vollends zum Bewußtsein, daß das bloße Ansehen der Deutschen Rundschau, wenn es nicht ohnehin schon in den neuen Strömungen der zeitgenössischen Literatur untergegangen war, künstlerische Kompromisse nicht mehr rechtfertigte. Daß Rodenberg die Zeichen der Zeit nicht erkannte, muß man ihm nicht moralisierend zum Vorwurf machen. Fontane jedenfalls wußte, daß er von nun an seine literarischen Ziele nicht mehr zurückstellen durfte, nur um in einer Zeitschrift gedruckt zu werden, die einer vergangenen Epoche angehörte. Daß diese Zeitschrift und ihr Herausgeber sich um das Werk Fontanes verdient gemacht haben, soll man darüber jedoch nicht vergessen.
Die Briefe Rodenbergs an Fontane sind nicht in der gleichen Geschlossenheit überliefert wie diejenigen Fontanes an Rodenberg. Der früheste erhaltene Brief stammt vom 19. November 1890, während Fontane bereits am 9. Juni 1871 zum ersten Mal an Rodenberg schrieb. Aus den Jahren 1892, 1894 und 1895 sind nur zwei kurze Notizen Rodenbergs an Fontane erhalten (s. hier Nr. 18 und 19), so daß man beispielsweise über dessen Meinung zu Effi Briest kaum etwas erfährt. Aus der Zeit nach dem 16. April 1896 sind keine Briefe dieser Korrespondenz überliefert, ohne daß man sagen könnte, der Briefwechsel zwischen Fontane und Rodenberg habe an diesem Tag vollständig aufgehört. Zu dem hier veröffentlichten Briefkonvolut gehört noch ein leerer, frankierter, von Rodenbergs Hand mit Fontanes Adresse versehener und dem Empfänger am 22. Juni 1898 zugestellter Briefumschlag. Sein Inhalt ist ebenso wenig bekannt wie der Brief, von dem Rodenberg in seinem Tagebuch und im Beileidsschreiben an Emilie Fontane mit fast gleichen Worten spricht: „Vorgestern erst (am 19. September 1898], in Sachen der Schillerstiftung, hab ich den letzten Brief an ihn
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