Heft 
(1889) 20
Seite
339
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Deutschland.

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Vorratskammern im Pflanzenreiche.

Bon

vr. Gheoöor Icrerrfch. (Schluß.)

die Natur ist niemals verlegen in der Wahl ihrer Mittel, wenn es gilt, dieselben Zwecke in verschiedener Ausgestaltung der Form zu erreichen; und nicht immer müssen es Zwiebeln sein, die sie als Vorratsbehülter den Pflanzen mit auf den Weg giebt. Mit Wurzelstöcken und Knollen, mit Holzgebilden und Winterknospen erzielt sie dasselbe. Die Zwiebelgewächse sind nicht die einzigen Bewohner des Step­penlandes ; hochwachsende Gräser vrschiedenster Art verleihen ihm ein fast noch vorherrschenderes Gepräge, und von noch anders ausgerüsteten Bewohnern solcher Gebiete soll am Schlüsse die Rede sein. Die Gräser überstehen die schlimme Zeit mit Hilfe lang­gestreckter Wnrzelausläufer und deren Verzweigungen, und auch in diesen häufen sich Vorratsmassen speicherartig auf, die erst später ihre Verwendung finden. Darum dienen sie auch nicht bloß als Helfer in trockenen Zeiten: Gräser und Riete be­decken den Boden in den Heimatslündern der hochnordischen Pflanzenwelt, wo es an Feuchtigkeit nicht fehlt. Sie sind dort fast die einzigen Vertreter der Blüten des Gewächsreiches. Was in den Steppen die trockene Hitze vernichtet, zerstört hier die Kälte des eisigen Winters; aber sie dringt nicht tief genug in den Boden, um den Zusammenhang des Lebens abzuschneiden. Auch der kurze Pollandssommer erweckt darum noch Leben und Grünen.

In geringerem Maße wirkt auch bei uns der Winter ähnlich wie dort, und auch wir haben genug der Gewächse, die mit unterirdischen Teilen ansdauern. Das Schneeglöckchen mit seiner Zwiebel, die Maiblume mit ihrem wnrzelühnlichen Haupt­stamm, ein bedeutender Teil unserer Gräser giebt lehrreichen Ausschluß hierüber. Die Ragen oder Knabenkräuter (Orchideen) unserer Gegenden sind stets mit ausdauernden Knollen eigen­tümlicher Art ansgestattet. Aber auch die Sommertrockenheit hat je nach der Lage des Bodens bei uns ihren Anteil daran, und das mit starker Zwiebel versehene Blautrünbchen (lVIrrsoari IN66M08UM und andere Arten derselben Gattung) muß man oft ans den zerbröckelten Teilen des ansgetrockneten Bodens höher gelegener Standorte ansgraben. So sind auch die meisten heimischen Zwiebel- und Knollengewächse Frühlingspflanzen, und nur ans den Alpenmatten trifft man sie später zur Zeit des Kalendersommers, wenn unten bereits andere Vertreter der Krantwelt ihr Recht ansüben und mit ihren Blüten die Land­schaft beherrschen.

Übrigens sind Zwiebeln, Knollen und Wnrzelstöcke auch in der Form sämtlich nur Ausführungen desselben Grund­gedankens: sie alle sind Knospen. Sie bestehen aus einem Stammteil mit wachsendem Scheitel, umgeben von Blättern. Bei den Zwiebeln herrschen die letzteren vor, und der eigent­liche Stengel ist zu einem scheibenförmigen Gebilde verkleinert, an das in der Runde die Schalen sich setzen; der spätere Blütenschaft entsteht erst aus dem Gipfelteil dieser Scheibe, des sogenannten Zwiebelknchens. Wenn aber die Blätter zu kleinen, kaum sichtbaren Schuppen verkümmert sind, die später ganz zu Grunde gehen und nur unansehnliche Narben als Spuren zurücktassen, dann bildet der Stengel den Speicher und dehnt sich entsprechend der Menge der Vorräte aus, die in ihm Platz finden sollen. Ist er dann mehr in die Länge entwickelt und wächst wagerecht unter der Erde dahin, so nennen wir ihn Wnrzelstock; ist er zu einem kurzen, dicken, oft kugelförmigen Gebilde angeschwollen, so geben wir ihm den Namen einer Knolle. Auch die Kartoffel, die auf unseren Tisch kommt, ist ein beblätterter Sproß; aber die Blätter sind klein und nur bei ganz jungen Knöllchen wahrzunehmen, während der nahrung­bietende Stengelteil oft nur zu früh zum Leidwesen der Haus­frauen seine Seitenzweige aussendet und sich selber von Nah­rung entleert.

