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Deutschland.
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keit eingetreten, Indern die Teilung vom Kerne ansgeht, der zuerst in zwei Hülsten zerfällt.
Noch ungleicher, wenn auch regelmäßiger, ist die Teilung in allen den Füllen, die man als Sprossung oder Knospung zu bezeichnen pflegt. Sie kommt keineswegs bloß bei den Ein zellwesen vor, sondern oft noch bei schon bedeutend höher stehenden Tieren, wie bei den Seenelken, Seerosen und Kornllentieren; bei den Pflanzen ist sie in der Form der freiwilligen Ablösung wohl seltener, allein im Grunde genommen ist die gesamte Snmenbildnng der höheren Gewächse hierher zu rechnen. Die meisten Sauren, wie etwa eine Bohne oder ein Eichelkern, sind bereits junge Pflänzchen mit sämtlichen wesentlichen Lebensteilen, nur daß sie in einer schützenden Hülle verborgen sind, mit der zugleich sie sich ablösen. Bei den Ur- wesen, den Zellingen, geht nun solche Knospung oft neben der eigentlichen Teilung oder Hälftung einher, so beim Glockentierchen; manche aber zeigen auch nur die ungleiche Teil- bildnng, und dann liegt es nahe, das größere Stück als den Mntterkörper, das kleinere als das Tochterwesen zu bezeichnen. Im Grunde wird hierbei aber an dem Wesen des Vorganges abermals nichts geändert; eine Teilung ist und bleibt es, gerade wie wenn man künstlich einen Sproß einer größeren Pflanze abtrennt und als „Ableger" zu eigenem Leben einsetzt; am Leben bleibt das größere und das kleinere Stück, und wo es in Ewigkeit so fortgeht, kann man von einem wirklichen „Tod" nicht reden.
Ein Gleiches gilt von den Vorgängen, die, bei Pflanzen wenigstens, als sogenannte Sporenbildung bezeichnet werden, die man aber ebenso gut auch als innere Sprossung oder- innere Teilung bezw. Ablösung ausfassen kann. Bei dem
zu den Wimperlingen (Ciliaten) gehörigen Trompetertierchen (Ktcmtor), das übrigens bereits mit bloßein Auge sichtbar ist, aber dennoch nur ans einer Zelle besteht, schnürt sich im Innern des Körpers ein Teil des Gesamtkeimstosss von dem übrigen ab und ballt sich zu einer selbständigen Zelle, die nach ihrem Austritt aus der ursprünglichen Masse sich zu einem neuen Trompetertierchen auswüchst. Ähnliches ist bei vielen anderen Wimpertierchen beobachtet worden, aber immer geschieht es nur nebenbei, während einfache Teilung, nämlich Zerfall, die Regel ist. Vergleichen wir den Vorgang etwa mit der Sporenbildung eines Farns, so ergiebt sich allerdings die überraschendste Ähnlichkeit; dort aber ist diese Art der Fortpflanzung die regelmäßige, und der Hanptkörper des sogenannten Farnkrautes geht mit der Zeit zu Grunde; er bildet den sterblichen Teil, von dem sich das Unsterbliche in der Gestalt der Sporen oder Keimzellen getrennt hat.
Nun tritt aber bei vielen der einfachsten Wesen ein Fall ein, bei dem schon eher ein Einwand gegen die vollkommene Unsterblichkeit aller Teile gemacht werden kann und auch that- sächlich gemacht worden ist. Bleiben wir bei den Urlingen, um die einfachsten Möglichkeiten heranszngreifen, so unterscheiden sich die von Cienkowski entdeckten Gattungen Proto- monas und Bampyrella bezüglich der Fortpflanzung schon von Haeckels „Erstgeborenem" und Urwechseltierchen in einem wesentlichen Punkte. Während die letzteren bei der Teilung ohne weiteres in zwei Stücke zerfallen, ziehen die genannten nämlich vorher ihre Scheinfüßchen ein und machen einen Ruhezustand durch. Ju diesem umgeben sie sich mit einer von ihnen selbst ausgeschiedeneu Hülle oder Kapsel (Cyste), und die Teilung, bezw. der Zerfall, geht dann innerhalb dieser vor sich. Werden die Teilstücke später frei, so bleibt die gemeinschaftliche Kapselhülle übrig, und dann erst entwickeln sie sich durch Wachstum zur ursprünglichen Form. Eine ähnliche Kapselbildnng, verbunden mit einein Ruhezustand, ist bei vielen anderen Urwesen beobachtet worden.
