Heft 
(1889) 14
Seite
244
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Seite 244.

Deutschland.

cklZ 14.

dem Herrn Großvater ein Flnnmenbett nnd eine Zipfelmütze! Sie sind entlassen, adieu."

Sire, ineine Verwundung ..."

Bedingt Ihre Entfernung, sehr wahr. Darum reisen Sie eben unverzüglich nach Paris zurück, . . . nur Ihre Wun­den zu heilen."

Ja, ja, ich leide. Meine Seele ist niedergedrückt von so vielen Opfern . . . wehe jenen Schändlichen, welche Mich, den Friedenssürsten, durch Attentate auf meine Ruhe und Freiheit zwingen, das Schwert zu ziehen . . . Doch getrost, meine Braven, jenseits der Weichsel wie jenseits der Donau bleiben wir immer die französischen Soldaten der Großen Armee . . . und aus den eroberten Kanonen wird man den Helden ein Denkmal gießen . . .

Unter den schneebedeckten Tannen, unter nmgestürzten Kreuzen des Gottesackers, heult ein Hund nach seinem toten

Herrn.

VI.

Hallali!

Vom Kirchturm des Dörfchens Waterloo schallen dumpfe Glockenschläge, wie auf dem Meer die Signale des Nebelhorns für verirrte Schiffe, durch den Dunstkreis, der vom Ardenner- wald herab den Berghang Mont St. Jean überwogt, Negen- schleier und Pulverdampf farblos vermischend.

Der Glockenturm verkündet die siebente Abendstunde des Schicksalstages, die Stimme der Weltgeschichte gellt über das Schlachtfeld hin. Niemand giebt acht auf die Glocke. Weiter brandet die Sturmflut. Der gallische Hahn setzt sich auf alle Dächer und Giebel der Gehöfte, kräht nach immer neuen Opfern, reckt den Schwefelkamm gen Himmel, rot-weiß-blau, die Tri­kolore. Unablässig prasselt wie Hagelschauer die Kugelsaat in den Blutsumps, der sich am klebrigen regennassen Boden staut. Bei den englischen Geschützen liegen die Kanoniere niederge- sübelt, noch im Tod die ehernen Rohre umklammernd. Die ehernen Wogen des französischen Reitersturms ebbten lange zurück. Die Klinge zersplitterte samt dem Panzer. Geborstene Kürasse der Geharnischten und ihre gelben Messinghelme mit dem schwarzen Roßschweif lagen massenweise aufgetürmt, da­zwischen die Raupenhelme und roten Waffenröcke der Engländer.

Die Abendsonne sinkt purpurn ans Mont St. Jean. Stumm wurde es auf der Bergeshöhe, kein Roß sprang mehr zum Paukenwirbel, kein Reiter wusch seinen Harnisch in Blut. Da plötzlich dröhnt scharfer Trommelwirbel auf der ganzen französischen Linie, die eine letzte ungeheure Anstrengung zu durchzucken scheint. Höher schwingt jeder Adler den Fittich zum Siegesflug, doppelt blank scheint jede Waffe im letzten Sonnenschimmer der Hoffnung zu strahlen. Doch durch die weißen Seidenfahnen Albions weht es wie bange Ahnung, und ein Flüstern geht um in ihren wankenden Reihen: Die Alte Garde kommt! Die Musikbanden spielen ist's mög­lich, die verpönte Melodie? Nur einmal durfte sie auf höchsten Befehl ertönen, im Trinmphmarsch beim Einzug durchs Brandenburger Thor Berlins 1 ^ 06 , jene Schlachtcnhymne der republikanischen Heere, welche den Soldaten hundert Siege ins Gedächtnis znrückrief. Nun, heute endlich einmal sei es ge­stattet, daß die Musik den Flammenworten des berauschenden Gesanges stürmische Fittiche verleihe. Was einst die Väter bei

