Heft 
(1889) 14
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den Tod herbeigeführt als Notwendigkeit nnd Vorbedingung ',n ihrem" höchsten Schaffen.

Schon die Teilung einer Einzelzelle in eine Anzahl bei einander verbleibender ist in gewissem Sinne eine Arbeitstei­lung. Deutlicher wird dieselbe, wenn die Zellen zum Teil we­nigstens verschiedene Leistungen übernehmen; mögen auch diese Verschiedenheiten zu Anfang noch sehr gering sein. So haben wir bei den meisten höheren Tieren einen Urentwickelungszu- stand, der als Becherlarve oder Gastrula bezeichnet wird. Die ursprünglich einfache Zelle, die für jedes Einzelwesen den Aus­gangspunkt bildet, teilt sich zu einem kugelförmigen Haufen, nnd dieser stülpt sich ein, so daß wir zwei Zellschichten haben, eine innere und eine äußere, zwischen die sich bald durch wei­tere Teilungen eine dritte lagert. Die Zellen der inneren Schicht besorgen nun allein die Nahrungsaufnahme, die der j äußeren (desHautblattes") bilden Schutz und äußere Um­grenzung. Am Umstülpungsrande beider befindet sich der Ur- mund. So ist die erste deutliche Arbeitsteilung vollzogen: ver- > bauende und nicht verdauende Zellen treten auf. Deshalb ^ heißt dieZnnere Schicht in der Sprache der Wissenschaft auch ^ das Darmblatt oder der Urdarm. Viele Tiergruppen, wie die Schwämme, bleiben zeitlebens auf dieser Gestaltungsstufe stehen. Als Übergangszustand ist sie selbst bei Wirbeltieren uachge- ^ wiesen. !

Doch hier soll nur das Wesen der Arbeitsteilung ge- ! kennzeichnet Werder:. Wie wir auf den untersten Sprossen der Lebensentwickelung verdauende und nicht verdauende Zellen sich sondern sehen (auch bei den Pflanzen!), so scheiden sich bald auch empfindende und bewegende, leitende und speichernde, ! schützende und stützende, wärmende und stofsbcreitende. Alle diese Sonderungen geschehen durch Teilung; durch ungleiche ^ natürlich, denn sonst könnte kein ungleiches Ergebnis heraus­kommen. Die Mischung der Stoffe kann nicht mehr dieselbe bleiben bei den sich trennenden Gliedern.

Eins aber liegt all diesen Teilungen in ihren ersten An­fängen zu Grunde: die Scheidung in Zellen, die noch alle Mischungsstoffe enthalten, und solche, die bereits die Anfänge einseitiger Ausbildung erkennen lassen. Die ersteren sind die : Keimzellen, aus denen durch Teilung immer wieder alle Ab- l arten von Zellen entstehen können. Der Botaniker bezeichnet! Gewebe, die nur aus ihnen bestehen, als Urgewebe oder Bil- dungs- bezw. Verjünguugsgewebe (Meristem oder Kambium). Der Gesamtheit aller Keimzellen hat man neuerdings für jedes Lebewesen die Gesamtheit aller übrigen als eigentlichenKör­per" und seine Bestandteile alsKörperzellen" gegenüberge­stellt. Bei den Pflanzen sitzen die Keimzellen an der Spitze jedes Zweiges, jeder Knospe, jeder Wurzel; bei den blühenden Gewächsen auch im Innern jeder Blüte. Und keiner dieser Teile, der sich regelrecht entwickelt und nicht von anßen ge­hemmt und gestört wird, bleibt jemals dauernd stehen; durch fortgesetzte Teilung bildet er neue Einzelarbeitszellen, die nach Lösung ihrer Aufgabe zu Grunde gehen; und immer bleibt ein Rest. Das Innere der Samenknospe eines Fruchtknotens, das aus den Stnubzellen einer gleichartigen Blüte oder Pflanze die nötige Ergänzung seines eigenen Keimstoffes ausgenommen hat, entwickelt sich zum Samen mit dem schlummernden Keim­ling; am Keimling aber wieder sind es die Zellen des Wür- zelchens und des Knöspchens, die bildungs-, teilungsfähig blei­ben und den Faden des ewigen Lebens weiterspinnen, mag auch der reife Same schon in abgeschlossener Hülle von der Mutterpflanze getrennt sein.

So sondert sich Eigenkörper und Keimkörper bei jedem lebenden Wesen, das der Arbeitsteilung verfallen ist; und bei den anderen sind beide eins. Und weil der Keimkörper stets unsterblich ist, so sind die einfachsten Wesen überhaupt unsterb­lich, weil bei ihnen alles Keim und Eigenleib zugleich ist.

Die Airwendung des für die Pflanze Ausgeführten auf die tierischen Wesen bis zum Menschen hinauf wäre nicht schwer, würde aber nur bereits Gesagtes wiederholen.

