Deutschland.
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benimmt. Es ist rätselhaft, wie so viele Menschen in dergleichen der Gesundheit ganz unzuträglichen Räumen stundenlang sich behaglich fühlen können und — anscheinend wenigstens — gesund bleiben. Wenn ich sage anscheinend, so soll das bedeuten, daß wir im Falle einer Erkrankung noch nicht immer in der Lage sind, den sicheren Nachweis in allen Füllen zu führen, daß jemand direkt durch den Verkehr in solchen schlecht oder gar nicht ventilierten Lokalen erkrankt sei, daß es auch wohl kaum gelingen diirfte, hierfür stets unwiderlegliche Beweise zu erbringen, ebensowenig wie man während einer großen Epidemie stets ganz sicher wird seststellen können, wie, wo und wann jemand die betreffende Krankheit erworben, und auch oft nur von großer Wahrscheinlichkeit sprechen kann. Die Thatsache, daß auch in geräumigen, ventilierten Lokalen bei starkem Besuch die für den Aufenthalt daselbst vorhandene Luft keine gesunde ist und auch unmöglich sein kann, enthebt die Besitzer kleinerer Gasthäuser nicht von der Anforderung, überhaupt ihre Geschäfte mit Ventilationsanlagen zu versehen. Hier möchte ich noch einen Umstand hervorheben, welcher mir von großer Bedeutung in der Frage der Anlage und des Baues von Gasthäusern zu sein scheint. Sehr oft werden heute Räumlichkeiten, die sonst als Wohnungen für wenige Menschen dienten, des höheren Mietsertrages wegen als Bier- oder Weinlokale vermietet, ohne daß auch nur die geringste Änderung in der Lage der Räume oder erst ihrer Ventilationseinrichtungen vorgenommen wird oder werden kann. Es sollte überhaupt nicht gestattet werden, in dergleichen ganz unzulänglichen Räumen Gaststuben einzurichten.
Die soeben für die Ventilation hervorgehobenen Übelstünde hasten in gleicher Weise oftmals den Heizungseinrichtungen mancher Gastwirtschaften an. Dieselben strömen meist in ihrer nächsten Nähe eine solche Hitze ans, daß daselbst entweder keine Plätze für das verkehrende Publikum vorhanden oder daß Schutzvorkehrungen gegen die zu starke Wärmestrahlung ge- ! troffen sein sollten. Wenn man sieht, wie Menschen stunden- lang dicht bei einer Gluthitze aussendenden Heizungsanlage, sei dieselbe in Gestalt eines Ofens oder als Centralheizung vorhanden, sitzen, so ist es wunderbar, wenn dieselben am nächsten Morgen nur mit einem tüchtigen Schnupfen behaftet das genossene „Vergnügen" büßen. Die starke Erwärmung einer ' Körperseite wird in den meisten Fällen, wenn das betreffende > Individuum sich nach dem Verlassen des Gasthauses wieder ans die Straße begicbt, in kalter Jahreszeit eine verschiedene Temperatur der einzelnen Körperteile und somit leichteste Veranlassung zur Erkältung im Gefolge haben. Ans den Einwnrf, daß sich keiner in die Nähe einer Wärmevorrichtung zu setzen gezwungen sei, erwidere ich, daß es viel richtiger Ist, hierzu überhaupt keine Gelegenheit zu geben. Daß das Offnen von Fenstern in einem zu heißen Lokale ans verschiedenen Gründen (durch Zug n. s. w.) der Gesundheit schädlich und daher unstatthaft ist, bedarf kaum der Erwähnung. Im übrigen thut man gut, sich auch nicht in die Nähe von Fenstern, wenn dieselben nicht im unteren Teile verhängt oder sonst verdichtet sind, in den Gasthäusern niederznlassen, da dieselben meistens so undicht angelegt sind, daß durch die vorhandenen Spalten ein fortwährender seiner Zug hindurchgeht, welcher wie allbekannt recht bösartige Erkrankungen veranlassen kann.