(Schluß folgt.)
L> e rc o i c a.
Von
Carl Kleibtreu.
(Fortsetzung.)
IV.
Die Nachhut der Großen Armee.
ine zertrümmerte Scheune. Biwak. Soldaten schlummern rings ans Heuhaufen oder am Boden, alle in hart mitgenommenem Zustand und zerlumpten Uniformen. Die Gewehre in der Mitte zu einer Pyramide zusammengestellt; daneben eine zerrissene Adler-Fahne aufgepftanzt. Ein junger Lieutenant schläft dicht davor. Eine einzige Fackel beleuchtet die Scene. — Plötzlich hört man: Wer da! Wer da! „O, tretet mich nicht — ich bin auch ein Mensch!" lallt schlaftrunken der Lieutenant im Traum. „Wer trampelt über mich weg? Reiter und Rosse und Kanonen!" Er wirst sich unruhig hin und her. „Beresina, Beresina!" Da tönen draußen Stimmen durcheinander: „Wer da! — Gebt die Parole!" Eine heisere Stimme antwortet die Parole: „Beresina."
„Passiert. — Halt! Woher?"
„Vom Hauptquartier."
Und immer noch röchelt der Lieutenant im Traun:: „Rettet den Kaiser, den großen Kaiser! — Was, Ihr werdet doch den: Kosakengesindel Mores lehren? Ganzes Karree: Feuer! Fünf Lot Blei dem Pack in die Gedärme! Uff!" Er erwacht. Das Schennenthor geht aus. Ein Grenadier mit einer Fackel leuchtet. Ein kleiner Mann, in einen Pelzrock und Pelzmantel vermummt, den Hut tief in die Stirn gedrückt, mit Schnee berieselt, tritt hastig ein. „Holla!" Der Lieutenant springt ans. „Was giebt's? Wer da?"
„Gut Freund. — Welches Regiment hier?"
„Wer sind Sie? Darf ich bitten "
„Wer kommandiert? Wer hat zu melden?" schnarrt jener im Kommandoton. „Antworten Sie! Ich frage: welch Regiment hier?"
Der Lieutenant grüßt militärisch. „Zu Befehl! Ich habe die Wache. Regiment Frankfurt, erstes Bataillon."
„Ah, von der Deutschen Division Fürst-Primas." Ans die Schläfer deutend: „Das ist alles?"
„Alles," echot es dumpf. „Beresina!"
„Ja, Beresina!" Pause. „Wie steht's mit dem Proviant und der Bekleidung?"
„Schlecht. Es fehlt an allem." Rasch fügt der Lieutenant hinzu: „Soll ich vielleicht den Herrn Major wecken?" Er deutet in eine Ecke der Scheune.
„Nicht nötig. Alan wird Rat schaffen. In Wilna sind große Magazine. Wollt Ihr Pelze?"
„Ach ja, Herr — Herr Intendant."
„Gut. Wieviel Rationen Brot?"
„Nur noch für zwei Tage, wenn wir sehr sparen."
„ Und Branntwein?"
„Ist uns fast ausgegangen."
„Reicht das Pferdefleisch noch?"
„Ach nein, Herr Intendant. Alle Osfizierspferde sind schon geschlachtet."
„Gut, gut. Man soll Euch von Wilna einen Viehtrans- port entgegenschicken. — Guter Marsch hierher?"
„Viel Kosaken."