Götte nimmt nun an, daß alle Wesen sterblich seien,

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und daß die Lebensmasse den Keim des Todes in sich trügt, schon wenn sie znm Leben erwacht. Wer aber nicht geneigt ist, in den von Götte angeführten Fällen wahren Tod zu sehen, der wird, sich Weismann anschließend, den umgekehrten Schluß ziehen, nämlich: alle Lebensmasse ist unsterblich. Es giebt kei­nen Tod aus inneren Ursachen; der Lebeusstofs ist seinem inneren Wesen nach zugleich ein Träger ewigen Lebens. So­lange er die volle Mischung der Bestandteile enthält, tritt dies auch stets in die Erscheinung; erst die Arbeitsteilung vermag durch Abspaltungen von ihm Zellen von begrenzter Dauer zn schaffen, welche dabei immerhin eine Zeitlang sich auch zu vermehren und ihresgleichen zu erzeugen im stände sein können. Darum ist auch das sogenannte Wiedererzengnngs- oder Re­generationsvermögen am meisten bei solchen Tieren ausgebildet, die noch auf unvollkommeneren Stufen der Arbeitsteilung stehen; Quallen, Seesterne, manche Seerosen nnd Ringelwürmer, ja Teile selbst von Gliedertieren, wie den Krebsen, vermag man in Stücke zn zerschneiden, so daß sich jedes Stück wieder zn einem vollkommenen Tiere oder Teil ergänzt. Tie Zellen müssen hier, obgleich bereits gesondert, noch so viel von der vollkommenen Mischung der ursprünglichen Keimbcstandteile enthalten, daß sie im stände sind, im Notfall noch an Stelle der eigentlichen Keimzellen anszuhelfen.

Dies letztere entspricht der Ansicht Eimers, der auch der Schreiber dieses Aussatzes sich anschließen möchte, während Weismann allerdings eine etwas andere Auffassung vertritt. Er leitet den Tod der höheren Tiere und Gewächse nämlich aus inneren Ursachen infolge stattgehabter Anpassung ab, welche durch unendliche Zeiträume gewährt und schließlich zu dem jetzigen Stande der Dinge geführt habe. Ursprünglich war auch ihm die gesamte Lebensmasse unsterblich, aber nur bei den Einzellwesen und beim Keimkörper der übriger: ist sie es geblieben. Beim Eigenkörper dieser hat sie ihre inneren Eigen­schaften verändert; ursprünglich war sie aber auch hier ihrem inneren Wesen nach aus unbegrenzte Dauer angelegt. Weis­mann glaubt, daß sich für die durch Arbeitsteilung höher ent­wickelten Wesen im Laufe der Zeit die Unsterblichkeit des Eigen­körpers als überflüssig und unnütz erwiesen habe und allmäh­lich durch Nichtvererbung im Kampfe ums Dasein ansgerottet worden sei. Ter gewaltsame Tod hat mit der Zeit die über­lebenden Unsterblichen aus jener Eutwickelnngsstufe hinwegge- rasst, da sie sich nicht genügend vermehrten, um deu nötigen Ersatz zu schassen. Er hat es gethan infolge der unvermeid­lichen Beschädigungen, denen jedes Wesen im Laufe seines Da­seins ansgesetzt ist, nnd die nur bei den niederster: immer wieder vollkommen ausgeglichen Werder: können. So ward, was dem Einzelwesen nützlich, dem Bestände der Art als sol­cher hinderlich, und die bessere Anpassung an umgebende Ver­hältnisse entschied zu Gunsten der Gesamtheit.

Ring man dieser Ansicht auch im allgemeine:: beipflichten, so wird man doch die Lösung des Rätsels noch einfacher fin­den, wenn man die Begrenzung der Dauer für eine einfache innere Folge der Arbeitsteilung hält, die auf Gründen des Stoffwandels beruht, aber freilich durch Daseinskampf und natürliche Auslese noch beschleunigt Werder: mag. Und ziehen wir die Summe des Ganzen, so finden wir, daß die kleinsten und einfachsten Weser:, so niedrig und begrenzt auch ihre Lebensäußerringen sein mögen, doch irr einem dem höchsten, dem Meister der Schöpfung, überlegen sind. Machtlos steht der Mensch dem unendlichen Heer der unsterblichen Spaltpilze gegenüber, die sein Leber: bedrohen; denn er kann nur die ein­zelnen töten, niemals die Art. Und sie kämpfen nicht mit ge­ringeren Waffen, denn sie treten nur als Gesamtheit ihr::, dem einzelner!, gegenüber. Wo das Einzelwesen zur höchsten Voll­endung gebracht ist, da leidet die Masse, die Art; und ewig währt der Kampf zwischen Gesamtheit und Eigendasein.

Über beides Hilst nur eins hinweg: die unendliche Ein­heit in der Natur. Sie kennt keine trennende Schürfe, kein Ent­weder: Oder. Nicht Leben und Tod, nicht Tier und Pflanze, nicht Gesamtheit und Einzelleben sind ihr urwerbrüchliche

Deutschland.