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Deutschland.
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„Was heißt das? Was hast Du Var? Waldemar, ich bitte Dich, Du wirst uus dach uicht eine dieser mvderueu Selbstmords-Komödien aufführen uud Dich unt Deiuer Stiue uach erfolgter Kopulation, das Wart bleibt mir iu der Kehle steckeu, auf eiue Bahuschieue werfen oder im Haus uud Grete- Stil iu eiueu Dorftümpel stürzen wallen? Ich bitte Dich, Waldemar, verschon' uus wenigstens mit einem Debüt im Polizeibericht."
„Es ist nicht das. Ich habe nur einfach Var, mit der alten Welt Schicht zu machen nnd drüben ein anderes Leben anznfangen."
„Und als Hinterwäldler Deine Tage zu beschließen. Umgang mit Ehingachgook, alias la ^ros serjmin, und Vermählung Deiner ältesten Tochter Komtesse Haldern mit irgend einem Unkas oder einem Großgroßneffen von Lederstrumpf. Was meinst Du dazu? Und wenn nicht Hinterwäldler, so doch comdo)', nnd wenn nicht aoevllov, so vielleicht Kellner auf einein Mississippi-Dampfer. Ich gratuliere. Waldemar, ich begreife Dich nicht. Ist denn keine Spur van Haldernschem Blut in Dir? Ist es denn so leicht, aus einer Welt bestimmter nnd berechtigter Anschauungen zn scheiden nnd bei Adam und Eva wieder auzufangen?"
„Da triffst Dn's, Onkel. Ja, bei Adam nnd Eva wieder anfangen, das will ich, da liegt es. Was Dir ein Schrecknis ist, ist mir eine Lust. Ich habe mir sagen lassen, alles regle sich nach einem Gesetz des Gegensatzes, das zugleich ein Gesetz des Ausgleichs ist, eine neue Theorie von diesem oder jenem, die Vorhand ist glaub' ich streitig. Aber gleichviel von wem sie herrührt, es hat damit nach meiner eignen Erfahrung und ebenso nach meinem bißchen Wissen seine vollkvmmne Richtigkeit. Der alte Fritz haßte das Alte Testament, weil er in seiner Jugend erbarmungslos damit gequält worden war, nnd der dicke König liebte die Frauen und überschätzte sie, weil sie fünfzig Jahre lang vom preußischen Hofe verbannt gewesen waren. Alles was unten ist, kommt mal wieder oben auf, und was wir Leben nnd Geschichte nennen, läuft wie ein Rad; «la gnuxll 1-ono cko llllistoiro» sagen die Franzosen. Und nun laß mich die Nutzanwendung machen. Die Halderns haben lange genug an der Feudal-Pyramide mit bauen helfen, um endlich den Gegensatz oder den Ausgleich oder wie Du's sonst nennen willst, erwarten zn dürfen. Und da kommt denn nun Waldemar v. Haldern und bezeigt eine Neigung, wieder bei Adam und Eva anznfangen."
