Heft 
(1889) 21
Seite
351
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Deutschland.

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BZ 21.

dastehen m:d leuchten sah, dacht' ich mitunter, er werde reden wie der selige Memnon aus seiner Säule. Nun, das hat er­schau damals unterlassen, und seitdem er erz- und aliveufnrbeu geworden ist, ist cs vollends damit vorbei, die besseren Tage liegen ihm und anderen zurück. Aber besser oder nicht, der alte Zieten ist überhaupt nur Vorposten an dieser Stelle, hinter dem ich (die Menge muß es bringen) an jedem neuen Tage nach links hin die Gamaschen des alten Dessaners und nach rechts hin die Fnhnenspitze des alten Schwerin blinken sehe. Vielleicht ist es auch sein Degen. Und an nrridro mei­ner Generäle türmen sich die Ministerien ans, und Pleß und Borsig, und wenn ich mich noch weiter Vorbeuge, seist ich svgar das Gitter von Radziwill, jetzt Bismarck, und dnrchdringe mich mit dem patriotischen Hochgefühle: hier Preußen unter dem alten Fritzen, dort Preußen unter dem eisernen Kanzler."

So liebte Baron Papageno zu perorieren und schloß dann in der Regel mit Citaten ans der ersten Strophe desRing des Polpkrates," womit sich seine Kenntnis der Ballade, wie bei vielen andern, erschöpfte.

Der Baron lag auch heute wieder im Fenster, aber nicht nach dem Zietenplatze, sondern nach der Mohrenstraße hinaus, und beobachtete die Sperlinge, die gerate gegenüber in der Dachrinne saßen und sich unter beständigem Gepiep und Ge- hnpf, dem dann ein abschüttelndes Flügelschlagen folgte, den Extravaganzen eines geordneten oder vielleicht auch ungeordne­ten Familienlebens Hingaben. Er sann eben darüber nach, ob er sich nicht ans moral-pädagogischen Gründen ein kleines Pnstrohr anschafsen und durch Hinüberschießen kleiner Lehm- kngeln etwas mehr Ascese heranbilden solle, als er draußen ans dem Flur die Klingel gehen hörte. Seine Wirtin mußte, der Tagesstunde nach, eigentlich noch zu Hanse sein, und so hielt er vorläufig ruhig auf seinem Bevbachtungsposten aus, bis das mehrfach wiederholte Klingeln ihn veranlagte nachzn- sehen, was es sei.

Baron Papageno hatte draußen den Postboten erwartet und war nicht wenig überrascht, statt seiner den jungen Grafen vor sich zu sehen.Ah, Waldemar! Herzlich willkommen. Wie Zeit und Jugend sich ändern! Ich schlief immer noch um elf, und Sie sind schon ans und gestiefelt und gespornt und machen Ihre Visiten. Aber bitte, geben Sie mir Ihren Überzieher. Oder wenn Sie meine Dienste verschmähen, auch gut; auch das alte «Selbst ist der Mann» hat seine Vorzüge. Hier an diesen Riegel, wenn ich bitten darf. Und nun lassen Sie mich vorangehen und den Führer machen . . . Soll ich das Fenster schließeil?"

Ich denke," sagte der junge Graf,wir lassen es wie's ist."

Gut. Oder vielmehr desto besser. Nichts über frische Luft. Ich war eben naturhistvrischen Betrachtungen hingegeben und zwar dein Liebesleben einer Sperlingsfamilie drüben in der Dachrinne. Nichts interessanter als solche Betrachtungen. Und warum? Weil wir ihnen entnehmen dürfen, daß anch das tierweltlich Jntrikateste seine Parallelstellen in unserem eigenen Leben findet. Glauben Sie mir, Waldemar, nichts falscher als die Vorstellung, daß es mit der Gattung llom.r was ganz Besonderes sei."