Jemappes ans der Flucht gehemmt und mit dem Wahnsinn des Opfermutes fortgeriffen, als die Volksreprüsentanten, den Feder­hut hoch ans dem Degen, vor den Pickenhorden das jeden Nerv empörende und stachelnde Lied angestimmt, bis die roten Mützen der Lorbeer umwand das singen hier die Söhne, die Le­gionäre des fränkischen Cäsaren. Soll das Tauf- und Wcihelied der Revolution als Leichenmesse des Kaiserreiches dielten? Und so singen denn alle Bataillone fröhlich mit, als die Musik der Marseillaise die Schritte beflügelt, als Hörner, Cymbeln, Hoboen lind Trommeln diese bald himmelhoch jauchzenden, an Drom- mctengcschmetter und Rvssewiehcrn gemahnenden, bald düster grollenden schwcrtscharfen Töne in eilten brausenden Chor ver­schmelzen als würden alle die goldnen, flornmwundeneu Adler lebendig nnd rauschten zum todesfrohcn Siegesfluge em­por. Die ruckweisen Takte des Stnrmmnrsches werden im Donner der Fenerschlünde erstickt, die mit fieberhafter Hast gegen die Sturmsäule losbrüllen. Doch tausendfacher Hagel fährt klirrend in den wandelnden Männerwald, dessen Zweige sich splitternd senken. Überall sprießen Purpnrhecken ans dem ge­röteten Boden ein brennender Busch voll Bajonettendornen --- die Dornen färben sich mit Blut: die englischen Garden in ihren Scharlachröcken stehen wie die Mauern.

Da bebt die Luft von Angstgeheul, als schölle zur Posaune des jüngsten Gerichts das Geschrei der Verdammten, als es markerschütternd zum Himmel tönt: Die Alte Garde weicht!

Alles verloren! Rette sich wer kann! Ein stolzes Hurra birst in alle Lüfte aus. Der Feind überschwemmt das Schlacht­feld, Briten nnd Preußen vermischt. Die Garde bildet Vier­ecke und kämpft fort. Um den Kirchhof von Planchenoit drüben an der Rückzngsstraße türmen die alten Prätorianer ans ihren Leichen eine undurchdringliche Mauer ans. In ungebrochener Haltung steht dieGrnnitkolvnne von Marengo" in ihren Vierecken und zeigt, daß sie in hundert Schlachtenfencrn zn- sammengeschmiedet. An ihrer Festigkeit bricht sich der Schlacht­orkan, wie am Leuchtturm ohnmächtig zerrinnende stnrmgepeitschte Wogen. Dann wieder bohrt der scharfkantige Menschen-Orlog sich eine Bucht in diesem Meer des Entsetzens, ans dem man verzweifelte Schwimmer an Bord zu reißen sucht, allen Versprengten die Vierecke öffnend. Trägt man doch am Steuer­bord den Cäsar und sein Unglück! Seine letzte Legion schlägt ihres Kaiseradlers eherne Flügel um sein geweihtes Haupt zu­sammen. Schwanke fort mit deinem alten Admiral, du morsche Galeere! Eine neue Welt der Gloire wird dein Columbns dir nicht mehr entdecken.

Der Abendscharten sank ans Mont St. Jean, alsRnle Britannia" ringsum tönte, doch kein, kein Ln avant!

Und unaufhörlich, wie spülende Flut über Brückenstege, immer neue Planken lockernd, rast der Reitertroß von allen Seiten ans die Garde ein, die Leichenwache des Empire, Gra­naten als Totenfackeln. Noch blitzt ein Aar mit goldenen Augen umher, die Franze der Trikolore schimmert unheimlich durch den brenzligen Qualm.

Ich glaube, sie sind mitten unter uns," wirft der Im­perator gleichgültig hin. Sein fahler Schimmel betrachtet mit gesträubter Mähne, weit vorgestreckten Halses, den Adlerträger, der eben, im Sterben das heilige Zeichen umkrampfend, zu Füßen seines Kriegsherrn sich seine Grab wühlt. Die Getreuen zerren am Zügel des Renners - - rette Dich, rette Dich, Cäsar!