Der Alte war nicht unempfindlich gegen solche Sätze, die, wenn sich's nicht um Verwirklichung an einem Familienmitgliede gehandelt Hütte, sehr wahrscheinlich seinen Beifall gehabt haben würden. Ein Lächeln lief über sein Gesicht, das ausdrücken mochte: „sieh, er führt seine Sache gut," ja, vielleicht entsnnn er sich sogar, in Übermut nnd Weinlaune mehr als einmal dasselbe proklamiert zn haben. Und so war es denn in einem viel ruhigeren Tone, daß er antwortete: „Waldemar, laß uns vernünftig reden. Ich bin nicht so verrottet, wie Tn glaubst. Ich kann dem allen folgen nnd ich habe von der göttlichen i Weltordnung nicht die Vorstellung, daß sie sich mit dem Staatskalender nnd der Rangliste vollkommen deckt. Ja, ich will Dir noch mehr sagen: ich habe Stunden, in denen ich ziemlich fest davon überzeugt bin, daß sie sich nicht damit deckt. Und es werden, nnd vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft, die Regn
lierungszeiten kommen, von denen Tn eben sprachst, nnd vielleicht auch wieder die Adam- und Eva-Zeiten. Und sie mögen auch kommen, warum uicht? Ich biu vor Adam nie erschrocken lind vor Eva erst recht nicht. Aber sind gerade wir dazu da, dem weltgeschichtlichem Umschwungsrade, das Du da vorhin citiertest, sind, sag' ich, gerade wir dazu da, diesem .n>mn<N i-oiie <ie Ullmtoiro solchen energischen Vorwärts- oder meinetwegen auch Zurück-Ruck zu gebeil? Überlasse das andern. Zur Zeit sind wir noch die Ueati possickeotes. «Sei im Besitze und Du bist im Recht» ist vorläufig noch für uns geschrieben. Warum sich selbst um diesen Besitz bringen und auf eigne Kosten eine Zukunft herausbeschwören, von der vielleicht keiner profitiert und wir gewiß nicht. Adam, Neubegiun der Menschheit, Paradies und Rousseau, — das alles sind wundervolle Themata, für die sich io >>roxi alle diejenigen begeistern mögen, die dabei nur gewinnen nnd nichts verlieren können, die Halderns aber thnn gut, all dies in der Theorie zn belassen lind nicht persönlich danach zn handeln."
Der junge Graf lächelte vor sich hin. „Ja, Onkel, das ist das Allgemeine, das Alltäglich-Gültige. Gewiß, ich weiß es. Da gilt das, was Du sagst. Und laß mich Dir versichern, ich bin weit ab davon, den Welt- oder auch nur den Gesellschafts Reformator machen zn wollen. Dazu Hab' ich nicht die Schultern. Aber das Befondre, das Besondre."
„ Welches Besondre?"
„Stine."
„Ja so, die," sagte der alte Haldern und ließ in allem erkennen, daß er im Laufe des Gesprächs den Ausgangspunkt so gut wie vergessen hatte. „Ja, Stine . . . Dummes Zeug. Ich keuue das. Eiu Junggeselle, der über fünfzig hinaus ist, ist mehr als einmal in Gefahr gewesen, an dieser Klippe zu schciteru. Aber das^sind Anwandlungen, Fieberanfülle. Solange sie dauern, legl man sich die Weltgeschichte nach dem kleinen Gefühl zurecht, das eineu gerade beherrscht: aber von heute auf morgen, oder wenn eS hoch kommt von heute bis übers Jahr, hat man sich besonnen uud sieht die Dinge nicht mehr durch das Trug- und Zauberglas unserer erhitzten Phantasie, sondern durch die Fensterscheibe der Alltäglichkeit. Stine! Du sollst nicht brüsk mit ihr brechen, im Gegenteil, besuche sie solange Dich's dazu treibt: habe Deine Plauderstuude mit ihr ruhig weiter; aber es muß der Augenblick kommen, wo sich's ausgeplaudert hat und wo Du Deinen Irrtum empfindest. Eines schönen Tages fällt es Dir wie Schuppen von den Augen und Du siehst in einen Abgrund."
„In welchen?"
„Das wag' ich nicht vorher zn sagen, vielleicht bloß in den der Langweile, vielleicht auch iu einen schlimmeren. Und den Tag danach schreibst Du ihr eiueu Abschiedsbrief und trittst Deine dritte Römerfahrt an. Rom paßt ohnehin für die Halderns, all zu alt. Aber nicht Amerika. Ja, für die ckPrsio^s oder ein Goldgräber-Camp ist mir, offen gestanden, auch Stiue zu schade. Beiläufig, was Stiue von Amerika braucht, ist eine Singersche Nähmaschine."
Waldemar erhob sich von seinem Platze. „Du hast, Oukel, von Deinem Standpunkt aus, ein Recht so zn sprechen, ja, vielleicht härter nnd herber noch; es liegt Dir fern, mich kränken zu wollen, ich höre das heraus uud ich dauke Dir dafür. Aber alles was Dn gesagt, kann mich nicht nmstimmen: es