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schon auf mancherlei Nebenwegen sein Brot zu verdienen versucht hatte, schrieb die Rezepte der alten toten Herren ins Reine und paßte sie auch wohl den heutigen Gewohnheiten an. Er nahm dafiir von den Vereinsmitgliedern ein mäßiges Honorar, und weil sich diese so für ein Billiges ordinieren lassen konnten, und weil ferner die Krankheitsgeschichten der Mitglieder mit spiritistischer Wahrhaftigkeit öffentlich vorgetragen wurden, darum gestalteten sich eben die Sitzungen so anregend wie noch nie zuvor. Und gerade als ich mit meinen Studien fertig war, kam dazu die alarmierende Nachricht, daß der Doktor hinter dem Rücken des Vereins von unserem Medium Geisterrezepte schreiben, und sich dafür wie ein Berliner Professor bezahlen lasse. Darüber gab es ungeheure Aufregung, die einen freuten sich ehrlich über diesen neuen Triumph des Spiritismus, die andern schimpften auf die Geldgier des Arztes, von welchem sie nun ganz gräßliche Dinge erzählten, und unserem Medium wurde vorgeworfen, daß es für jedes Rezept ebenfalls Geld nahm und der allezeit leeren Bereins- kasse nicht das mindeste davon zufließen ließ.
Mein Eduard verhielt sich in seiner amtlichen Stellung als Sekretär mäuschenstill. Aber er ging jetzt häufig in die Sitzungen des gemütlichen Vereins „Eintracht," wo er sicher war, einen oder den andern kleinen Beamten der Kriminalpolizei anzntreffen. In der Gestalt eines derselben Hütte mich das Schicksal beinahe wieder unglücklich gemacht; denn für ein leidenschaftliches Gemüt gewährt es doch einen seltenen Reiz, mit Männern zu Verkehren, welche täglich erleben, was uns schon in volkstümlichen Romanen mit geheimnisvollem Grauen erfüllt. Doch das gehört nicht zur Sache.
Eines Tages erfuhren wir zu nicht geringer Bestürzung, daß I>r. R . . . und unser Vereinsmedinm verhaftet wären. Die Sitzung dieses Schreckenstages drohte in eine Schlägerei auszuarten. Da folgte ich plötzlich einer Eingebung oder einem Winke Eduards und verfiel in meinen somnambulen Zustand. Der Zank legte sich da zwar nicht gleich, aber die Freude, in mir vielleicht ein ebenso kräftiges Medium wie die Entrückte zu entdecken, beruhigte endlich die aufgeregten Gemüter. Es zeigte sich wieder einmal, was für eine schöne Sache doch eigentlich das Ideale ist. Das Tischchen wurde herbeigebracht und ich in meinem Traumzustand von zwei kräftigen Männern davor hingesetzt. Ich war vortrefflich. Ich geriet in Zuckungen und ! warf dabei das Tischchen so heftig um, daß der Bleistiftfnß ! neu gespitzt werden mußte. Dann redete ich eine Weile in einer ganz und gar unbekannten Sprache. Es war ein Einfall des Augenblicks, aber sehr wirksam. Plötzlich faßte ich, von heftigen Schmerzen gepeinigt, die Platte des Tischchens und begann stöhnend auf den nntergelegten Bogen Papier zu ! schreiben, viel schöner und gleichmäßiger, als das bisherige j Vereinsmedium. Ans dem Blatt war zu lesen: „Das alte ! Medium ist dein Strafgericht verfallen, den Dr. R . . . werdet Ihr morgen Wiedersehen. H." Das große H bedeutete jedesmal unter den Rezepten Hippokrates, stand in besonderen! An- ^ sehen und wurde von den Patienten mit der höchsten Taxe bezahlt.