Außer diesen mehr allgemeinen Mißverhältnissen in vielen unserer Gastwirtschaften, deren Abstellung einem Bedürfnis entsprechen würde, sind noch einige Punkte hervorznheben, welche mit unseren eingangs berührten Forschungsergebnissen in näherem Zusammenhang, beziehungsweise völligem Widerspruch stehen. Der eine ist bereits oft Gegenstand von Besprechungen gewesen: das Ausspülen der Trinkgeschirre und die zu diesen: Zweck in den Gasthäusern vorhandenen Einrichtungen. Daß man bereits lange deren Unzulänglichkeit erkannt hatte, geht zur Genüge ans den ans verschiedenen Ausstellungen, in Berlin z. B. bereits in der Gewerbeausstellnng gezeigten neuen Spülapparaten für Bierwirtschnften n. s. w. hervor. Daß ein einfaches Ans- und Abbewegen der eben geleerten Gläser in einem
zur Hälfte mit Wasser gefüllten müßig großen Gefäße, dessen Inhalt mehrere Stunden lang oder auch gar nicht am Abend erneuert wird, zu einer auch nur einigermaßen den einfachsten Regeln der Sauberkeit entsprechenden Reinigung nicht genügt, ist einleuchtend. Die in den Seideln und Bierkrügen fast stets zurückblcibenden Reste vermischen sich mit dem „Reinigungs-" Wasser, und eine bakteriologische Untersuchung desselben würde recht oft bemerkenswerte Ergebnisse liefern. Noch schlimmer steht es z. B. dann, wenn unter den Besuchern des Lokals außerdem solche vorhanden sind (wer wollte hierüber eine Kontrolle ansüben können!?), welche mit ansteckenden Erkrankungen am oder im Munde oder Rachen behaftet sind. Eine direkte Übertragung dieser Afsektionen durch ungenügend gereinigte Trinkgeschirre wird so ermöglicht. Ich möchte hier sogleich einige Bemerkungen anschließen über die besonders in Berlin herrschende Unsitte des Trinkens mehrerer Personen ans einem Glase, wie dieses in den Weißbierstnben ein althergebrachtes Verfahren, aber auch bei besonderen Gelegenheiten ans Trinkhörnern und großen Humpen, z. B. ans Stndentenkneipcn, keine Seltenheit ist. Hauptsächlich eine Infektionskrankheit, welche sich mit Erscheinungen in fast allen Organen und ans h,en meisten Schleimhäuten, speciell des Mundes, äußert, ist relativ häufig ans diese Weise übertragen worden, und cs wäre endlich an der Zeit, den genannte:: Mißbrauch abznstellen, da man niemals sicher ist, ob nicht auch in der besten Gesellschaft eine oder mehrere Personen mit derartigen ansteckenden Affektionen behaftet sind, über deren Vorhandensein sich öffentlich zu äußern gern jeder einzelne vermeidet.
Als einen Fortschritt kann man es schon bezeichnen, wenn in einzelnen Lokalen am Schenktisch eine besondere Vertiefung mit darüber angebrachtem Wasserleitungshahn vorhanden ist, aus welchem das Wasser in häufigen Zwischenräumen erneuert wird, oder wenn sogar ans diese Weise dasselbe beständig zn- ! und absließend erhalten werden kann. An: brauchbarsten scheint ! wohl eine im fortwährend strömenden Wasser sich drehende Bürstenvorrichtnng zu sein, durch welche die Trinkgläser gut gesäubert werden, während der Wasserstrom jene selbst rein erhält.
Im verflossenen Jahre ist es gelungen, die Art und Weise ! der Verbreitung der als Erreger der Schwindsucht entdeckten > Pilze näher erkennen zu lernen. Es wurde gefunden, daß die in: Answurf und den Dejektionen der betreffenden Kranken enthaltenen Bacillen in: trockenen Zustande sich den: Staube beimischen und, dann eingeatmet, bei den dazu geeigneten Personen die unselige Krankheit erzeugen, welcher alljährlich so zahlreiche Menschen zum Opfer fallen. Es ist also erforderlich, die Eintrocknung der Bacillen zu verhindern. Dies geschieht am besten, wenn nun: in allen geschlossenen Räumen, wo sich Menschen anfhalten, mit Wasser — nicht mit Sand oder Hobelspänen, die das Eintrvcknen erleichtern - gefüllte Spnck- nüpfe aufstellt, und das Publikum sich daran gewöhnt, nur diese zum Answnrf zu benutzen.
Zum Schluß möchte ich noch eine der innersten Angelegenheiten der Gasthäuser erwähnen, welche zwar auch schon vielfach gerügt ist, aber auch einmal vom gesundheitlichen Standpunkt aus beleuchtet werden muß: die Reinigung und Aufbewahrung der znm Gebrauche der Gäste dienenden Wäsche. In sehr vielen Gastwirtschaften sieht man, daß die benutzten Tisch- und Mundtücher zusammengefaltet und mit Wasser eingesprengt in Pressen gelegt werden, um oft noch feucht und mit den verschiedensten Hinterlassenschaften des vorhergehenden Besitzers versehen, einem Folgenden zum Gebrauch vorgelegt zu werde::. Wie sich eigentlich die Wirte bei diesem Befenchtnngs-, Fal- tnngs- und Pressungsvorgang eine Reinigung der Wäschestücke vorstellen, ist unverständlich: daß dieses Verfahren auch sehr gefährlich ist, bedarf aus den oben bei der Reinigung des Trinkgeschirrs auseinandergesetzten Gründen keiner Besprechung weiter. Genau ebenso verhält es sich mit der in den Gasthöfen znm Beziehen der Betten verwendeten Wäsche. Es ist in vielen Gasthöfen Sitte . oder vielmehr gefährliche Unsitte — der-