Auch die Winterknospen unserer Bäume gehören hierher. Unter der schützenden Hülle ihrer braunen Deckschnppen trotzen sie dem Frost und bergen im Innern gespeicherte Stoffe, denen die Frühjahrswürme genügt, um in wenigen Tagen die Hülle zu sprengen und in Gestalt junger Zweige sich vorznschieben, die alsbald die erst anliegenden Laubblütter entfalten und die Landschaft nun mit einem Male in weithin sichtbares Grün kleiden. Auf lange reicht freilich der in ihnen gehäufte Vorrat nicht ans; der Baum hat jedoch weitere Vorsorge getroffen und auch in den Zellen des Rindengewebes Stärke und Ei­weiß gesammelt, ans denen der nötige Nachschub erfolgt. So leidet die Raschheit der Frühjahrsbelaubung keinen Einhalt; erst wenn die Blätter zur vollen Krone sich entfaltet haben, kann ja neue Nahrung aus der Kohlensäure der Luft gebildet werden. Bis dahin muß Stoff und Kraft des vergangenen Jahres zur Unterhaltung des Wachstums dienen.

Der allgemeinste Fall aber, wo Aufspeicherung von Vor­räten für kommende Zeiten stattsindet, ist die Bildung der Samen. Die junge Pflanze, die keimend das Leben der alten fortsetzen soll, muß für die erste Zeit ihrer Selbständigkeit das Nötige mithaben, um sich erst soweit zu bringen, daß sie sich selber mit Nährstoffen versorgen kann. Solange ihre Wurzel nicht genügend ausgebildet ist und sich hinreichend im Erd­boden verzweigt hat, solange ihre Blätter nicht ergrünt und zum Licht emporgehvben und ausgebreitet sind, so lange muß sie ihr Wachstum von den Baustoffen bestreiten, die ihr von der Mutterpflanze mitgegeben waren. So finden wir denn auch die Samen der Blütenpflanzen und selbst die Urkeime der Sporengewüchse mehr oder weniger mit Vorratsstoffen erfüllt. Die eigentlichen Samen sind im Grunde genominen fertige, aber in der Samenschale eingewickelte junge Pflänzchen; oder, wenn man will, bewurzelte Knospen: sie lassen demgemäß be­reits Würzelchen, Stengel und Blätter erkennen. Bei der Keimung bringen Wärme und Wasser das Ganze zum Quellen, die Hülle wird gesprengt, und das Würzelchen dringt in die Erde. Hier muß es sich erst befestigen, seine Verzweigungen aussenden und seine Saughärchen bilden, ehe es sich der Pflanze durch seine Leistungen nützlich machen kann. Es muß also wachsen und Stoff verbrauchen, und diesen entnimmt es dem Inhalt des Samens. Je mächtiger die daselbst aufgehünften Vorräte sind, desto länger kann der Keimling von bloßem Wasser leben: so bei der Bohne. Und die Nahrhaftigkeit aller Hülsenfrüchte beruht darauf, daß die ersten dicken Keimblätter des Samens dicht mit Eiweißstoffen und Stärke (weniger mit Fetten) erfüllt sind. Bei ihnen erfüllt auch der Keimling voll­ständig das Ganze. In anderen Füllen ist er nur klein, dafür aber umgeben von einem formlosen Klumpen aufgehäufter Vorratsstoffe, die den Rest des Sameninneren einnehmen. Diesem sogenanntenSameneiweiß" (Endosperm) liegen dann die jungen Blätter dicht an und wirken wie Saugwerkzeuge, indem sie durch ihre Oberhaut hindurch die Stoffe in gelöster Form aufnehmen und weiterleiten. Es gilt dies indes nur von den Keimblättern oderKeimlappen" (Kotyledonen), welche daher bis zum Verbrauch der Vorräte in der Samenhülle stecken bleiben, während die späteren echten Blätter sich erheben und durch Streckung des zugehörigen Keimstengels ans Licht gelangen. So ist es beim Ricinus und bei der Dattel; wo wir aber, wie bei der Bohne, im reifen Zustande keinen be­sonderen Eiweißmantel mehr vorfinden, ist er doch früher vor­handen gewesen; nur sind die in ihm abgelagerten Stoffe schon vor der Samenreife gänzlich in die Keimblätter übergegangen, welche denn auch den weitaus mächtigsten Teil des Keimlings ausmachen.

In allen diesen Fällen, mag es sich nun um Aufspeiche­rung in unterirdischen Vorratskammern, in der Baumrinde, in Winterknospen oder im Samen handeln, verführt aber die Pflanze in sparsamster Weise. Was an unverarbeiteten Nah­rungsstoffen in ihr enthalten ist, sei es auch in den entferntesten Teilen der Körperausbreitung, wird gegen das Ende der Grünungsdauer zurückgezogen und in die natürlichen Speicher