Eduard behielt recht. Schon am nächsten Tage wurde ! das alte Medium, weil es keinen Erwerb Nachweisen konnte, j zwangsweise in seine oberschlesische Heimat befördert, der Doktor ! aber wurde auf freien Fuß gesetzt. Ihm war ganz und gar! nichts nachznweisen. Er hatte ebenso wie seine Patienten an ! den spiritistischen Versuchen aus bloßer Neugier teilgenommen und hatte seine Rezepte auf Grund des Diploms und nach ! eigner Untersuchung der Kranken beziehungsweise auf Grund der angehörten Krankheitsgeschichte abgefaßt. Die behandelten Kranken gaben sämtlich übereinstimmende Aussagen zu seinen : Gunsten ab. Als der Doktor aber herauskam, sah er etwas ^ grünlich aus und schien sich auch von dem selbigen Tage an in : Dresden nicht mehr wohl zu fühlen. Er nahm zwar auf die l Zusicherungen Eduards hin die spiritistische Praxis vorsichtig wieder auf und gestand zu, daß meine feine Bildung ihn mit Hilfe von Orthographie und Intelligenz weit besser unterstützte, ^
als Frau B . . ., aber schon nach vier Wochen rückte er mit dem schmeichelhaften Vorschläge heraus, mit ihm und den! Tischchen auf Reisen zu gehen und das vorzügliche Geschäft irgendwo zu betreiben, wo die Polizei der spiritistischen Wissenschaft weniger feindlich gesinnt war. Ich war um so leichter zu überreden, als ich von jeher eine romantische Neigung gehabt hatte, fremde Residenzen aufzusuchen. So verließen wir denn das undankbare Elb-Athen und schlugen unser Wanderzelt zunächst in den wohlhabenden Städten Schlesiens, sodann in den Jndustrieorten des nördlichen Böhmens auf. Ich werde darum jetzt über meine segensreiche Thätigkeit als ärztliches Medium zu berichten haben.
Vorher muß ich noch erwähnen, daß meine Privatver- hültnisse nach einem kurzen Seelenkampfe eine besonders erfreuliche Wendung nahmen. Mir hatte der Doktor für meine Beteiligung an seinem Unternehmen ein ganzes Drittel des Reingewinnes zugesichert. Nicht deshalb, aber weil Eduard doch keine solche Künstlernatur war, wie ich sie in ihm zuerst geliebt hatte, wollte ich ihn ohne Abschied verlassen. Er aber witterte etwas und bereitete mir eine fürchterlich leidenschaftliche, ja sogar heftige Seene. Er beschwor mich bei den Erinnerungen an unsere Liebe, er warf mir in wirklich schönen Worten meine Treulosigkeit vor und gab mir deutlich zu verstehen, daß ich nur durch seine Hilfe und seine Liebe Medium geworden sei und ebenso durch seinen Haß wieder in mein Nichts, ja noch tiefer zurückgeschleudert werden könne. Als ich vor Eduard zittern mußte, da erwachte den ewigen Gesetzen des weiblichen Herzens zufolge ineine Liebe wieder, und ich überredete den Doktor leicht, ihn als Gehilfen oder Sekretär mitzunehmcn. Freilich mußte sein Gehalt von meinem Drittel bestritten werden. Eduard verlangte eine Sicherheit, der Doktor wollte keinen Vertrag abschließen. Da lächelte Eduard wie in den glücklichsten Tagen unserer jungen Minne und sagte, er suche und finde Sicherheit, Vertrag nnd Lebensglück einzig und allein in der Ehe mit mir. Ich gab ihm mein Jawort. Denn wenn er auch so klug handelte, wie es dein Manne im Kampfe ums Dasein geziemt, so war doch seine Neigung zu mir echt nnd wahr. Äin fünften Mai des Jahres 187!» schlossen wir unfern Bund vor dein Altäre und am selben Tage fuhren wir mit dem Doktor zusammen nach Görlitz, für diesen eine Geschäftsreise, für uns die Hochzeitsreise, auf welcher in den Pfiff der Lokomotive die Gesänge der Nachtigallen hincintönten.
«Fortsetzung folgt.»
Acklime Meinen öes AchinnöachiMerF.
Bon
Eduard van Äuuernfrld.
Die Woche besteht aus sieben Tagen,
Die rastlos durcheinander jagen,
Domini manche Stunde auch gebrochen,
Im Uu zerflattern die kurzen Wochen.
Das Alter sei heiter, behaupten sie. klein, so verdrießlich war ich nie!
Mau wird es eben so allmählich,
Eich und den andern unausstehlich.
* -i-
Die Weisheit sei des Alters Gabe,
Lin weiser Alter ein weißer Rabe!
Zwei Alte begegnen sich außer Haus Und sprechen sich miteinander aus.
Der eine denkt sich: „Ich bin noch rührig,"
Der and're: „Nichts vom Alter spüU ich;" -
Und also trennen sie sich am Lude
Und schütteln sich selbstzufrieden die Hände.
- (Fortsetzung folgt.)