Der junge Graf nickte zustimmend. Der alte Baron aber, ohne sich im geringsten um Anzweiflung oder Zustimmung zu kümmern, fuhr in dem ihm eigenen jovialen Tone fort:Sehen

Sie, Waldemar, die Sperlinge. Meine Passion! Jedes Alter hat seine Passionen und die Sperlinge repräsentieren am Ende nicht die schlimmste. Hübsch freilich sind ineine Freunde drü­ben nicht und anch nicht wählerisch, eigentlich in nichts, im Gegenteil, immer krsre eoollon, aber anch immer amüsant, und das ist für mich das Entscheidende. Denn die meisten Tiere wiederum ganz nach höherer Analogie sind herzlich lang­weilig, darunter selbst solche, die für bevorzngt gelten, und fast möcht' ich sagen, den Bortritt haben. Nehmen Sie beispiels­weise den Hahn. Er denkt sich Wunder was und ist doch eigentlich nur ein Geck. Außer dem Amte, das ihm obliegt und über das ich in so früher Stunde nicht gern sprechen möchte, was thnt er sonst noch, das der Rede wert wäre? Nichts. Er hält Sommers von drei Uhr ab seine Dienststun­den. Aber das ist mir zu wenig. Und nun vergleichen Sie damit den Sperling. Immer guter Laune, gesprächig, fidel. Überall guckt er 'rein, alles will er wissen, alles will er­haben, die reinen Preußen in der Weltgeschichte der Vögel... Aber ich verschwatze mich, die Sperlinge sind nun mal mein Steckenpferd, ein etwas sonderbares Bild. Und nun nehmen Sie Platz, wenn ich bitten darf . . . Eigaretten? Oder einen Mvrgencognac?"

Und er fuhr im Zimmer hin nnd her, nm zunächst ein Kästchen Cigaretten und dann Aschbecher und Feuerzeug vor­dem jungen Grafen hinznstellen. Als er aber endlich damit zu Ruhe war, nahm er selber Platz nnd blickte mit seinen freundlich-grauen Augen, die pfiffig nnd unbedeutend in die Welt hineinsahen, seinen Besucher an.

Ich komme," begann dieser,in einer etwas difficilen Angelegenheit ..."

Also Geldsache," warf Papageno dazwischen nnd versuchte zu lachen. Denn seine Finanzlage war nicht die beste.

Nein, nicht das, lieber Baron. Es handelt sich viel­mehr nur eine Herzens- nnd Standessache. Rund heraus, ich habe vor, mich zu verheiraten."

Ah, charmant. Eine Hochzeit. Wahrhaftig, ich wüßte nicht, lieber Waldemar, was Sie mir Lieberes sagen könnten. Ich Hab' es verpaßt nnd stecke nun in meinen Jnnggcsellen- Pantosfeln. Aber wenn ich höre, daß ein anderer es wagen will, da faßt mich immer ein heftiger Neid nnd ich höre nichts als Orgel nnd Tanzmusik und sehe nichts als Bouquets und kleine weiße Atlasschnhe. Die sind anch eine Passion von mir, beinah noch mehr als die Sperlinge. Und aus allen Back­öfen werden dann Kuchen gezogen nnd abends steigen Raketen ans dem Park in den schwarz-blauen Himmel auf, nnd im Kruge, was immer das Interessanteste bleibt, giebt es nichts als Friesröcke, Brustlatz nnd Zwickelstrümpfe."

Meine Hochzeit, lieber Baron, wenn sie überhaupt statt­findet, wird mutmaßlich einfacher verlaufen. Ich habe nicht unter den Komtessen des Landes gewählt und bin, von nnserm Standpunkt aus angesehn, eine gute Stufe herabgestiegen . ."

Auch das hat seine Vorzüge. Junge Bourgeoise?"

Nein, Baron, Sie müssen noch eine Stufe tiefer. Ich habe vor, die Zustimmung des Mädchens vorausgesetzt, mich mit der Schwester der Pittelkow zu verloben, mit Stine."

Der Baron war aufgesprungen. Er faßte sich aber schnell wieder und sagte, während er sich setzte:Sie werden Ihre Gründe gehabt haben. Außerdem weiß ich ans hundert Er-