Issue 
(1889) 13
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Seite 224.

Deutschland.

13.

angenehm:Herr, den zn kennen ich nicht die Ehre habe . . . was suchen Sie hier?"

Ich bin das treue Rnstan, Monsieur."

Was, Rnstan der Mameluck?"

Das treue Mameluck von Seine Majestät das Kaiser. Allah Akbar! O was für Kalte hier! Brrr, brrr! Bei uns zn .Haus vill warm, vill gutes Luft. Hier oh! Wohin hat mich verlockt Bounaberdi mein Sultan! Salem Aleikum!" Noch in der Thur wendet er sich:Hinter mich ins Schlitten kommen das Großvezier und zwei Paschas mit drei Noßschweife."

Der unglückliche Lieutenant fällt aus den Wolken:Groß­vezier? Was ist denn das schon wieder? Paschas mit drei Roßschweifen? Ist denn heute nacht die ganze Hölle los?" Draußen Stimmen:Wer da?"Passiert!"Präsentiert das Gewehr!"Holla, das sind wohl die diversen Paschas!" Er stellt sich in Positur.Empfangen nur sie!" Drei Höhere Offiziere treten hastig ein, in dicker Vermummung. Er eilt ihnen entgegen:Habe die Ehre zn melden als Offizier der Hanptwache."

Der Stattlichste der drei nickt gnädig:Ich bin der Fürst von Wagram und Nenfchatel. Ties der Herzog von Vi­cenza, dort der Großmarschnll des Palastes." Berthier, Cau- lainconrt, Duroc!

Der Lieutenant verbeugt sich und denkt bei sich:Da wäre der Großvezier und die Roßschweife!"

Der Großmarschnll Dnroc redet ihn an:Also, es fehlt hier an Zwieback und Branntwein?"

Zn Befehl, Herr Marschall. Aber wie wissen dieselben ?"

Ein Kaiserjüger-zn-Pferd wurde uns entgegengesandt, mit dem Befehl Sr. Majestät, dies Manko zu notieren. Ans Wilna wird demnächst das Vermißte eintreffen."

Der Lieutenant ist starr. Also war der kleine Herr . . . der Intendant, der . . . ihm schwindelt der Kopf.

Berthier erhebt die Stimme:Se. Majestät der Kaiser- Haben befohlen, das hier lagernde Deutsche Regiment Frank­furt der Arridregarde zu überweisen. Das Kommando über dieselbe hat der Marschall Ney übernommen, laut allerhöchster Ordre."

Ja, aber . . ." füllt Canlainconrt ein.Wo befindet sich dieser? Ich habe demselben das soeben erlassene letzte Bulle­tin zu übergeben, das jeder Kommandierende seinem Corps ver­lesen soll."

Der marode Mann, der sich selbst als Nachhut der Nach­hut bezeichnet, lag bisher ruhig am Boden und hörte halb­schlafend zn. Jetzt springt er ans:Her damit!"

Canlainconrt, zurückprallend, starrt den Unbekannten an: Wer sind Sie, mein Herr?"

Wissen Sie was vom Mnrschall?" fragte Dnroc eifrig. Er besichtigt die Vorposten, wie man hört."

Jener aber entblößt sein Gesicht, so daß Licht darauf füllt. Ja, ja, der bin ich eben. Ich bin die Nachhut der Großen Armee, ich bin der Marschall Ney."

Da brechen alle in ein begeistertes Vivat ans:Es lebe der Tapferste der Tnpfern!"

Berthier reicht ihm die Hand:Hochwillkommen, Marschall. Also: im Namen des Kaisers übernehmen Sie das Kommando!"

Canlainconrt, ihm herzlich die Rechte schüttelnd, setzt hin­zu:Und ich, mein Fürst von der Moskwa, lege in Ihre

Hände das Bulletin nieder, das letzte der Großen Armee in Rußland."

Alle schlafenden Soldaten sind allmählich aufgewacht und aufgesprungen, andere drängen durch die Thür. Man bildet einen Kreis.

Ney nimmt das Bulletin.Achtung, anfgepaßt!" Er räuspert sich.Malodeznv, 31. Dezember .... Die Ge­sundheit Sr. Majestät des Kaisers hat sich nie besser befunden."

(Forschung folgt.)

Theodor Fontone.

Von

Ircrnz Servcre^.

Tor ist in tiefster Teele treu.

Wer dir Heimat liebt wie Tu.

A rchibald TougI a S.

n der Mitte dieses Jahres haben wir den siebzigsten Geburtstag von Gottfried Keller gefeiert: am Ans­gange desselben feiern wir den gleichen Tag bei Theo­dor Fontane. Derselbe Jahrgang, doch unter verschiedener Sonne gereist! Dort unverfälschtes Schweizerblut, hier gute, märkische Eigenart, wenn auch die Wiege der Ahnen in der Gascogne stand. Beide Male aber ein Mann von echtem Schrot und Korn und von weitester deutsch-nationaler Gesinnung. Beide Male auch ein echt episches, beschauliches Fnbuliertalent, durch Inbrunst des lyrischen Könnens und Fuhlens zn starkem, persönlichem Stile herangereift.

Fontane gehört zn den seltenen Männern, bei denen hin­ter jedem, auch scheinbar unbedeutenden Worte stets der ganze Mensch hervorschant. Mag ein solches Wort dann auch mit­unter hart und eckig herauskommeu, wie es bei einein Sohne märkischer Erde nicht verwundern kann, stets klingt doch ein tieferer Gemütston mit, der ihm einen unverkennbaren Glanz und eine unverwischbare Farbe giebt. Wie er dies anstellt, hat er gelegentlich verraten, wenn er dem heutigen Geschlechte

O lerne denken mit dein Herzen, lind lerne fühlen mit dem Geist!

Dieses Gebot wird freilich nicht jeder befolgen können, zu­mal in unseren nüchternen Zeitläuften. Bei Fontane selbst aber ist es kein kaltes Gebot, sondern ein zur innersten Natur gewordenes Charaktermerkmal. Stets ist sein Fühlen, so warm und lebendig es auch sein mag, durch ein gesundes Denken ge­zügelt; und wenn sein Geist an den Fragen unserer Zeit über­all rüstig mitarbeitet, dann klopft der Pulsschlag des Herzens unmittelbar daneben und giebt dem Denken Kraft, Liebe und Wärme.

Daher ist denn auch Fontane, so unverdrossen er überall mit der Zeit fortschritt, von den Krankheiten unserer Zeit völlig ver­schont geblieben. Das Grämliche und das Blasse und das Geist­reichelnde sind ihm gänzlich fremd. Vielmehr hat er sich, gleich seinem Altersgenossen Keller, vor allen Dingen einen fröhlichen, unbeirrbaren Lebensmut gewahrt, aus dem ihm die Schaffens­kraft quillt.Wer schassen will, muß fröhlich sein," sagt er in einem Liede, und an dieser schöpferischen Fröhlichkeit scheint es ihm selten gemangelt zu haben. Zwar hat cs ihm in der Jngend wie im Alter an ernsten Stunden nicht gefehlt, und auch er hat sich nicht ohne Thrünen zu der stolzen, frohge­muten Klarheit durchgerungen, die ihn heute auszeichnet. Aber schon früh hat er sich die Thränen bald wieder von der Wange gewischt, der lieben Sonne zugelncht und ist freudig an sein Tagewerk gegangen wie er es in einem Gedichte schildert:

Zerstoben sind die Wolkeninassen,

Die Morgensonn' ins Fenster scheint:

Nnn kann ich wieder mal nicht fassen,

Das; ich die Nacht hindurch geweint.